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Die Vorzeichen des Terrors – Das Medienlog vom Freitag, 5. September 2014

 

Nach einem Monat Verhandlungspause wird wieder verhandelt. Thema des 136. Prozesstags waren die Bombenattrappen, die Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Jena aufstellten und verschickten. Dazu sagte der LKA-Ermittler Jürgen Dressler aus, der sich bereits im NSU-Untersuchungsausschuss geäußert hatte.

Das NSU-Trio befand sich „offenkundig schon vor dem Gang in den Untergrund im Januar 1998 auf dem Weg in Richtung Terror“, schließt Frank Jansen vom Tagesspiegel. Die Schuld für das Scheitern der Fahndung nach den dreien gab Dressler der Staatsanwaltschaft, die erst spät einen Haftbefehl erließ: „Der Ton klang resigniert.“

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Als die Ermittler am 26. Januar 1998 die Bombenwerkstatt des NSU in einer Jenaer Garage aushoben, waren sie den dreien dicht auf den Fersen. „Doch die Flucht schien bei der Staatsanwaltschaft keine Unruhe auszulösen“, analysieren wir bei ZEIT ONLINE. Der Fahndungseifer, so es ihn wirklich gegeben hatte, sei zu spät gekommen – durch das juristische Gezerre blieben den mutmaßlichen Rechtsterroristen zwei Tage Zeit, in den Untergrund abzutauchen.

Bei der Befragung sei zudem deutlich geworden, „dass die Polizei bis Ende 1997 keinen Schimmer von der mutmaßlichen Bombenbastlerwerkstatt“ hatte, schreibt Kai Mudra von der Thüringer Allgemeinen. Er hebt die These des Opferanwalts Sebastian Scharmer hervor, der die These ins Spiel brachte, dass ein Informant des Verfassungsschutzes die Ermittler auf die Garage hinwies. Der Verfassungsschutz hatte den Ort angeblich ausfindig gemacht, indem er Uwe Böhnhardt observierte – demnach könnte der Tipp jedoch auch von einer menschlichen Quelle gekommen sein.

Tim Aßmann vom Bayerischen Rundfunk fragt sich, wieso der Geheimdienst bei seiner Observation so viel erfolgreicher war als das Landeskriminalamt, das es zuvor auf eigene Faust versucht hatte. „Und warum wurden die Ergebnisse als geheim eingestuft?“ Zur Ausstellung eines Haftbefehls kam es erst, als der Verfassungsschutz seinen Beobachtungsbericht für die Staatsanwaltschaft freigab.

Björn Hengst von Spiegel Online wirft im Prozessbericht einen Blick auf das Verhalten von Zschäpes Anwälten, denen ihre Mandantin kurz vor der Sommerpause das Misstrauen ausgesprochen hatte. Vor allem Verteidiger Wolfgang Stahl hatte immer wieder Fragen von Nebenklageanwälten an den Zeugen beanstandet. „So engagiert hat man sie jedenfalls nicht immer gesehen.“ Insofern habe der Antrag der Hauptangeklagten auf Entpflichtung ihrer Anwälte Wirkung gezeigt. „Ob Zschäpe zu ihnen Vertrauen fasst, ist eine ganz andere Frage.“

Denn: Zschäpe hat offenbar erst vor Kurzem wieder Kontakt zu einem anderen Anwalt gesucht. Am 26. August wandte sie sich per Postkarte an den Strafverteidiger Marc Jüdt aus Baden-Württemberg, wie Per Hinrichs in der Welt berichtet. Drei Tage darauf habe sich Jüdt um eine Besuchserlaubnis im Untersuchungsgefängnis bemüht. „Damit scheint klar, dass Zschäpe nach wie vor nicht gewillt ist, in der bisherigen Besetzung weiterzuverhandeln“, folgert Hinrichs.

Der Prozess bekam an diesem Tag Besuch aus dem Bundestag: Grünen-Chef Cem Özdemir nahm als Beobachter am Verfahren teil. Dabei sagte er, dass der Prozess allein nicht alle Hintergründe des Falls aufklären könne, wie Annette Ramelsberger von der Süddeutschen Zeitung berichet. Deswegen forderte er einen eigenen Untersuchungsausschuss für Baden-Württemberg, wo die Polizistin Michèle Kiesewetter ermordet wurde: „Jeder müsste ein Interesse daran haben, dass das Land nicht im Zwielicht stehen bleibt“, sagte er. Außerdem müsse der Ausschuss im Bundestag fortgesetzt werden.

Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 8. September 2014.