Bis der NSU im November 2011 aufflog, wurde die Mordserie an Migranten in den Medien immer wieder als „Dönermorde“ betitelt – ein rassistischer Begriff, in dem sich Vorurteile und unkritische Berichterstattung widerspiegeln. Die Otto-Brenner-Stiftung hat die Geschichte des Worts in einer Studie untersucht. Das Fazit: Die Medien haben im NSU-Komplex versagt. „Beschämend ist zudem, wie willfährig Journalisten den Irrwegen der Ermittler folgten“ und Opfern einen kriminellen Hintergrund unterstellten, kommentiert Tanjev Schultz in der Süddeutschen Zeitung.
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Für die Studie wurden etwa 300 Zeitungsartikel ausgewertet. Empathie für die Opfer findet sich darin selten, stattdessen wurden in den Berichten Spekulationen zu Tatsachenbehauptungen aufgewertet. Auch türkischsprachige Zeitungen folgten offenbar dieser Strategie, fragten jedoch häufiger nach einem rechtsradikalen Hintergrund.
Ein Beispiel für die einseitigen Denkmuster der Medien: Der Nagelbombenanschlag von Köln aus dem Jahr 2004, der ab heute vor Gericht aufgearbeitet wird. „Schutzgelderpressung war ein Thema oder ein Denkzettel im Glücksspiel-Milieu, mehrfach wurde auch der damalige Pate im Rotlicht-Milieu als Drahtzieher des Anschlages genannt“, resümiert Daniel Taab im Bonner General-Anzeiger. Das habe Nachwirkungen, die noch immer nicht ausgestanden sind: „Die über Jahre nicht von Erfolg gekrönten Ermittlungen und die falschen Verdächtigungen ärgern die Bewohner der Keupstraße noch heute.“
„Keine wirklich neuen Erkenntnisse“ erwartet der Opferanwalt Alexander Hoffmann von der Aufklärung des Kölner Anschlags, wie er in einem Interview mit taz-Autorin Sabine am Orde sagt. Er erwarte insbesondere, dass die Opfer vor Gericht ihre Leidensgeschichte darstellen können. Zudem beklagt Hoffmann die Strategie der Bundesanwaltschaft, die in München die Anklage vertritt. Diese habe sehr früh für sich entschieden, dass der NSU aus drei Personen besteht – bei der Vielzahl von Helfern eine durchaus streitbare These. Die Behörde habe sich damit „sehr früh auf die bequemste Konstruktion festgelegt“.
22 Verletzte, Opfer, die bis heute leiden: Einen Überblick zu dem Anschlag in der Kölner Keupstraße liefert Kai Mudra in der Thüringer Allgemeinen.
Immer wieder berufen sich rechtsextreme Zeugen auf Erinnerungslücken oder bleiben in ihren Aussagen vage. Das hat lähmende Auswirkungen auf den Prozess, wie Stefan Kreitewolf im Deutsch-Türkischen Journal kommentiert: „Die Hauptverhandlung schien zur peinlichen Posse zu verkommen.“ Der Senat habe eine „lange Liste der Pannen bei der Aufklärung“ abarbeiten müssen, heißt es in dem Rückblick auf das vergangene Jahr vor Gericht.
Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 13. Januar 2015.