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Keine Hoffnung mehr im Zschäpe-Lager

 

Beate Zschäpes persönliche Aussage hat tief blicken lassen – doch nicht so, wie es die Angeklagte im NSU-Prozess geplant hatte. Ihre Äußerung zeigt: Zschäpe selbst rechnet mit einer langen Zeit hinter Gittern.

Als sich im NSU-Prozess am Donnerstag die Überraschung gelegt hatte, kamen die Fragen: Was wollte Beate Zschäpe erreichen mit ihrer völlig unerwarteten, zum ersten Mal selbst vorgetragenen Aussage? Die Hauptangeklagte meldete sich am Donnerstag mit einem keine zwei Minuten dauernden Statement zu Wort. In bemerkenswerter Knappheit distanzierte sich Zschäpe dabei vom Rechtsextremismus und den Morden der Terrorzelle.

Von einer persönlichen Entschuldigung an die Opfer war nicht die Rede, lediglich von Bedauern für ihr eigenes „Fehlverhalten“. Mit einer ehrlichen Handreichung an die Hinterbliebenen der zehn NSU-Mordopfer war das nicht zu verwechseln. Auch das Gericht dürfte sich davon nicht blenden lassen. Warum also übernahm Zschäpe für kurze Zeit die Aufgaben, die sie sonst ihren beiden neuen Verteidigern überlassen hatte? Wieso wagte sie sich aus der Deckung des Schweigens hervor, die sie drei Jahre lang gesucht hatte?

Prozessteilnehmer haben eine These mit vernichtendem Fazit aufgestellt: Zschäpe und ihre Verteidiger sind verzweifelt. Sie rechnen längst mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Die Angeklagte wandte sich demnach nicht an das Gericht oder die Opfer, sondern an den psychiatrischen Sachverständigen Henning Saß. Der Professor aus Aachen muss in einem Gutachten beurteilen, ob Zschäpe eine Gefahr für die Allgemeinheit ist und nach Verbüßung der Haftstrafe in Sicherungsverwahrung untergebracht werden soll. Dann droht ihr eine unbestimmt lange Zeit hinter Gittern.

Der Satz „Ich hege heute keine Sympathien mehr für nationalistisches Gedankengut“ liest sich als die Botschaft: Von mir geht keine Gefahr mehr aus. Der persönliche Vortrag entpuppt sich als kleinstmögliches Zugeständnis an Saß, dem Zschäpe nach wie vor Gespräche und Antworten auf seine Fragen verweigert. Die Sicherungsverwahrung kann nur mit einem Schuldspruch verhängt werden. Den erwarten die Verteidiger und ihre Mandantin offensichtlich.

Auch bei Zschäpes zahlreichen vorigen Einlassungen, verlesen von ihren Anwälten, war es der durchschaubare Zweck, der die Angeklagte so unglaubwürdig erscheinen ließ. Bewusst hält Zschäpe ihren Selbstschutz aufrecht, indem sie vage Formulierungen wählt. So beurteile sie Menschen heute angeblich „nicht nach Herkunft und politischer Einstellung, sondern nach ihrem Benehmen.“ Eine bemerkenswert flache Darstellung des eigenen Wertekompasses.

Weil die Hauptangeklagte, ob schweigend oder sprechend, stets schmallippig auftrat, wollen die Nebenkläger auf andere Weise ihre innere Einstellung ergründen. Sie beantragten unlängst, einen Brief zu verlesen, den Zschäpe 2013 an den damals in Bielefeld inhaftierten Neonazi Robin S. geschrieben hatte. Richter Manfred Götzl deutete daraufhin an, er wolle dem Gesuch stattgeben.

In dem 26-seitigen Schreiben präsentiert sich eine selbstbewusste, alles andere als geläutert wirkende Beate Zschäpe. Von der angeblichen Reue ist nichts zu lesen. Stattdessen beklagt sich Zschäpe darüber, wie sehr das Gerichtsverfahren ihr auf die Nerven geht: „Irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, wann mir alles egal ist und sie mir eigentlich nur noch das Urteil zuschicken sollen.“

Auch, dass sie der rechten Szene abgeschworen haben will, wirkt wenig überzeugend – schon dadurch, dass sie in Briefkontakt mit einem verurteilten Rechtsextremisten tritt und ihm Anerkennung dafür zollt, dass er zu dem Zeitpunkt sechs Jahre Haft durchgehalten hat. Zschäpe stellt auch klar: „Ein Im-Stich-Lassen liegt mir nicht, das ist eine meiner beständigen Eigenschaften.“ Vielmehr ärgert sich die Untersuchungsgefangene, sie sei umringt von Menschen, die „ein eigenes Ziel verfolgen, mich in eine Richtung lenken wollen, die mir stinkt“.

Für den Nebenklageanwalt Mehmet Daimagüler war die persönliche Einlassung der Versuch, „Frau Zschäpe auf der Zielgeraden ein menschliches Antlitz zu verpassen“. Die Angeklagte habe ebenso versucht, ein Urteil abzuwenden, in dem die besondere Schwere der Schuld festgestellt wird. In dem Fall könnte sie aus lebenslanger Haft nicht frühestens nach 15 Jahren, sondern erst deutlich später entlassen werden.

Für unglaubwürdig hält er auch, dass sich Zschäpe von den Taten ihrer Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt distanzierte, wie sie es bereits in ihrer ersten vom Anwalt verlesenen Aussage im Dezember 2015 getan hatte. Demzufolge war sie emotional abhängig von den beiden Männern. Nach dem Tod der Uwes am 4. November 2011 erfüllte sie dennoch deren Wünsche, indem sie die gemeinsame Wohnung in Zwickau anzündete und DVDs mit dem Bekennervideo des NSU verschickte.

Dass Zschäpe auf die zahlreichen Widersprüche in ihren Angaben eingeht, sich offen vor Gericht äußert, erwartet niemand. Die Hoffnung auf Mithilfe der Angeklagten ist dem Frust über ihre taktischen Spielchen gewichen. „Wenn sie spricht, sollte sie etwas sagen“, meint Anwalt Daimagüler. „Ich habe darauf keine Lust mehr.“