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Zschäpe steckt im Aussage-Dilemma – Das Medienlog vom Mittwoch, 3. August 2016

 

Der NSU-Prozess geht für einen knappen Monat in die Sommerpause. Für viele Beobachter Anlass für ein Zwischenfazit – das zumeist sehr ernüchternd ausfällt: „Qual ohne Ende“ oder „Der zähe Prozess“ heißt es da. Immerhin dauert das Verfahren nun bereits über drei Jahre und ist noch nicht am Ende der Beweisaufnahme. Ein Urteil ist somit noch nicht in Sicht. Das schlaucht. Doch es gibt eine Ausnahme: Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe sei „nahezu die einzige Teilnehmerin des Mammutverfahrens, die unbeschwert wirkt“, beobachtet Frank Jansen vom Tagesspiegel. Sie habe ihre „Schwächephase“ vom vergangenen Sommer überwunden, sei gut gelaunt und kommunikativ. Zur Aufklärung trage sie indes nicht bei.

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Derzeit ist das Verfahren erneut ins Stocken geraten, weil Zschäpes Altanwälte mehrere Fragen der Nebenklagevertreter beanstandet hatten. Am Dienstag gaben die Opferanwälte Erwiderungen darauf ab. „Die Beweisaufnahme im Prozess, der im Mai 2013 begann, könnte eigentlich bald abgeschlossen werden. Viel hängt aber wieder einmal davon ab, wie Zschäpe sich verhält“, merkt Tanjev Schultz von der Süddeutschen Zeitung an. Weil es auch immer wieder neue Nachfragen geben könnte, sei der Zeitpunkt des Prozessendes unkalkulierbar.

Bundesanwalt Herbert Diemer nannte die Situation im Prozess denn auch „eine spezielle, allein von der Angeklagten herbeigeführte Ausnahmesituation“, wie Wiebke Ramm auf Spiegel Online berichtet. Prozessbeteiligte lesen ihre Fragen im Gericht vor, Zschäpes Anwalt Mathias Grasel schreibt mit oder lässt sich die Fragen schriftlich aushändigen und beantwortet sie Wochen oder Monate später durch Verlesen. Für einen Strafprozess völlig untypisch. Aber: „Die Hoffnung auf Aufklärung der angeklagten Verbrechen lässt die Prozessbeteiligten so manches an Frechheit grenzende Verhalten erdulden“, schreibt Ramm.

Oliver Bendixen vom Bayerischen Rundfunk schreibt über Zschäpe: „Vermutlich war die Schweige-Strategie ihrer entmachteten Altverteidiger die bessere. Das zähe Frage-Antwort-Spiel drohe „ihr schon seit Monaten um die Ohren zu fliegen“. Das Problem dabei: Lügen könnten herauskommen, die Wahrheit könnte eine lebenslange Freiheitsstrafe zur Folge haben. Die Hauptangeklagte befindet sich in einem Dilemma.

Hauptthema des 305. Verhandlungstags war die Vernehmung eines früheren Polizisten aus Jena, der nach Beobachtungen aus den neunziger Jahren gefragt wurde. So sollte ergründet werden, ob der Mitangeklagte Ralf Wohlleben sich damals rechtsextrem oder volksverhetzend äußerte. Seine Anwälte wollen herausstellen: Nein, tat er nicht. Das lief jedoch nicht glatt, wie Per Hinrichs von der Welt meint: „Der Versuch, das braune Hemd weißzuwaschen, misslingt.“ Der Zeuge habe sich an einige Äußerungen Wohllebens erinnern können.

Diese aber, heißt es bei uns auf ZEIT ONLINE, waren kaum von Detailwissen untermauert. Ideologie lässt sich demnach nur schwer ausforschen, auch in juristischer Hinsicht. Die Frage nach der Einstellung der Beteiligten ist nicht nur für das Gericht wichtig, „sondern vor allem für die Angehörigen der Opfer. Sie wollen endlich sicher wissen, wer da warum gemordet hat“.

Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 4. August 2016.