Am letzten Prozesstag vor Weihnachten hörte das Gericht mehrere Nebenklage-Plädoyers. Heraus stach dabei ein Schlussvortrag, in dem der Anwalt Bernd Behnke seine Kollegen kritisierte und behauptete, den häufig thematisierten strukturellen Rassismus gebe es in den Ermittlungsbehörden nicht.
Markant war zudem eine Botschaft von Tülin Özüdogru, Tochter des 2001 in Nürnberg ermordeten Abdurrahim Özüdogru. Sie war selbst nicht anwesend, ließ aber unter anderem mitteilen: „Sie haben es auch nicht geschafft, Menschen wie mich aus diesem Land heraus zu ekeln. Im Gegenteil: Jetzt sind wir alle, sowohl Deutsche als auch ausländische Mitbürger, die in diesem Land ihre Lebenszeit verbringen, sensibilisierter denn je.“
im Bayerischen Rundfunk schreibt Eckhart Querner, Özüdogrus Worte seien „ein starkes Plädoyer für das Miteinander dieser Gesellschaft, ein bewegender Moment in diesem an Nüchternheit so reichen Verfahren.“
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Wir bei ZEIT ONLINE ziehen eine Zwischenbilanz der Nebenklage-Plädoyers und kommen zu dem Ergebnis, dass die Opfervertreter sowohl bei der Bewertung der Aufklärung als auch bei den Grenzen eines Strafprozesses unterschiedliche Ansichten haben. „Die meisten Plädoyers der Nebenkläger, die den Staat belasten, sind sorgfältig konstruiert.“ Dennoch rufen sie Widerspruch einzelner Anwälte hervor – weil etwa die These eines rassistischen Ermittlungsapparats umstritten ist. In letzterer Frage allerdings legten die Anwälte demnach lediglich Indizien und keine Beweise vor.
Die Bayerische Staatszeitung interviewt den Nebenklageanwalt Mehmet Daimagüler. Dieser sagt, er bewundere die Einstellung seiner Mandanten, trotz der zahlreichen Enttäuschungen nicht den Glauben in die Bundesrepublik verloren zu haben: „Diese Menschen haben ihr Vertrauen in Deutschland nicht aufgegeben. Manchmal sind sie es, die mir Kraft und Vertrauen geben.“
Das nächste Medienlog erscheint am Mittwoch, 27. Dezember 2017.