Mittwoch war der 400. Verhandlungstag im NSU-Prozess. Dies ist auch Anlass, ein Zwischenfazit zu ziehen – insbesondere zu den Plädoyers der Nebenklage, die seit nunmehr gut einem Monat laufen. Gisela Friedrichsen von der Welt nimmt sich die Anwälte vor, die entschieden Fehler bei Verfassungsschutz, Bundesanwaltschaft und insbesondere bei der Polizei anprangern, weil sie jahrelang in die falsche Richtung ermittelte: „Wer im Nachhinein anprangert, man hätte schneller auf Böhnhardt und Mundlos kommen und weitere Taten verhindern können, hätte man die Augen nicht in rassistischer Verblendung verschlossen, argumentiert unredlich.“
Weiterhin sei eine Mitwirkung des Verfassungsschutzes, etwa im Fall des Kasseler Mords von 2006, „doch eine zu steile These, die die Hinterbliebenen mehr irritiert als ihnen hilft“. In den Reihen der Opfervertreter herrsche Zwist, es gebe Angriffe gegeneinander. „Welchen Sinn hat eine solche Nebenklage?“ Das Instrument müsse reformiert werden.
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Der Tag selbst wurde getragen vom Plädoyer des Nebenklageanwalts Hardy Langer, der zwei Schwestern des 2004 in Rostock erschossenen Mehmet Turgut vertritt. Darin wandte er sich direkt an Beate Zschäpe und forderte sie zu einer umfassenden Aussage auf. Zudem spekulierte er, sie könne persönlich am Mord an dem Imbissverkäufer beteiligt gewesen sein und auf ihn geschossen haben. „Langer gelang es, Zschäpe zumindest für kurze Zeit aus ihrer Regungslosigkeit zu wecken“, beobachtet Ina Krauß vom Bayerischen Rundfunk. Sie habe aufmerksam zugehört und sich ausführlich mit ihrem Anwalt Mathias Grasel unterhalten. Langer, mit seiner akribischen Art, sei „einer der wichtigsten Vertreter der Nebenklage“. Auch dem normalerweise lethargisch wirkenden Mitangeklagten Holger G. habe er eine Reaktion entlockt.
„Zschäpe wirkt ungewohnt aufmerksam, verfolgt das Plädoyer auffallend interessiert“, notieren auch Julia Jüttner und Thomas Hauzenberger von Spiegel Online. Ähnlich sieht es Wiebke Ramm von der Süddeutschen Zeitung: „Die Worte des Anwalts scheinen zu wirken.“
Vor dem Plädoyer kam es wie nicht selten zuvor zu Scharmützeln zwischen Verteidigung, Nebenklage und Gericht. An diesem Tag sei „der Krebsgang der Hauptverhandlung nahezu exemplarisch zu besichtigen“ gewesen, kommentiert Frank Jansen vom Tagesspiegel. Er weist darauf hin, dass mit den Plädoyers der Verteidigung noch ein weiterer wichtiger Abschnitt ausstehe. „Ein Urteil vor Ostern wäre eine Überraschung.“
Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 22. Dezember 2017.