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Zschäpes Aussage: Belastung oder Entlastung? – Das Medienlog vom Donnerstag, 17. März 2016

 

Zum dritten Mal hat sich Beate Zschäpe im NSU-Prozess geäußert – erneut, indem ihr Anwalt ein zuvor abgefasstes Schriftstück verlas. Darin ging es in weiten Teilen um die Beteiligung des Mitangeklagten André E., der für den NSU Wohnmobile gemietet und Ausweise zur Verfügung gestellt haben soll. Über die Bewertung dieser Angaben gehen die Meinungen bei Prozessbeobachtern auseinander. „André E. und seine Frau Susann belastet Zschäpe damit schwer“, heißt es etwa bei Annette Ramelsberger von der Süddeutschen Zeitung.

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Zschäpe ließ mitteilen, das NSU-Trio habe E. im Jahr 2007 mitgeteilt, dass Mundlos und Böhnhardt den Lebensunterhalt der drei mit Raubüberfällen verdienten. Von den Morden und Bombenanschlägen, die der Terrorgruppe zugeschrieben werden, habe er hingegen nichts gewusst. Fest steht: „So, wie sie E. darstellt, muss er seit 1998 über die Jahre ein treuer Freund und Helfer gewesen sein“, merkt Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online an. Da das Ehepaar im Schnitt einmal pro Woche zu Besuch gekommen sei und dessen Söhne für Zschäpe nach ihren Angaben „Ersatzkinder“ waren, sei es umso „bemerkenswerter, dass Zschäpe das Ehepaar E. zunehmend in die Sache reinzieht“.

Weiter erzählte Zschäpe, dass André E. sie am 4. November 2011 aus Zwickau abgeholt hatte, nachdem sie vom Tod ihrer Komplizen erfahren und die gemeinsame Wohnung angezündet hatte. Er habe ihr daraufhin Kleidung seiner Frau gegeben. „Wenn das Gericht davon ausgeht, dass E. von der Mord- und Anschlagsserie des NSU nichts wusste, wäre die Hilfeleistung für ihn wenig problematisch“, meinen wir bei ZEIT ONLINE.

Denn angeklagt ist E. vor allem der Beihilfe zum versuchten Mord und der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung – und nur in zwei Fällen der Beihilfe zum Raub, was im Urteil deutlich weniger schwer wiegen würde. Ungewiss ist jedoch, wie entscheidend Zschäpes Angaben bei der rechtlichen Würdigung dieser Vorwürfe überhaupt sind, denn sie „hat ein massives Glaubwürdigkeitsproblem“: „Mit der Entlastung durch die Hauptangeklagte wird E. daher nicht sonderlich viel anfangen können.“

Den Grund für die als gering eingestufte Plausibilität nennt Konrad Litschko von der taz: „Zschäpe stellt sich nicht nur unbeteiligt dar, sondern gar unterdrückt“ – etwa dadurch, dass Uwe Böhnhardt sie mehrmals geschlagen habe. In Sachen André E. sei auffällig, „wie schonend Zschäpe mit Mitangeklagten und Helfern umgeht“. Der Nutzen der Angaben für sie selbst sei zweifelhaft: „Entlastung für Zschäpe bringen diese Aussagen wohl nicht.“

Zschäpe habe die E.s „durchaus belastet. Allerdings, so scheint es, so wenig wie möglich“, kommentiert Christoph Arnowski vom Bayerischen Rundfunk. Da das Paar offenbar nur über einen Ausschnitt der NSU-Taten informiert war, seien die „praktisch erwiesenen Unterstützungshandlungen für die drei sicher weniger schwerwiegend einzustufen, als wenn das befreundete Ehepaar über die Mordserie Bescheid gewusst hätte“. Die Vorwürfe gegen sich selbst habe Zschäpe nicht entkräften können.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 18. März 2016.