Der Zeuge Andreas Sch. soll geholfen haben, dem NSU-Trio die Mordwaffe Ceska 83 zu beschaffen. Bei seinem Gerichtstermin hatte er nichts dazu gesagt – bei Vernehmungen durch die Polizei schon. Deswegen sagte am 88. Prozesstag ein Beamter aus, der Sch. im Januar 2012 befragt hatte. Die markanteste Äußerung aus dem Protokoll: Sch. gab zu, er habe dem Mitangeklagten Carsten S. „die Scheiß-Knarre besorgt“. Dieser gab sie nach eigenem Bekunden an den NSU weiter. Die Äußerung belaste auch den als Drahtzieher angeklagten Ralf Wohlleben, schreibt Frank Jansen im Tagesspiegel. Für ihn sehe es „nicht gut aus“.
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Andreas S.: „Jetzt ist die Katze eh aus dem Sack.“ Ja, #Wohlleben sei bei ihm im Laden gewesen. Mit Carsten S. #nsu
— PZ hautnah (@PZhautnah) 25. Februar 2014
Wohlleben soll den Pistolendeal, der um die Jahrtausendwende stattfand, eingefädelt haben. Sch. habe laut Protokoll angegeben, der Angeklagte habe ihn nach einer scharfen Waffe gefragt, heißt es in dem Bericht. Wohlleben habe während der Vernehmung des Polizisten „trotzig vor sich hin“ gestarrt. Doch wie belastbar sind die Erinnerungen von Sch.? Weil sich der Zeuge bei der Polizei, nicht aber vor Gericht geäußert habe, sei sein Aussageverhalten widersprüchlich, schreibt Jansen.
Sch. ist nicht der einzige Zeuge aus der rechten Szene, der im Saal stumm geblieben ist. Gisela Friedrichsen erkennt darin ein Muster, wie sie auf Spiegel Online schreibt: „Manche scheinen sich hinter diesem Recht zu verstecken; ihre Solidarität zu den Angeklagten scheint ungebrochen.“ Die Treue gilt etwa dem damaligen Anführer Wohlleben – dessen Verteidiger hätten versucht, die Angaben des Beamten in Zweifel zu ziehen. Dieser habe zugegeben, nicht immer nachgefragt zu haben – etwa, ob es wirklich Wohlleben gewesen sei, der nach der Waffe gefragt hatte. Sch. „äußerte sich nicht immer ganz eindeutig, er log wohl auch mal“, analysiert Friedrichsen. Die Versuche der Wohlleben-Anwälte, die Aussage in Zweifel zu ziehen, seien „ohne Erfolg“ geblieben, heißt es in einem Bericht des Bayerischen Rundfunks.
Sch. habe sich auf die Vernehmung offenbar „schlecht vorbereitet“, schreibt Claudia Wangerin in der Jungen Welt. Der Zeuge habe sich mehrere Widersprüche geleistet, auf den Beamten mithin „nur bedingt glaubwürdig“ gewirkt.
Weiterhin beschäftigte sich das Gericht mit dem Mord an Halit Yozgat, der am 6. April 2006 in seinem Internetcafé in Kassel erschossen wurde. Dazu hätte das Gericht gerne den damals anwesenden Kunden Hamadi S. gehört – doch dieser hält sich mittlerweile anscheinend wieder in seiner Heimat Irak auf. Auch in diesem Fall hörte das Gericht deswegen einen Polizisten. S. habe damals mehrere Geräusche ähnlich dem „Platzen eines Luftballons“ gehört, anschließend einen dumpfen Knall, wie Tanjev Schultz in der Süddeutschen Zeitung berichtet. Aus dem Augenwinkel will der Zeuge zudem einen Mann gesehen haben, dessen Beschreibung auf Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt passen könnte – oder auf den Verfassungsschützer Andreas T., der damals ebenfalls im Café war. Er bekam nach eigenen Angaben nichts von dem Mord mit.
Wie T. will S. den Getöteten nicht auf dem Boden liegen gesehen haben – stützt dies die vielfach angezweifelte Aussage des Verfassungsschützers? Nicht unbedingt, denn beide standen in unterschiedlicher Position zu dem Tisch, an dem Yozgat gesessen hatte. „Der Iraker ist nicht besonders groß, sodass es möglich ist, dass er von seinem Standpunkt aus den Körper von Halit Yozgat übersehen konnte“, schreibt Schultz. Andreas T. sei größer gewesen – und hatte zugegeben, an den Tisch getreten zu sein, um ein 50-Cent-Stück hinzulegen.
Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 27. Februar 2014.