Der Zeuge Thomas B. sagte am 141. Prozesstag über seinen Jugendfreund Uwe Böhnhardt aus – und beschrieb ihn als Mann mit explosivem Temperament. „Die Aussage zeichnet ein gruseliges Bild von der mentalen Verwahrlosung junger Ostdeutscher in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung“, bilanziert Frank Jansen im Tagesspiegel. Denn mit dem Freundeskreis um Böhnhardt begann B. als Jugendlicher Autos zu knacken und zu trinken. Zu seiner Aussage wurde der 37-Jährige aus einer Suchtklinik ins Gericht gebracht. Auch für Uwe Böhnhardt wurden damals die Weichen gestellt: „Die Zeit in der Gang Anfang der 1990er Jahre, so scheint es, hat Böhnhardt auf fatale Weise geprägt.“
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Einer der wichtigsten Sätze der Sitzung: Böhnhardt sei „wie eine Bombe“ gewesen, so schilderte es B., der sich bis 1993 in der Szene bewegte. Üblicherweise ein lockerer Typ, habe die Stimmung des Kameraden damals blitzschnell umschlagen können. Oliver Bendixen vom Bayerischen Rundfunk vermisst allerdings noch die Verbindung zwischen Böhnhardts damaliger Persönlichkeit und den späteren Taten, die ihm angelastet werden: „Wie aus einem jähzornigen, jugendlichen Autodieb ein gewalttätiger Rechtsterrorist werden konnte, war von diesem Zeugen nicht zu erfahren.“
Dafür ließ B. mit seinen Beschreibungen erahnen, wie es zuging in den Kreisen der Rechtsextremen von Jena: „Seine Aussage ergibt ein unromantisches Abbild dieser Szene, von der viele Aktive vor Gericht behaupten, es gehe vielen dort um hehre politische Ziele“, analysieren wir bei ZEIT ONLINE. Das gilt vor allem für die Schilderungen, in denen sich B. zum Umgang mit Waffen äußerte.
Der Zeuge wirkte „zumindest in dem Punkt glaubwürdig, dass er Angst vor seinen früheren Weggefährten aus der rechtslastigen kriminellen Jugendbande hatte“, kommentiert Claudia Wangerin in der Jungen Welt. Damals hätten sich einige Mitglieder zu militanten Neonazis entwickelt und seien es bis heute geblieben.
Thema war auch der ebenfalls als Zeuge geführte Enrico T., der am Schmuggel der NSU-Pistole Ceska 83 beteiligt sein soll. Dabei sprach B. mehrmals von Erinnerungslücken. Er habe zwei oder drei Pistolen bei T. liegen sehen, will von einem sonstigen Umgang mit Waffen jedoch nichts gewusst haben, wie Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online berichtet.
„Der Zeuge wirkt eingeschüchtert“, analysiert Tanjev Schultz in der Süddeutschen Zeitung, er habe „einen zerrütteten Eindruck“ gemacht. Auch an den Namen eines weiteren mutmaßlichen Waffenschmugglers habe er sich anders als bei einer Polizeivernehmung nicht mehr erinnern können.
Das nächste Medienlog erscheint am Mittwoch, 24. September 2014.