Sie gehörte zu den Gesichtern des NSU-Prozesses: Andrea Titz war über Jahre Pressesprecherin des Münchner Gerichts. Manche Fragen, die ihr gestellt wurden, hatten es in sich.
Wenn es im NSU-Prozess kompliziert wurde, musste Andrea Titz ran: Die Richterin war über lange Zeit Pressesprecherin des Münchner Oberlandesgerichts. Immer wieder erklärte sie Journalisten die Hintergründe des Terrorverfahrens. Das Amt als Sprecherin hatte sie kurz vor Prozessbeginn 2013 angetreten, im Juni 2017 ging die heute 48-Jährige als Leiterin an das Amtsgericht Wolfratshausen. Hier blickt sie auf die Zeit zurück, in der sie deutschlandweit bekannt wurde – auch wegen ihres extravaganten Kleidungsstils.
ZEIT ONLINE: Sie haben den Prozess die ersten vier Jahre lang als Pressesprecherin begleitet. Wie haben Sie das Verfahren erlebt?
Andrea Titz: Als ich am ersten Prozesstag, dem 6. Mai 2013, aus der U-Bahn gestiegen und auf den Gerichtsvorplatz gegangen bin, wurden meine Erwartungen noch übertroffen: Alles war voller Menschen. Besucher, Journalisten, Demonstranten, Polizisten. Auch wenn wir das natürlich erwartet hatten, war es noch etwas anderes, den Andrang dann live zu sehen. Aber ich finde, wir haben den Prozessauftakt dann doch gut über die Bühne gebracht.
ZEIT ONLINE: Bedauern Sie, dass Sie das Verfahren nicht bis zum Ende begleiten konnten?
Titz: Ja. Ich bin freiwillig gegangen und mache meine neue Arbeit gern, aber der Prozess war ein wichtiger Abschnitt meines Lebens. Ein fulminanter Start für meine Tätigkeit als Pressesprecherin.
ZEIT ONLINE: Warum war das Medieninteresse so groß?
Titz: Das Verfahren war beispiellos. Das lag an den Vorwürfen, der Brutalität der Taten und der Zahl der Angeklagten. Dazu kommt die Frage, die immer wieder aufkam, ob die Terrorgruppe aus mehr als drei Personen bestanden haben könnte.
ZEIT ONLINE: Wie ist die Presse mit diesem Verfahren umgegangen?
Titz: Viele Journalisten haben mir mit ihrer Berichterstattung großen Respekt abgenötigt. Besonders die, die dieses Verfahren nahtlos über all die Jahre begleitet haben. Dabei haben sie immer neue Blickwinkel auf den Prozess gefunden.
ZEIT ONLINE: Mussten Sie viele juristische Feinheiten erklären?
Titz: Es gab natürlich Fragen, die sich während der Jahre ständig wiederholt haben. Immer wieder ging es darum, was passieren muss, damit Pflichtverteidiger von ihrem Amt entbunden werden können. Beate Zschäpe hatte das mehrmals beantragt. Auch wie das mit Befangenheitsanträgen gegen die Richter läuft, war immer wieder Thema. Ich habe es als meine Aufgabe gesehen, Justiz begreifbar zu machen.
ZEIT ONLINE: Haben Sie sich auch mal über Berichterstattung geärgert?
Titz: Ja, zum Beispiel, wenn derselbe Journalist erst schreibt: Warum dauert das Verfahren denn so lange? Und dann weniger als einen Monat später feststellt: Im Fall NSU ist noch lange nicht alles aufgeklärt. So etwas braucht eben seine Zeit.
ZEIT ONLINE: Öfters ging es auch um Sie persönlich und ihre Kleidung.
Titz: Es gab tatsächlich Interviews, da hatte ich den Eindruck, es kommen nur Alibi-Fragen vorneweg und dann beginnt die Homestory. Aber das war wohl unvermeidlich.
ZEIT ONLINE: Sie sind auch Vorsitzende des Bayerischen Richtervereins. Wie beurteilen Sie, dass die Urteilsverkündung per Lautsprecher in einen Nebensaal übertragen wird?
Titz: In diesem Umfang ist das eine gute Regelung. Was ich strikt ablehne, sind Live-Übertragungen von ganzen Prozessen, womöglich sogar mit Video. Da würde die Gefahr von Schauprozessen drohen. Das hat eine starke Wirkung auf Zeugen.
ZEIT ONLINE: Haben sich auch Bürger an das Gericht gewandt?
Titz: Ja, da gab es Anfragen in alle Richtungen. Manche haben ihren Vorurteilen über die Verrottung dieses Staats Ausdruck verliehen. Andere haben gefragt: ‚Warum gibt man so einem Abschaum eine Bühne?‘ Und natürlich haben sich viele beschwert, dass der Prozess so lange dauert.