Der Fund von Erbmaterial des NSU-Mitglieds Uwe Böhnhardt am Leichenfundort der 2001 verschollenen Peggy Knobloch bleibt beherrschendes Thema in den Medien. Eine Thüringer Sonderkommission untersucht nun ungeklärte Fälle von Kindstötungen. Welche Auswirkungen der DNA-Fund auf den NSU-Prozess hat, wird erst in der nächsten Woche klar, wenn das Verfahren fortgesetzt wird. Die Tendenz der Beobachter ist jedoch klar: Der Fall werde „keine Rolle spielen können, so sehr sich das manche Beteiligten auch wünschen mögen“, schreibt Holger Schmidt vom Südwestrundfunk. Die NSU-Angeklagte Beate Zschäpe könne aber als Zeugin im Ermittlungsverfahren um den Tod Peggys vernommen werden.
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„Möglichweise muss die Ermittlung und der NSU-Prozess komplett neu aufgerollt werden“, heißt es hingegen in einem Artikel von Stefan Aust und Dirk Laabs in der Welt (kostenpflichtig). Grund dafür sei die Vermutung, „dass möglicherweise der NSU doch ein größeres Netzwerk sein könnte und es Verbindungen etwa zum organisierten Verbrechen gäbe“, die sich nun verfestige. Die Bundesanwaltschaft, Vertreterin der Anklage, habe sich auffallend schnell auf das Bild eines autark handelnden Trios aus Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos eingelassen. Auffällig sei zudem, dass an den Tatorten des NSU nie DNA-Spuren eines der mutmaßlichen Täter gefunden wurden, nun jedoch in einem anscheinend völlig anders konstruierten Fall.
Belege oder handfeste Anhaltspunkte für Verbindungen in andere Netzwerke gibt es bislang allerdings nicht. Die Folge: „Von einem substanziellen Verdacht kann und darf man nicht reden und nicht schreiben“, meint Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung. Was vorliege, sei ein Anfangsverdacht, der gebiete, dass die Polizei ihre Ermittlungen führe – ohne Begleitung medialer Panik. „Hysterie ist immer Gift für Ermittlungen.“ Auch die Autorin der Süddeutschen Zeitung, Annette Ramelsberger, mahnt, „sehr vorsichtig zu sein mit schnellen Schlüssen“, denn bislang klinge die Verbindung „viel zu unwahrscheinlich, um wahr zu sein“.
Wenn man sich jedoch „die enthemmte Brutalität des Trios noch einmal in Erinnerung ruft, dann, so scheint es, ist nichts mehr auszuschließen“, kommentiert Hagen Strauß von der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen. Stephanie Lahrtz von der Neuen Zürcher Zeitung gibt allerdings zu bedenken, derzeit sei „die neue Sachlage bezüglich der DNA-Spur zu verwirrend, als dass sich daraus ernsthaft etwas neu Be- oder Entlastendes für Zschäpe ergeben könnte“.
„Der Fall Peggy ist ein Puzzlestück, das auf dem Tisch liegt, aber nicht passt. Jeder Versuch, es in den Komplex Nationalsozialistischer Untergrund einzusetzen, scheitert“, merken wir auf ZEIT ONLINE an. Daher ist Vorsicht geboten bei dem Impuls, auf dem Wege des NSU-Prozesses den Tod des Mädchens mit aufklären zu wollen, wie in der Nebenklage bereits überlegt wird. Wahrscheinlich gilt: „Diese Vorstellung wird den Prozess nicht verändern, aber vielleicht den Blick darauf.“
Tatsächlich sind einige Ungereimtheiten im NSU-Komplex möglicherweise besonders kritisch zu betrachten, denn es ist „nicht das erste Mal, dass der NSU mit Kindesmissbrauch und -mord in Verbindung gebracht wird“, merkt Sybille Klormann von ZEIT ONLINE an. Die Autorin hat mehrere Fälle zusammengetragen, die vor dem Hintergrund der Peggy-Spur in einem anderen Licht scheinen. Das Thema DNA-Proben und ihre Zuverlässigkeit ordnet Alina Schadwinkel in einem Hintergrundartikel ein.
Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 18. Oktober 2016.