Beate Zschäpe ist angeklagt als Komplizin zweier mutmaßlicher Mörder – die Aussagen am 132. Prozesstag legten allerdings nahe, dass Zschäpe selbst ein aggressives Potenzial hat. Zwei Zeuginnen und eine Polizistin sagten über einen Vorfall von 1996 aus, bei dem die Angeklagte in Jena eine Punkerin angegriffen haben soll. Unsicher ist jedoch die Bedeutung dieser Erkenntnis, denn die Aussagen widersprachen sich. „Wird Zschäpe möglicherweise etwas angehängt, weil ihr bei einer derart massiven Anklage sowieso alles zuzutrauen ist?“, fragt Frank Jansen im Tagesspiegel.
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Die erste Zeugin sagte, Zschäpe habe sie nach einer Straßenbahnfahrt zu Boden gestoßen, sodass sie sich den Fuß brach. Außerdem habe sie sie gezwungen, den Satz „ich bin eine Potte“ zu sagen. Was das bedeutet, ist unklar. Erkannt habe das Opfer Zschäpe erst, als ihr 2011 Bilder von ihr gezeigt wurden. Die Begleiterin der Frau erzählte im Gericht hingegen, sie habe schon damals gewusst, dass Zschäpe die Täterin war – und konnte nicht erklären, wieso ihre Freundin den Namen nicht erfuhr. Die Polizei stellte damals die Ermittlungen ein.
Die Befragung warf auch Licht auf den Konflikt zwischen Nazis und Linken im Jena der neunziger Jahre. Beide Frauen berichteten von der Gewaltbereitschaft der Rechten. „Aber hat der Horror möglicherweise Maria H. und Steffi S. so geprägt, dass es sie nun drängt, Zschäpe zu belasten?“, fragt Jansen weiter. Die Hauptangeklagte jedenfalls habe schon damals im Ruf gestanden, „auf Leute loszugehen“, sagte die zweite Zeugin.
„Welche Leute sagten dies? Wo? Wann? Fragen des Vorsitzenden Manfred Götzl nach Namen und konkreten Erlebnissen bleiben unbeantwortet. Also nichts als Gerede?“, merkt Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online an. Zum Teil bestanden die Aussagen aus vagen Schilderungen zu einem Klima der Furcht. „Haben diese beiden Frauen vielleicht heute noch Angst und halten sich deswegen auffällig zurück mit konkreten Angaben?“
Einige Angaben über die damalige rechte Szene in Jena ließen indes aufhorchen: Zeugin Nummer zwei sagte, sie habe Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt vom Sehen gekannt, auch sie seien ihr als aggressiv bekannt gewesen. Auch brachte sie das Gespräch auf den Zeugen André K., der enge Verbindungen zum NSU-Trio pflegte: Dieser habe hinten in einem Auto gesessen, aus dem heraus sie angepöbelt und verfolgt worden sei, wie Kai Mudra von der Thüringer Allgemeinen berichtet.
Auch, wenn die Aussagen teils schwammig sind, sind sie doch von Interesse für die Prozessbeteiligten. „Denn sollte es so gewesen sein, wäre dies die erste Augenzeugin, die nicht nur von einer Gewalttat der Angeklagten berichtet, sondern diese auch am eigenen Leib erfahren hätte“, schreibt Karin Truscheit von der FAZ. Für weitere Irritation sorgte allerdings die Aussage der BKA-Beamtin, die die Zeuginnen nach der Enttarnung des NSU-Trios zu dem Vorfall befragte. Denn in der Vernehmung war sofort von Zschäpe als Täterin die Rede. Richter Manfred Götzl habe „sein Unverständnis darüber“ geäußert, berichtet Truscheit. Er wollte wissen, warum nicht eine offene Frage gestellt wurde. „Auch seine Frage ist nun nicht wirklich offen. Man kann sie als Vorwurf verstehen“, schreibt Tanjev Schultz von der Süddeutschen Zeitung.
Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 1. August 2014.