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Ein Marathon namens NSU-Prozess – Das Medienlog vom Freitag, 22. Juni 2018

 

Acht Tage hat es gedauert – nun ist mit dem Schlussvortrag für die Hauptangeklagte Beate Zschäpe das letzte Plädoyer gesprochen. Anwältin Anja Sturm beendete ihren Teil am Donnerstag. Dabei vertrat sie die Meinung, dass es sich bei den Taten des NSU nicht um Terrorismus im juristischen Sinne gehandelt habe. Auch bestritt sie, dass die Angeklagte im Falle einer Verurteilung ein Fall für die Sicherungsverwahrung wäre.

„Es ist der letzte Atemstoß in einem Marathon, der in einem deutschen Gericht einmalig gewesen sein dürfte“, bilanziert Frank Jansen vom Tagesspiegel. Während der insgesamt fast ein Jahr dauernden Plädoyers von Anklage, Nebenklage und Verteidigung seien „die Gegner noch einmal mit voller Wucht“ aufeinandergeprallt. Zuletzt kämpften die Verteidiger der Hauptangeklagten für ihre Mandantin. „Zschäpe ist auch Sturm ein Rätsel geblieben.“

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

In der Jungen Welt setzt sich Claudia Wangerin mit dem Argument Sturms auseinander, die NSU-Serie sei laut EU-Gesetzgebung kein Terrorismus, weil bis zum Schluss ein Bekenntnis zu der Tat gefehlt habe. Demnach entspricht der Verzicht auf Bekennerschreiben den Anleitungen der rechtsextremen Gruppe Combat 18: „Darin wird im Grunde die Vorgehensweise des NSU beschrieben: in kleinen Zellen arbeiten, Listen von möglichen Opfern erstellen, Nagelbomben einsetzen, keine Bekennerschreiben hinterlassen.“ Zudem sei die Botschaft auch so angekommen: Betroffene des Nagelbombenanschlags in Köln von 2004 „hatten gegenüber der Polizei rassistische Motive vermutet, waren aber mit ihrer Angst alleingelassen worden“.

Von Beate Zschäpes Aussage aus dem Jahr 2015 verwendeten die Altverteidiger nur wenig Material in ihrem Schlussvortrag. „Dass die Verteidiger den Behauptungen ihrer Mandantin wesentlich weniger Bedeutung zumessen als die zwischenzeitlich von Zschäpe engagierten Vertrauensverteidiger, zeigt sich am sonstigen Inhalt des Plädoyers“, heißt es bei uns auf ZEIT ONLINE.

Der Weg zu den letzten Worten der Angeklagten und zum Urteil ist nun aber noch nicht frei: Am Dienstag wird auf Antrag der Zschäpe-Anwälte zunächst ein Gutachter angehört. „So ist es eben: Das Unkalkulierbare ist seit Anfang an Teil des NSU-Verfahrens“, merkt Eckhart Querner vom Bayerischen Rundfunk an. Verlässlich sei nichts in dem Prozess.

Ebenfalls über den Prozesstag berichten die Süddeutsche Zeitung und Spiegel Online.

Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 25. Juni 2018.