Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Blick in Zschäpes Wohnung – das Medienlog vom Donnerstag, 6. Juli 2017

 

Eine neue Aussage von Beate Zschäpe hat ihre Glaubwürdigkeit erneut infrage gestellt. Auf Antrag eines Nebenklageanwalts prüften die Richter die Raumaufteilung einer Bleibe in Zwickau, die zwischen 2000 und 2001 von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bewohnt wurde. Zwei Zeugen konnten dazu nichts beitragen – dafür aber die Hauptangeklagte, die ihren Anwalt entsprechende Angaben verlesen ließ. Diese wirken auf viele Beobachter jedoch nicht überzeugend. Zschäpe selbst sei es daher, die „massive Zweifel an ihrer Aussage weckt“, kommentiert Wiebke Ramm in der Süddeutschen Zeitung.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Hatte Zschäpe zuvor angegeben, in der Dreiraumwohnung habe jeder sein eigenes Zimmer gehabt, präzisierte sie nun: Ein Durchgangszimmer zur Küche sei das Wohnzimmer gewesen und Uwe Mundlos lebte in einem weiteren Raum, während sie und ihr Partner Uwe Böhnhardt in einem der verbliebenen Zimmer wohnten – abgeteilt durch eine dünne Trennwand. Dadurch blieben jedem der beiden von dem 9,5 Quadratmeter großen Raum noch 4,75 Quadratmeter. Das Fenster und wahrscheinlich auch die Heizung lagen auf Böhnhardts Seite. Dort baute er wohl die Bombe für den ersten Kölner Anschlag von 2001 – von Zschäpe angeblich unbemerkt. „Wie soll das möglich sein?“, fragt Ramm.

Bei der Antwort zur Raumaufteilung handle es sich um ein Detail, das „auch Zschäpes sonstige Aussagen in Zweifel ziehen würde“, wenn es sich als falsch herausstellen sollte, meint Thies Marsen vom Bayerischen Rundfunk. Auch Nebenklagevertreter hätten die Antwort als „wenig glaubhaft“ bewertet.

Zschäpes Altanwälte beantragten unterdessen, einen neuen Sachverständigen in das Verfahren zu bestellen. Als Grund führten sie an, dass der vom Gericht beauftragte Psychiater Henning Saß in seinem Gutachten über die Angeklagte grobe Fehler gemacht habe und auch gar nicht dafür geeignet gewesen sei. Gegen diese Vorwürfe hatte sich Saß bereits zur Wehr gesetzt. Die Chancen auf eine weitere Sachverständigenexpertise stehen jedoch schlecht.

Ein Antrag kam auch von den Vertretern der Hinterbliebenen des Kasseler Mordopfers Halit Yozgat. Demnach erfuhr der hessische Verfassungsschutz bereits im Jahr 1999 von einer rechtsextremistischen Gruppe, die sich National Sozialistische Untergrundkämpfer Deutschland nannte. Dabei könnte es sich um dieselbe Terrorzelle oder zumindest eine mit „Überschneidung“ handeln, argumentierte Anwalt Thomas Bliwier. Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten bezeichnete diese Schlussfolgerung hingegen als „verwegen“. Über den Antrag berichtet Julia Jüttner auf Spiegel Online.

Mehr als vier Jahre dauert der NSU-Prozess nun bereits. Richter Manfred Götzl machte zuletzt mit einer Frist für letzte Beweisanträge Druck, zum Schluss zu kommen. Doch wie groß ist der Einfluss des Vorsitzenden auf die Dauer? Mit dieser Frage setzt sich der Richter und Dozent Lorenz Leitmeier am Beispiel des Münchner Verfahrens in der Legal Tribune Online auseinander.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 7. Juli 2017.