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Verfassungsschutz schleuste Neonazi-Anführer ein – Das Medienlog vom Donnerstag, 20. November 2014

 

Zweite Aussage des V-Manns Kai D. im NSU-Prozess – dabei kam heraus: Der bayerische Verfassungsschutz setzte den heute 50-Jährigen offenbar gezielt in der rechten Szene Frankens ein. Dort baute er eine Organisation rechter Kameraden auf. Zudem nahm er Kontakt zu Tino Brandt auf, einem Wegbegleiter des NSU-Trios. „Im Gegensatz zu Brandt scheint er nicht aus Überzeugung ein Mitglied der rechtsradikalen Szene gewesen zu sein“, schreibt Gisela Friedrichsen von Spiegel Online über D.

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Vor seinem Einstieg in die Szene 1987 hatte D. in Berlin die linke Szene ausspioniert – gleichfalls als V-Mann. „Der bayerische Verfassungsschutz hat demnach die Thüringer Szene, aus der der NSU hervorging, nicht nur überwacht, sondern er saß in der Person Kai D. buchstäblich mit am Tisch“, folgert Friedrichsen. Möglicherweise werde sich der Prozess bald mit Akten des bayerischen Geheimdienstes beschäftigen.

D. verriet nicht, ob die Spitzeltätigkeit sein Haupterwerb war, auch weitere Fragen zu seiner Berliner Zeit ließ er offen. „Damit verstärkte er den Verdacht, dass er nicht als klassischer V-Mann angeworben wurde, sondern als eine Art verdeckter Ermittler“, urteilt Andreas Förster in der Berliner Zeitung. Unklar sei indes, ob der Verfassungsschutz in Bayern die Erkenntnisse zu Brandts Organisation Thüringer Heimatschutz an die dortigen Kollegen und das Bundesamt in Köln weitermeldete, wie es Pflicht gewesen sei.

D. gab vor Gericht „den beflissenen Verfassungsschutzmitarbeiter, der stets zu allem Meldung machte“, kommentiert Julius Jasper Topp von der Thüringer Allgemeinen. Baute er zugleich – womöglich mit Segnung der Behörde – militante Strukturen auf? Der Zeuge bestritt das vor Gericht – und habe bei seiner Aussage „nicht auf eine große Portion Selbstgerechtigkeit“ verzichtet.

Frank Jansen vom Tagesspiegel liest an der Befragung von D. ein Problem des Prozesses ab, das er Richter Manfred Götzl zuschreibt: Der „fragt auch dann noch, wenn klar ist, dass ein Zeuge nur heiße Luft ablässt“. Sein Verhalten sei widersprüchlich, weil er gleichzeitig hartnäckig fragende Anwälte der Nebenklage auf das Beschleunigungsgebot hinweise, das wegen zweier in Untersuchungshaft sitzender Angeklagter gilt. Die Folge: „So wissen die Prozessparteien manchmal nicht, welchem Götzl sie begegnen.“

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 21. November 2014.