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Haft für rechtsextremen Waffennarren

 

Weil er von einem Schießtraining in Tschechien Munition eingeführt hatte, muss ein Neonazi ins Gefängnis. Er ist Anhänger der militanten Gruppe Combat 18.

Von Martín Steinhagen

Combat 18 – Haft für rechtsextremen Waffennarren
Der Neonazi hatte illegal Munition nach Deutschland gebracht (Symbolfoto). © Christophe Gateau/dpa

Ein Schießtraining militanter Neonazis in Tschechien hat erneut Folgen für einen der Beteiligten: Der 28-jährige Tobias V. aus dem nordhessischen Homberg (Efze) muss sechs Monate in Haft. Bereits am Freitag wurde der Mann, der „nach polizeilichen Erkenntnissen in der Vergangenheit politisch rechtsmotiviert auffällig war“, verhaftet, wie das Polizeipräsidium Nordhessen mitteilte.

V. war im April vergangen Jahres vom Amtsgericht Hof zu einer Haftstrafe verurteilt worden, weil er von jenem Schießtraining illegal Munition nach Deutschland eingeführt hatte – ein Verstoß gegen das Waffengesetz. Damals wurde die Strafe aber zur Bewährung ausgesetzt.

V. sei jedoch der Auflage, 2.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zu zahlen, nicht nachgekommen. Deswegen wurde die Bewährung am 20. Mai widerrufen, teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft im bayerischen Hof ZEIT ONLINE auf Anfrage mit.

Schießübungen im Ausland

Offenbar meldete sich V. aber daraufhin nicht bei der Justizvollzugsanstalt, um seine Strafe anzutreten. Daraufhin habe die Staatsanwaltschaft einen Vollstreckungshaftbefehl erlassen. Schon seinem ersten Termin vor Gericht hatte sich V. damals entzogen und war deshalb bereits kurzzeitig festgenommen worden.

Am 24. September 2017 hatte die Sondereinheit der Bundespolizei GSG9 im bayerischen Grenzort Schirnding zwölf Männer aus mehreren Bundesländern kontrolliert – und dabei auch Munition gefunden. Die Neonazis kamen von einem Schießtraining in Tschechien. Die Behörden rechnen sie der Gruppierung Combat 18 Deutschland zu, wie das Bundesamt für Verfassungsschutz damals in einem Rundbrief mitteilte.

Combat 18 steht in der Szene für den bewaffneten Arm des in Deutschland seit 2000 verbotenen internationalen Neonazinetzwerks Blood and Honour, die Zahlenkombination verweist auf den ersten und achten Buchstaben des Alphabets: A und H, die Initialen Adolf Hitlers.

Schnittmuster für den NSU

Mit dem Namen Combat 18 wird auch ein Konzept rassistischen Terrorismus verbunden, das seit den Neunzigerjahren in der Szene diskutiert wird: Unter dem Schlagwort „Führerloser Widerstand“  propagieren Rechtsextreme ein militantes Vorgehen in Zellen, die kein klares Bekenntnis zu ihren Taten abgeben. Auch die Morde und Anschläge des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) folgten diesem Muster.

Zwei Beteiligte des Schießtrainings in Tschechien wurden später verurteilt. Das Amtsgericht Hof sah es im April 2018 als erwiesen an, dass Tobias V. insgesamt 24 Patronen von Tschechien nach Deutschland mitgebracht hatte, darunter Munition für Sturmgewehr und Schrotflinte. Folgen hatten die Waffenübungen auch für den bekannten Neonazi Stanley R., den etwa der Präsident des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes zu den Anführern von Combat 18 Deutschland zählte. R. wurde wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen das Waffengesetz verurteilt, weil ihm bei der Kontrolle zwei Patronen zugeordnet wurden. Das Amtsgericht Hof legte ihm im vergangenen Jahr eine Geldstrafe in Höhe von 3.000 Euro auf. R. lebte damals wie V. in Nordhessen.

Ein Verbot kommt nicht in Gang

Derzeit ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft München gegen Stanley R. und elf weitere Neonazis, denen sie vorwirft, Blood and Honour trotz Verbots weitergeführt zu haben. Interne Dokumente von Combat 18 Deutschland, die im vergangenen Jahr öffentlich wurden, zeigen, wie sich die Gruppe organisiert: Mit schriftlichen „Richtlinien“, die etwa Verschwiegenheit oder eine Kleiderordnung vorschreiben, mit Mitgliedsbeiträgen und unterteilt in Sektionen nach „Bundesland/Gau“.

Zuletzt hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) als Reaktion auf den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Innenausschuss des Bundestags angekündigt, ein Verbot von Combat 18 Deutschland zu prüfen, wie Teilnehmer der Sitzung ZEIT ONLINE berichteten . Ein solches Verbot hatten Politiker von Grünen und Linken immer wieder gefordert. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hielt dagegen: Der frühere Präsident des Amts, Heinz Fromm, sagte im Februar 2016 als Zeuge im NSU-Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags, Combat 18 habe keine „verbotsfähige Struktur“ in Deutschland.