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Verteidiger kritisieren Vernehmung von Schweizer Zeugen – Das Medienlog vom Mittwoch, 17. September 2014

 

Vor einer Aussage in München hatten sich die Schweizer Zeugen Peter Anton G. und Hans Ulrich M. gedrückt – nun beginnt das Gericht, ihre Aussagen bei der Schweizer Polizei in den NSU-Prozess einzuführen. G. soll die Mordwaffe Ceska 83 bei einem Händler gekauft oder seinem Freund M. den Kauf ermöglicht haben. Dieser soll sie nach Deutschland gebracht haben. Zwei Ermittler gaben wieder, was G. ihnen in mehreren Vernehmungen gesagt hatte – die teils harschen Nachfragen der Verteidiger machten dabei „anschaulich, wie zäh die Prozessparteien um jede Kleinigkeit ringen, die am Ende vielleicht von Vorteil sein kann“, schreibt Christoph Arnowski vom Bayerischen Rundfunk.

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Dass G. die Pistole, wie von der Bundesanwaltschaft behauptet, an M. weitergegeben habe, „dafür lieferte die heutige Vernehmung keine Beweise“, urteilt Arnowski. Zudem konnte sich der erste Schweizer Beamte kaum an Details aus zwei Befragungen erinnern. „Entsprechend zäh verlief die Befragung durch Richter Manfred Götzl, bis (Zschäpes Verteidiger) Wolfgang Stahl das Vorgehen des Gerichts beanstandete“, berichtet Kai Mudra von der Thüringer Allgemeinen.

Die Anwälte von Beate Zschäpe widersprachen der Verwertung der Befragung, weil G. als Zeuge und nicht als Beschuldigter vernommen worden war. Als Grund führten sie die Europäische Menschenrechtskonvention an: Demnach wurde G. nicht darüber belehrt, dass er als Beteiligter eines Verbrechens gelten könnte, was jedem Verdächtigen laut der Rechtecharta zusteht.

Was die Beamten berichteten, warf indes ein schlechtes Licht auf die Glaubwürdigkeit des Schweizer Zeugen: Dieser „tischte den Ermittlern regelmäßig dieselben Lügen auf“, wie wir bei ZEIT ONLINE berichteten. So erzählte er erst in einer seiner letzten von sechs Befragungen, dass er M. einen Waffenerwerbsschein für 400 Schweizer Franken verkauft hatte. Unklar ist demnach noch, welche Rolle der Zeuge bei der Waffenschieberei spielte: „War er ein Naivling, der sich für ein bisschen Geld möglicherweise der Beihilfe zum Mord schuldig machte? Ein bereitwilliger Helfer?“

Neuigkeiten gibt es bei Beate Zschäpes Suche nach einem neuen Anwalt, die auch nach dem gescheiterten Misstrauensantrag weitergeht: Die Hauptangeklagte habe sich kürzlich mit dem Anwalt Marc Jüdt getroffen, berichtet Per Hinrichs in der Welt. Nach einem weiteren Termin wolle sie entscheiden, ob „ich ihm ein Mandat erteile“, wie es in Dokumenten heiße. Möglich sei, dass ein neuer Anwalt einen oder zwei der bisherigen Verteidiger ersetzt.

SWR-Reporter Holger Schmidt berichtet in seinem Blog über den Besuch einer Mitgefangenen in Zschäpes Zelle vom Mai. Die Insassin durfte bei Zschäpe übernachten, weil diese über Unwohlsein geklagt hatte. Schmidt weist auf einige Merkwürdigkeiten des Kontakts zwischen den beiden Frauen hin: So trug die andere Gefangene den Spitznamen Pinky und nutzt den Rosaroten Panther als Markenzeichen – dieselbe Figur tritt auch im Bekennervideo des NSU auf. Rechtsextrem sei Pinky wohl nicht. Indes habe die kürzlich Entlassene Bewunderung für Zschäpe gezeigt: „Sie war wie eine Mutter für mich“, sagte sie im Gespräch mit dem Autor.

Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 18. September 2014.