Das Gericht hat sich erneut mit der Beschaffung der Mordwaffe Ceska 83 beschäftigt – und stieß wie häufig zuvor auf einen Zeugen, der wenig zur Aufklärung beitrug: Jürgen L. aus Jena, der die Pistole aus der Schweiz erhalten und an einen Bekannten weitergegeben haben soll. Bei seiner Vernehmung stritt er eine Beteiligung ab, versuchte stattdessen, Richter Manfred Götzl zu reizen. „Von Jürgen L. will sich der Vorsitzende nicht einmal provozieren lassen“, beobachtet Per Hinrichs von der Welt. Götzl habe sich an diesem Tag auffallend gelassen gezeigt.
An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.
Auch die politische Einstellung von L. machten die Prozessbeteiligten zum Thema. Der Zeuge bezeichnete sich als „neutral“ – dabei legen Indizien aus den Akten eindeutig nahe, dass L. der rechten Szene angehört. „Trotz dieser offensichtlichen Ungereimtheiten gibt sich Jürgen L. aber keine Mühe, seine Verachtung zu verbergen“, schreibt Hinrichs. Auf die Hilfe der Neonazis brauche das Gericht bei der Rekonstruktion der Lieferkette nicht zu bauen, ihr Beitrag zur Aufklärung „dürfte dabei gegen null gehen“.
Den Betreiber des Szeneladens Madley, Andreas Sch., bezeichnete L. als Lügner. Er hatte L. in einer polizeilichen Vernehmung belastet. Auch hätten Behörden wie das Bundeskriminalamt die Protokolle seiner eigenen Aussagen manipuliert. „Hört man ihm zu, entsteht der Eindruck, wahlweise die Bundesanwaltschaft, das Bundeskriminalamt (BKA) oder die Presse meinen es nicht gut mit ihm“, kommentiert Kai Mudra von der Thüringer Allgemeinen.
„Würde man L. glauben, dann käme man zu dem Ergebnis, dass er ganz sicher kein Unterstützer des NSU war. Nur macht der Zeuge vor Gericht Aussagen, die seine Glaubwürdigkeit erheblich infrage stellen“, bilanziert Björn Hengst auf Spiegel Online. So wollte er sich nicht mehr daran erinnern, dass die Polizei im Jahr 1991 eine Schusswaffe bei ihm entdeckt hatte.
Die Verteidigung konnte mit L.s Aussage hingegen etwas mehr anfangen. Die Anwälte von Ralf Wohlleben, der das Waffengeschäft veranlasst haben soll, beantragten die Vereidigung des Zeugen. „Sie wollte so die Aussage von Andreas S. erschüttern, die Ralf Wohlleben belastet“, analysiert Tim Aßmann vom Bayerischen Rundfunk.
Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 7. August 2014.