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Verfassungsschützer liefert keine Aufklärung – Das Medienlog vom Donnerstag, 25. Juni 2015

 

Gut einen Monat nach dem Mord an Halit Yozgat in Kassel rückte ein Telefonat den hessischen Verfassungsschutz ins Zwielicht: Der Quellenführer Andreas T., der innerhalb der Behörde den Kontakt zu V-Männern hielt, stand unter Mordverdacht und der Geheimschutzbeauftragte der Behörde, Gerold Hess, riet ihm: „Ich sage ja jedem: Wenn er weiß, dass irgendwo so etwas passiert, bitte nicht vorbeifahren.“ Ein Hinweis auf die Verwicklung der Behörde in den Fall? Am Mittwoch sagte Hess dazu vor Gericht aus. Er lieferte „mehrere Erklärungsversuche, sonderlich überzeugend klangen sie allerdings nicht“, urteilt Björn Hengst auf Spiegel Online.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das Gespräch ist eins von dreien, das die Polizei mitschnitt. Am Mittwoch wurden die Aufzeichnungen im Gerichtssaal vorgespielt. Hess deklarierte den Satz zwar als „ironische Eröffnungsklausel“ – konnte jedoch nicht erklären, was ihn dazu brachte, derart drastische Empfehlungen abzugeben. Eine andere Formulierung, die er im Prozess präsentierte: „Wie kann man so blöd sein, an einem Mordtatort vorbeizufahren!“ Somit trug seine Aussage „kaum dazu bei, die merkwürdige Rolle von Andreas T. aufzuklären“, kommentiert Hengst.

Hess war dafür zuständig, Ermittlungsanfragen innerhalb des Verfassungsschutzes weiterzuleiten. Dabei handelte er – freilich im Auftrag der Behörde – streng parteiisch: „Dem Schutz der Verfassungsschutz-Interessen ordnete der Zeuge (…) offenbar auch Mordermittlungen unter“, merkt Tim Aßmann vom Bayerischen Rundfunk an. Ein anderer Satz, den Hess ebenfalls im Telefonat fallen ließ, hätte ihm selbst als Devise gut zu Gesicht gestanden: „Nahe an der Wahrheit bleiben!“

Entsprechend groß war der Klärungsbedarf in der Sitzung. Richter Manfred Götzl habe „mehrmals und zunehmend gereizt“ nach der Bedeutung des Satzes fragen müssen, heißt es beim Hessischen Rundfunk. Letztlich sei nicht geklärt worden, was Hess genau gemeint habe.

Als exemplarisch für das Gebaren der Behörde insgesamt betrachten wir bei ZEIT ONLINE das Telefonat. Denn damals „lief rund um T. die Geheimhaltungsmaschinerie an“. Schließlich verteidigte sich Hess noch mit der Anmerkung, das Telefonat sei schließlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen – war es also eine bizarre Unterhaltung zweier Insider? „Wenn in dem Satz tatsächlich Ironie steckte, dann wohl verpackt in einen fremdartig anmutenden Slang von Geheimdienstlern.“

Der Misstrauensantrag gegen ihre Anwältin Anja Sturm sage viel über die Hauptangeklagte Beate Zschäpe selbst aus, schreibt Hayke Lanwert von der WAZ. Der Nebenklageanwalt Mehmet Daimagüler etwa nennt Zschäpe in dem Artikel eine „hochmanipulative Frau“. Dem Antrag, so heißt es, würden nur geringe Chancen eingeräumt.

Vor über einem Jahr starb der V-Mann Thomas Ri. alias Corelli unter Umständen, die viele Fragen aufwarfen. Er hatte dem Bundesverfassungsschutz bereits 2005, sechs Jahre vor dem Auffliegen des NSU, eine CD mit der Aufschrift „NSDAP/NSU“ geliefert. Die Geschichte von Corelli zeichnet Hendrik Kranert-Rydzy in der Frankfurter Rundschau nach.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 26. Juni 2015.