Wusste die Ehefrau des hessischen Verfassungsschützers Andreas T. mehr als dieser bei der Polizei ausgesagt hatte? T. stand 2006 kurzzeitig in Verdacht, den Mord an Halit Yozgat in einem Kasseler Internetcafé begangen zu haben. Am Dienstag wurden deshalb auf Antrag von Nebenklageanwälten T.s Frau Eva S. und er selbst gehört. Beweisstück war ein abgehörtes Telefonat, das S. mit ihrer Schwester geführt hatte. Das Gespräch „brachte wenig Neues an den Tag – sieht man mal von der Verärgerung der Beamtengattin über ihren Ehemann ab“, urteilt Oliver Bendixen vom Bayerischen Rundfunk. Peinliche Details aus der Aufzeichnung hätte man ihr „ruhig ersparen können“.
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Die Peinlichkeiten: T. hatte in dem Internetcafé mit einer fremden Frau gechattet, während seine Frau schwanger zu Hause war. Nun hielt S. ihrem Mann Standpauken für sein Verhalten, am Telefon benutzte sie rassistische Ausdrücke. Als unerwarteten Augenblick des Tages bezeichnet Bendixen eine Stellungnahme von Ismail Yozgat, dem Vater des Opfers. Dieser forderte, dass das Gericht den Tatort in Augenschein nehmen solle und bezeichnete T. als Lügner.
Was die Frau am Telefon sagte, „lässt Zuhörer im Saal A 101 zusammenzucken“, beobachtet Frank Jansen im Tagesspiegel. Die Vernehmung habe schließlich „keine Klärung über die Rolle ihres Mannes während des Attentats“ gebracht. Sie habe das wiederholt, was T. in den vorigen Vernehmungen immer und immer wieder von sich gegeben hatte.
Konkreter Anlass für die Ladung war die Aussage eines Zeugen, der bei T. eine Plastiktüte mit einem schweren Gegenstand gesehen haben will. Dabei hätte es sich um die Mordpistole handeln können – doch nach dem Stand der Ermittlungen ist T. in die Tat nicht verwickelt. Die Nebenklageanwälte „klammern sich an ein Detail aus einer Zeugenvernehmung, das heute unmöglich aufzuklären ist“, kommentierten wir bei ZEIT ONLINE. Das Thema Plastiktüte kam zwar im Telefonat vor, doch ohne Hinweis, dass T. überhaupt eine bei sich führte. Das Ergebnis: „Juristisch lässt sich daraus nichts machen.“
Fortsetzung in der Vertrauenskrise zwischen Beate Zschäpe und ihren Anwälten: In einem selbst eingereichten Antrag forderte Zschäpe vor Verhandlungsbeginn, die Vernehmungen auszusetzen, bis ihr wahrscheinlich bald vierter Verteidiger Mathias Grasel beigeordnet ist. „Zschäpe lässt nichts mehr über ihre bisherigen Anwälte ausrichten. Sie entscheidet jetzt in eigener Regie“, beschreibt Gisela Friedrichsen von Spiegel Online das Geschehen. Der Antrag wurde abgelehnt.
Für die „sichtbar gereizte und genervte Hauptangeklagte ist das der zweite Rückschlag innerhalb weniger Tage“, heißt es in einem Bericht von Marcel Fürstenau für die Deutsche Welle. Ihre Taktikspiele wirkten „wie letzte verzweifelte Versuche, den NSU-Prozess ins Wanken zu bringen“. In einem Brief an das Gericht hatte sie angedeutet, eine Aussage machen zu wollen. Nach dem bisherigen Prozessverlauf seien Hoffnungen auf ein mildes Urteil jedoch vergeblich.
Die Verpflichtung des Strafverteidigers Mathias Grasel könnte auch als Hoffnung des Gerichts verstanden werden, eine Aussage von Zschäpe zu erreichen. SWR-Korrespondent Holger Schmidt hat dazu eine Botschaft in seinem Terrorismus-Blog an das Gericht: „Bitte nicht einwickeln lassen, sie wird nicht reden“, empfiehlt er dem Gericht. Zudem sei nicht zu erwarten, dass Grasel Zschäpe als Anwalt vernünftig beraten könne, da er den bisherigen komplexen Prozessverlauf verpasst hat.
Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 2. Juli 2015.