Es war geistiger Sprengstoff, der in Beate Zschäpes Garage lagerte: das Nazi-Brettspiel Pogromly. Eins der letzten verbliebenen Exemplare dient der Anklage als Beweis für die Ideologie des NSU.
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Was Fahnder des Thüringer Landeskriminalamts am 26. Januar 1998 in einer Garage in Jena fanden, war so gefährlich, dass ein Sprengstoffkommando anrücken musste. Vier Rohrbomben, eine Zündvorrichtung aus einem Wecker, insgesamt 1,4 Kilogramm hochexplosives TNT-Gemisch. Die Ermittler hatten eine Bombenwerkstatt ausgehoben, untergebracht in der Garage von Beate Zschäpe. Dass sie auch geistigen Sprengstoff sichergestellt hatten, fiel ihnen erst später auf. Etwas versteckt, im Durchsuchungsprotokoll aufgelistet unter Nummer 18, findet sich das Asservat mit der Bezeichnung „ein Spiel mit dem Namen Pogromly“.
Allein der Name klingt furchteinflößend – eine Anspielung auf die Reichspogromnacht 1938. Pogromly, stellten die Ermittler fest, ist eine Nachbildung des Klassikers Monopoly, die vor Hass und rechter Ideologie strotzt. Nachdem Zschäpe und ihre Kameraden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 1999 abgetaucht waren, diente ihnen der Verkauf des selbst produzierten Spiels als Einkommensquelle, indem Kameraden aus der Szene zu Spenden motiviert wurden. Vor allem aber ist das Spiel ein Zeugnis der Denkweise des Trios – ein Beleg, dass die drei spätestens Mitte bis Ende der neunziger Jahre Vernichtungsfantasien gegen Ausländer hegten. Deswegen wird das Spiel heute als Beweismittel in den Prozess eingeführt.
Du hast keine Ehre, kein Stolz und kein Mut. Deshalb wollen Dich die Juden als Ihren Vorsitzenden – Gehe zum Juden! (SS-Karte)
Ein Pogromly-Exemplar lagert in der Asservatenkammer des Bundeskriminalamts. Prinzip und Aussehen ähneln Monopoly – doch haben sich die Gestalter Mühe gegeben, das Spiel bis in die letzte Faser mit Fremdenhass zu gestalten. In der Mitte ist ein Skelett zu sehen, das einen Stahlhelm, eine Uniform und eine Hakenkreuzbinde trägt. Das Symbol der Nationalsozialisten ist auch dem Startfeld abgebildet. Statt Straßen kaufen die Spieler Städte, statt Bahnhöfen gibt es vier Konzentrationslager wie Auschwitz. Elektrizitäts- und Wasserwerk sind durch die Felder „Gaswerk“ und „Arbeitsdienst“ ersetzt. Wer mit der Spielwährung Reichsmark Häuser kauft, kann damit kleine Davidsterne auf dem Spielfeld verdecken und die Städte damit „judenfrei“ machen. Wer Pech hat, landet nicht im Gefängnis, sondern „beim Juden“.
Wichtigstes Element zur Verbreitung der nationalsozialistischen Botschaft sind allerdings die sogenannten SS- und SA-Karten, die anstelle von Gemeinschafts- und Ereigniskarten stehen. Sie sind mit antisemitischen und linkenfeindlichen Sprüchen bedruckt, mit der Rechtschreibung nahmen es die Macher nicht so genau.
Dir ist es gelungen eine Horde roter Zecken mit Hilfe eines MG’s abzuwehren. Du erhälst eine Prämie von: 2000 RM (SS-Karte)
Auf das Spielbrett ist die Jahreszahl 1997 aufgedruckt – die Idee entstand also bereits vor dem Abtauchen des Trios im Januar 1998. Der Einfall kam offenbar von Uwe Mundlos, wie der heute Angeklagte Holger G. in einem Verhör sagte. Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt bastelten alle Exemplare selbst, an die 20 Stück produzierten sie nach Erinnerungen von Zeugen. Mundlos gestaltete das Spielbrett. Spielfiguren und Würfel bastelten die drei mit Holz aus dem Baumarkt. In einer Vernehmung sagte ein Zeuge, das Trio sei „richtig stolz“ auf das Produkt gewesen.
Den Verkauf überließen sie ihren Freunden aus der Szene. Beteiligt waren André K., der bereits zweimal als Zeuge im NSU-Prozess aussagte, Jürgen H. und die Angeklagten Ralf Wohlleben und Carsten S. Wohlleben entschied laut Zeugenaussagen, wer Pogromly-Exemplare kaufen durfte. 100 Mark kostete der perfide Spielspaß, 50 für die Materialkosten und 50 als Lohn für das Trio. Einen höheren Preis kassierte André K. von dem Briten David Irving, einem Journalisten, der öffentlich den Holocaust leugnet. Irving drehte eine Fernsehdokumentation über Neonazis in Thüringen und wollte das Spiel unbedingt haben.
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Ein weiterer Abnehmer war das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz, wie der Zeuge und frühere V-Mann Tino Brandt in einer Vernehmung angab. Er will den Staatsschützern drei bis fünf Exemplare verkauft haben. So floss auf Umwegen Geld aus der Landeskasse an die Terrorzelle. Ob es dort jedoch wirklich ankam, ist nicht sicher. André K., der sich als eine Art Laufbursche für das Trio betätigte, sollte den dreien ihren Erlös überbringen – unterschlug aber nach Erkenntnissen der Ermittler zumindest Teile des Geldes.
Die meisten Spiele bastelten und verkauften die drei nach ihrem Untertauchen. André K. rührte in rechten Kreisen die Werbetrommel für das Spiel und forderte zur Unterstützung der Kameraden auf – Charity auf Nazi-Art. Bis Anfang 1999 war Pogromly im Angebot, dann stellten die Untergetauchten keine weiteren Spiele mehr her. Für ihren Lebensunterhalt war das auch nicht mehr erforderlich: Ende 1998 hatten Mundlos und Böhnhardt erstmals einen Supermarkt überfallen. Sie entkamen mit 30.000 Mark.