Die Schlussvorträge der Nebenklage sind in der Endphase, doch am Dienstag ging es um die Tat, die ganz am Anfang der NSU-Mordserie stand: den Mord an Enver Simsek im Jahr 2000. Stellvertretend für alle Anwälte der Familie sprach die Anwältin Seda Basay. Am Beispiel der Hinterbliebenen schilderte sie detailliert, wie die Simseks unter den Verdächtigungen und Unterstellungen der Ermittler litten.
„Der Horror der Tat und der Horror der Ermittlungen sind den Zuhörern so nah, dass es schmerzt“, bilanziert Frank Jansen vom Tagesspiegel. Die Witwe wurde demnach drangsaliert, ihr wurde suggeriert, dass ihr Mann eine Geliebte hatte und sich im Drogengeschäft betätigte. Auffällig sei gewesen, dass Beate Zschäpe häufig mit ihrem Anwalt Mathias Grasel gesprochen habe. „Ob die Angeklagte womöglich doch berührt ist und ins Nachdenken kommt, bleibt offen.“
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Das Plädoyer „ist nicht nur eine Abrechnung mit den Angeklagten, mit den Ermittlern und dem Gericht. Es ist vor allem eine Richtigstellung“, heißt es bei uns auf ZEIT ONLINE: „Basays Vortrag macht den Getöteten lebendig, seinen Charakter, seinen Fleiß, sein gutes Verhältnis zu Deutschland.“ Dabei stelle die Anwältin heraus, dass die Familie auch in der Trauer noch „einen großen Durchhaltewillen“ bewiesen habe. Die Witwe betrieb auch den Blumenhandel ihres Mannes weiter – in der Hoffnung, auf den Mörder ihres Mannes zu treffen.
„Kaum auszuhalten sind die Schilderungen jenes 9. September 2000“, schreibt Eckhart Querner vom Bayerischen Rundfunk. Die Kritik an den einseitigen Ermittlungen: „Ein berechtigter Vorwurf, der durch zahlreiche parlamentarische Untersuchungsausschüsse eindeutig belegt wurde“, merkt Marcel Fürstenau von der Deutschen Welle an.
Nicht zu Wort kam Simseks Sohn Abdul Kerim. Das Plädoyer wurde am Mittag unterbrochen, weil der Mitangeklagte Ralf Wohlleben über Rückenschmerzen klagte. Der Sohn sagte, er wolle vor Gericht sprechen, um wahrgenommen zu werden: „Das ist die einzige Gelegenheit, bei der ich eine Stimme kriege. Ich tue das für meinen Vater.“ Heute wird er voraussichtlich Gelegenheit dazu bekommen.
Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 11. Januar 2018.