Im Prozess wurde eine Zeugin befragt, die die mutmaßlichen Mörder des NSU noch aus ihrer Anfangszeit in der rechtsextremen Szene kannte: Jana J., die frühere Freundin des Zeugen André K. Neben Erkenntnissen über das Trio lieferte sie „einen finsteren Einblick in die braune Szene“, wie Frank Jansen im Tagesspiegel bemerkt. Dieser Einblick schwankte offenbar zwischen schaurig und kurios: Die Zeugin berichtete, Zschäpe habe eine Pistole besessen, die sie „Wally“ genannt habe.
An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.
Die 33-Jährige gab an, sie sei 1997 bei Zschäpe in Jena zu Besuch gewesen und habe dort die Waffe gesehen, berichtet Kai Mudra in der Thüringer Allgemeinen. Zschäpe habe die Pistole auch außerhalb ihrer Wohnung getragen.
Ein weiterer Aspekt vom „Blick ins bräunliche Panoptikum“ (Jansen): eine sogenannte Geburtstagszeitung, die J. gemeinsam mit dem Mitangeklagten Ralf Wohlleben für ihren damaligen Freund bastelte – eine Persiflage auf die Bild-Zeitung, angefüllt mit Fremdenhass und Mordfantasien. Unter anderem finde sich dort eine Todesliste, auf der auch Helmut Kohl, Gerhard Schröder, Joschka Fischer und der damalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis, genannt seien. Ein großer Spaß? J. sagte, sie bedauere den perfiden Geburtstagsgruß mittlerweile. Rückblickend handle es sich um eine „pubertäre Spinnerei“, die ihr „peinlich“ sei, wie Per Hinrichs in der Welt zitiert.
J.s Aussage sei eine Art Sittengemälde gewesen: „Die junge Frau gibt auch Einblick darüber, wie dominant die rechte Jugendkultur in den 90er-Jahren war“, schreibt Hinrichs. Damals verschlug es die Zeugin in den berüchtigten Jenaer Stadtteil Lobeda – und damit in eine Gegend, in der Nazis sich ungestört entfalteten. „Sie konnte sich mit der Einstellung anfreunden“, heißt es im Text.
Zu Beginn des Prozesstags hatte der Vater des 2006 in Kassel ermordeten Halit Yozgat mit einer Erklärung für Aufsehen gesorgt. Nachdem er zwei Tage gewartet hatte, das Dokument zu verlesen, wandte er sich an die Familien der toten NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Er lud sie nach Kassel ein, falls dort die Holländische Straße, in der sein Sohn starb, in Halitstraße umbenannt würde, wie beim Hessischen Rundfunk zu lesen ist. Yozgat zog den Protest von Zschäpes Anwalt Wolfgang Heer auf sich, als er mit den Worten: „Die Mörder sind gefasst“, über die Hauptangeklagte sprach. Der Verteidiger verbat sich, Zschäpe als Mörderin zu bezeichnen – Richter Manfred Götzl ließ Yozgat dennoch weitersprechen.
„Muss auch der Vater eines Mordopfers die Unschuldsvermutung beachten? Ich meine nein“, kommentiert Holger Schmidt im Terrorismus-Blog des SWR. Der Protest der Verteidiger sei „eine unglückliche und unsouveräne Aktion“ gewesen, sie habe gezeigt, „wie dünnhäutig die Verteidigung beim Stichwort ‚Mörderin‘ offenbar ist“.
Yozgats Forderung, die Holländische Straße in Halitstraße umzubenennen, ist eines seiner größten Ziele. Er habe sein Anliegen „in aufgewühlter Stimmung“ vorgetragen, berichtet Tanjev Schultz in der Süddeutschen Zeitung. Demnach wandte sich der trauernde Vater mit der Forderung direkt an Götzl – dieser wies ihn jedoch darauf hin, dass eine Umbenennung nicht Sache des Gerichts ist.
Einen Nebenaspekt des Prozesses greift Lena Kampf auf stern.de auf: Es geht um die Behauptung einer Zeugin, der Mitangeklagte Holger G. sei von Beamten des Zeugenschutzprogramms zu einem Treffen begleitet worden. Die Frage beschäftigte aufgrund der Anfrage einer Abgeordneten auch die Bundesregierung.
Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 17. März 2014.