Am 198. Prozesstag ging es um mehrere Komplexe: Banküberfälle, den Polizistenmord von Heilbronn und das Vorleben des NSU-Mitglieds Uwe Mundlos. In Erinnerung blieb aber vor allem ein Beispiel außerordentlicher Dreistigkeit – geliefert vom Szenezeugen Markus F. Der Chemnitzer soll sowohl Kontakt zum NSU-Trio als auch nach Heilbronn gepflegt haben. Daran konnte er sich im Prozess jedoch angeblich nicht mehr erinnern. „Das Gericht muss sich wieder einmal mit einem renitenten Szenezeugen herumärgern“, bemerkt Tanjev Schultz von der Süddeutschen Zeitung.
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Mit seiner harten Verweigerungshaltung und den schier unendlichen Erinnerungslücken provozierte F. zwar auch den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl, erfuhr jedoch keine Konsequenzen. Auch als Götzl ihm Bilder vorhielt, die ihn gemeinsam mit Beate Zschäpe zeigten, blieb der Zeuge bei seiner Aussage.
Ein weiterer Zeuge war Aleksander H., ein Zeuge von Uwe Mundlos aus Schulzeiten. Dieser schilderte, wie Mundlos ihm von diversen Straftaten erzählt hatte, die der NSU vor seinem Abtauchen im Jahr 1998 beging. Auffällig daran sind vor allem die unterschiedlichen Biografien der beiden Männer: „Wie ist es möglich, dass zwei Menschen, die unter ähnlichen Umständen aufwachsen, völlig andere Lebenswege einschlagen?“, fragen wir auf ZEIT ONLINE. Eine endgültige Antwort brachte die Aussage des Zeugen, der demnächst erneut geladen wird, nicht.
Die an lückenloser Aufklärung interessierten Anwälte der Nebenklage seien an diesem Tag „keinen Schritt vorangekommen“, kommentiert Christoph Arnowski vom Bayerischen Rundfunk. Bei diesem Fazit bezieht sich der Autor ausdrücklich auf den schmallippigen Markus F. Anders sehe die Situation für die Anklage aus. Sie habe mithilfe der Aussage eines Ermittlers die Beweisführung bei den Banküberfällen vorantreiben können. So habe die Befragung ergeben, „es waren immer die gleichen zwei Täter und es wurden immer die gleichen Waffen benutzt“. Bei den Tätern handelt es sich laut Bundesanwaltschaft um Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die mit den Überfällen das Untergrundleben des NSU finanzierten.
„Die Beweiskette, zusammengesetzt aus einer Fülle von Zeugenbeobachtungen, Aufnahmen von Videokameras und unzähligen Asservaten, ist erdrückend“, befindet auch Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online. Behandelt wurden in den vergangenen zwei Tagen vor allem zwei Überfälle auf dieselbe Filiale einer Sparkasse in Stralsund von 2006 und 2007. Beweisstücke der Überfälle fanden sich später im niedergebrannten Haus des Trios in Zwickau wieder. „Kaum vorstellbar, dass Beate Zschäpe davon nichts bekommen haben soll.“
Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 17. April 2015.