Der Misstrauensantrag ihrer Mandantin hatte Beate Zschäpes Verteidigern kurzzeitig einen Dämpfer verpasst – doch am Dienstag zeigten sie sich wieder angriffslustig: Wolfgang Stahl, Anja Sturm und Wolfgang Heer stellten einen Befangenheitsantrag gegen alle acht NSU-Richter. „Will die Zschäpe-Verteidigung demonstrativ beweisen, dass ihre Mandantin ihren Anwälten zu Unrecht mangelnde Aktivität vorgeworfen hatte“, fragt Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online.
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Voraussichtlich bis Donnerstag entscheidet ein anderes Richtergremium über den Antrag, unterdessen wird weiter verhandelt. Grund für den Vorstoß: Der Strafsenat habe den Zeugen, den Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof Wolfgang Schaffert, „selektiv“ vernommen, argumentierten die Anwälte. Schaffert berichtete über eine Aussage des mutmaßlichen NSU-Unterstützers Matthias D., der als Zeuge im NSU-Prozess geschwiegen hatte. Dabei hätten die Richter ihn nicht nach entlastenden Indizien befragt, heißt es in dem elfseitigen Dokument.
Doch was wären die Folgen, wenn der Antrag Erfolg hätte? Friedrichsen merkt an, dass Zschäpe in ihrer Erklärung zum Misstrauensantrag gegen ihre Anwälte betont hatte, sie wolle nicht, dass das Verfahren nach 127 Prozesstagen platzt. Nun lege sie es anscheinend doch darauf an.
„Richtig ist: Der Vorsitzende Richter hat nicht das gesamte Protokoll herangezogen“, schreibt Mira Barthelmann vom Bayerischen Rundfunk. Auch sie sieht neben der fachlichen Ebene ein demonstratives Engagement der Verteidiger als Ursache. So sei die „Zeit des eisigen Schweigens“ auf der Anklagebank vorerst vorbei, Heer, Stahl und Sturm hätten mit dem Antrag „eine willkommene Gelegenheit“ genutzt.
Tanjev Schultz von der Süddeutschen Zeitung meint, die Rechtsbeistände wollten zeigen, „dass sie nun keineswegs die Hände in den Schoß legen“, Frank Jansen vom Tagesspiegel beobachtet, dass beide Seiten „wieder an einem Strang“ zögen. Zschäpe habe zwischenzeitlich nur noch mit Wolfgang Stahl geredet, schließlich jedoch wieder mit allen dreien das Gespräch gesucht. „Der Bruch scheint überwunden zu sein.“ Über die Qualität des Antrags selbst mutmaßt indes keiner der Prozessbeobachter – die Verteidiger hatten dem Gericht bereits viermal Befangenheit unterstellt, jedes Mal ohne Erfolg.
Insgesamt war es ein wenig ergiebiger Prozesstag: Der Zwillingsbruder des Angeklagten André E. verweigerte die Aussage, sein anderer Bruder hatte offenbar die Ladung nicht bekommen. Weiter hörte das Gericht den Zeugen Thomas R., der sich wie in seiner ersten Vernehmung angeblich an wenig erinnern konnte. R. „räumte häufig nur das ein, was er bereits im April dem Gericht gesagt hatte oder vor zwei Jahren bei seiner polizeilichen Vernehmung“, berichtet Kai Mudra von der Thüringer Allgemeinen.
Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 31. Juli 2014.