Der Vater des NSU-Mitglieds Uwe Böhnhardt hat im Münchner NSU-Prozess ausgesagt. Jürgen Böhnhardt entschuldigte sich bei den Opfern der NSU-Taten. Zudem berichtete er von Uwes Kindheit und seinem eigenen Schicksal, mit dem Verschwinden und schließlich dem Tod des Sohns umgehen zu müssen. Von dessen Radikalisierung will er aber nichts geahnt haben, wie den Berichten zum 78. Prozesstag zu entnehmen ist.
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„Ein gebrochener Mann“: So beschreibt Björn Hengst den Zeugen auf Spiegel Online. Vater Böhnhardt habe sehr ruhig gewirkt – „vielleicht ist es die Geschichte seiner Familie, die ihn zu einem eher stillen Menschen gemacht hat“. Vor den Augen der Eltern wurde Uwe Böhnhardt ein hasserfüllter Rechtsextremist. Nach Aussage des Vaters drang diese Veränderung offenbar nicht so sehr durch, wie es wünschenswert gewesen wäre: „Das haben wir damals überhaupt nicht geahnt“, zitiert Hengst den zentralen Satz der Sitzung.
Der 69-Jährige habe kein Bedürfnis verspürt, die Verhandlung wie zuvor seine Frau Brigitte „zur politischen Debatte umzudeuten“, heißt es auf ZEIT ONLINE. Nach den Auftritten beider Eltern seien die charakterlichen Unterschiede zwischen Vater und Mutter offensichtlich geworden – man könne „sich vorstellen, wer zu Hause den Ton angibt“. Jürgen Böhnhardt habe sich auch dadurch unterschieden, dass er selten zu Hause war, weil er viel arbeitete. „Ich habe nicht übermäßig viel Zeit gehabt für meinen Sohn“, sagte er in der Verhandlung.
Böhnhardt habe „weder die Kraft seiner Ehefrau, die im November resolut bis selbstgefällig aufgetreten war noch die Aggressivität des Vaters von Uwe Mundlos“, der bei seiner Aussage den Richter beleidigte, schreibt Frank Jansen im Tagesspiegel. Auch er bezeichnet den Vater als gebrochenen Mann. Anders als die anderen Eltern der NSU-Mitglieder habe er in seiner Aussage kaum Unmut provoziert – im Gegenteil: Böhnhardt habe „einen eher traurigen Eindruck“ gemacht.
Wenn die Eltern Uwe mit seiner Einstellung konfrontiert hätten, habe dieser sie beschwichtigt, schreibt Christoph Trost in der Welt. „Der Ingenieur hatte entweder keine Ahnung, was sein Sohn in seiner Jugend so tat. Oder er ignorierte sämtliche Warnzeichen„, heißt es dort. Für die Taten, die aus der extremen Gesinnung von Uwe entstanden, entschuldigte sich der Vater bei den Opfern und Hinterbliebenen. Er sagte, „dass mir das unendlich leid tut, was da passiert ist“. Böhnhardt habe „seine Gefühle den Opferfamilien gegenüber, aber auch, was seine Söhne angeht“ geäußert, schreibt Trost.
Damit sei Jürgen Böhnhardt „der erste Zeuge aus dem Kreis der Eltern des NSU-Trios, der für die Hinterbliebenen der Opfer vorbehaltlose Worte fand“, schreibt Jens Eumann in der Chemnitzer Freien Presse. Dabei habe er sich sachlich ausgedrückt und einen gefassten Eindruck gemacht.
Zu Hause schien der Vater „eher eine Nebenrolle gespielt zu haben, fast wie ein Gast“, analysieren Annette Ramelsberger und Tanjev Schultz in der Süddeutschen Zeitung. In vielen Fällen habe er die rechten Umtriebe von Uwe nicht wahrhaben wollen, etwa, als die Polizei ihm Fotos des Sohns auf Demonstrationen zeigte. Auch Beate Zschäpe habe er offenbar verkannt – ihm stellte sie sich als „freundliche, nette junge Frau“ dar.
Nachdem das Trio untergetaucht war, gab es noch drei Treffen zwischen den Böhnhardt-Eltern und dem Trio. Dabei hätten Brigitte und Jürgen Böhnhardt versucht, die drei zu überreden, sich der Polizei zu stellen, berichtet etwa Stefan Geiger in der Stuttgarter Zeitung. Bei den Gesprächen habe der Vater den Eindruck gewonnen, die jungen Leute wollten Deutschland verlassen.
Keine Berichte in englischsprachigen Onlinemedien.
Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 27. Januar 2014.