Der Zeuge Hendrik L. aus Chemnitz war die wichtigste Person am Donnerstag im Gerichtsverfahren: Er ist ein alter Bekannter der NSU-Gruppe aus Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Mit den dreien verkehrte er sowohl vor als auch nach deren Untertauchen 1998. Vor allem mit Mundlos war er nach eigenen Angaben gut befreundet. Ein rechtes Weltbild zu haben, empfand L. offenbar als völlig normal: „Damals habe man zuerst an die eigene Nation gedacht“, gibt Alf Meier vom Bayerischen Rundfunk L.s Aussage wieder. Ansonsten gab er sich „wortkarg, unkonkret, will Namen alter Freunde nicht preisgeben“.
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Für den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl sei es eine „mühsame Befragung“ gewesen, „die seiner Contenance einiges abverlangt“, schreibt Harald Biskup in der Berliner Zeitung. L. gilt als eine der Schlüsselfiguren der rechten Szene in Chemnitz. Doch die Situation der drei Geflüchteten will er als unspektakulär eingeschätzt haben, was für Biskup „nicht sehr glaubwürdig klingt“. Sein damals anscheinend ungezwungener Umgang mit den dreien lässt allerdings einen interessanten Schluss zu: „Glaubt man seinen Aussagen, hätten sich die drei polizeilich gesuchten Neonazis Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe auch nach ihrem Untertauchen relativ frei in Chemnitz bewegt“, schreibt Ina Krauß vom Bayerischen Rundfunk.
Im Anschluss an die Vernehmung kam es zu einem Zwischenfall auf der Besuchertribüne: Ein Zuschauer bedrohte den Korrespondenten der Chemnitzer Freien Presse, indem er ihm dessen Privatadresse zuraunte. Später zog er gemeinsam mit Zeuge L. von dannen. Der Journalist erstattete Strafanzeige. „Ganz offensichtlich haben ihn die Rechtsradikalen ausspioniert. Und bedrohen ihn nun mitten im Gerichtssaal“, berichtet Annette Ramelsberger von der Süddeutschen Zeitung. „Doch da springt auf der Besuchertribüne, unter den Journalisten, plötzlich ein Mann auf, kurze Haare, sportlich angezogen“, schreibt sie. „Er hat zwei Ringe am Finger, die schwarze Sonne, ein Zeichen der Neonazis, und den Thorshammer. Unterm Hemd ist er wild tätowiert. Ganz offensichtlich gehört er zum Zeugen.“
Beate Zschäpe scheint gesundheitlich angeschlagen, zuletzt war sie häufiger krankgeschrieben. Dem trägt das Gericht nun Rechnung: Im März wird nur noch an zwei statt drei Tagen pro Woche verhandelt. Grundlage der Entscheidung war ein Gutachten des Münchner Psychiaters Norbert Nedopil.
Vor dem Strafjustizzentrum demonstrierte am Donnerstag eine Initiative, die den Mord an dem Berliner Burak Bektas von 2012 als Nachahmungstat der NSU-Morde vermutet. Der Anwalt der Familie, Mehmet Daimagüler, der auch Nebenklageanwalt im NSU-Prozess ist, fordert aufgrund zahlreicher Parallelen intensivere Ermittlungen. Über die Ähnlichkeiten beider Komplexe berichtet Frank Jansen im Tagesspiegel.
Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 9. März 2015.