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Ein vierter Verteidiger für Beate Zschäpe? – Das Medienlog vom Montag, 29. Juni 2015

 

Ein neuer Name könnte im NSU-Prozess sehr wichtig werden: Mathias Grasel. Der Münchner Anwalt könnte als vierter Pflichtverteidiger zum Anwaltsteam der Hauptangeklagten Beate Zschäpe dazukommen, wie Frank Jansen im Tagesspiegel berichtet. Zuvor war bekannt geworden, dass Zschäpe mit ihrem Antrag auf Abberufung ihrer Anwältin Anja Sturm beim Gericht gescheitert ist. Die Entscheidung könne bereits am Dienstag fallen, sagte der Jurist der Zeitung.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Auf den Neuen, sofern er tatsächlich von den Richtern berufen wird, kommt viel Arbeit zu: Er müsste sich in den Stoff aus über zwei Jahren Prozess einarbeiten und sich mit Tausenden Akten vertraut machen. Eine Aufgabe, der sich Grasel gewachsen fühlt: Er „würde sich nicht scheuen, als Neuling in dem Mammutverfahren (…) aufzutreten“, schreibt Jansen. Das bisherige Gefüge und die Strategie der drei Verteidiger Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl sei damit im Umbruch. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl könne der Bestellung eines weiteren Anwalts zustimmen, „um den Konflikt Zschäpes mit ihren bisherigen Verteidigern zu neutralisieren“.

Die Entscheidung, dass Anja Sturm ihren Posten an Zschäpes Seite behält, fällte das Gericht am Freitag. Anders als Zschäpe behauptet hatte, bestünden keine „konkreten, hinreichenden und nachgewiesenen Anhaltspunkte dafür, dass das Vertrauensverhältnis“ zwischen ihr und Sturm gestört sei, zitiert Tanjev Schultz von der Süddeutschen Zeitung aus dem Papier. Nun müssten sich Mandantin und Anwältin arrangieren, alldieweil ihre Schwierigkeiten nach wie vor sichtbar seien: „Die Atmosphäre wirkte zuletzt weiterhin frostig.“

Die Welt am Sonntag greift erneut den Fall des Kölner V-Manns Johann H. auf, der im Verdacht stand, am NSU-Bombenanschlag von 2000 beteiligt zu sein. Gegenüber dem Blatt bestritt sein Anwalt wie schon zuvor, dass H. ein Rechtsradikaler gewesen sei.

Welche Lehren sind aus der NSU-Mordserie und ihrer Aufklärung zu ziehen? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Istanbuler Soziologie-Professorin Yasemin İnceoğlu, die ihre Eindrücke in einem Interview mit Spiegel Online schildert. Sie wünscht sich, dass Gewalttaten wie die der rechtsextremen Serie kritischer hinterfragt werden, wie es in der Türkei der Fall sei: Dort gebe es „kein Urvertrauen in den Staat“, sie hoffe auf eine Gesellschaft, die „mehr zweifelt und mehr anklagt“.

Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 30. Juni 2015.