Hunderte Neonazis trafen sich zum Rechtsrock-Fest Schild und Schwert in Ostritz. Vielen Rechtsextremen ging es deutlich zu langweilig zu – weil die Stadt ihr Bier beschlagnahmt hatte.
Von Henrik Merker
Einmal im Jahr gerät das Klosterstädtchen Ostritz an der sächsischen Grenze zu Polen in Aufruhr: Hundertschaften der Polizei rücken aus, Demonstranten versammeln sich – und auf dem Gelände eines Hotels an der Neiße treffen sich Hunderte Neonazis. Das Musikfestival Schild und Schwert, veranstaltet von NPD-Bundesvize Thorsten Heise, hat seinen festen Platz im rechtsextremen Kalender.
Am Freitag und Samstag strömten 700 Besucher in die Stadt – eine kleine Niederlage für die Veranstalter: Im Vorjahr war es rund ein Drittel mehr. Diesmal jedoch hatten die Behörden vorgesorgt und ein striktes Alkoholverbot verhängt. Aus Furcht vor Ausschreitungen ließ die Stadt mit Unterstützung des Technischen Hilfswerks 4.200 Liter Bier beschlagnahmen – rein rechnerisch sechs Liter pro Teilnehmer.
Anwohner kauften das Bier weg
Statt Feierstimmung machte sich Aggression unter den Besuchern breit. Einer von ihnen trat laut Polizei einen Journalisten, ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung wurde eingeleitet. An beiden Tagen versuchte die Rechtsextreme Angela Schaller, an Adressen von Reportern zu kommen. Sie forderte sie auf, sich am Einlass mit ihren Personalien zu akkreditieren. Bei öffentlichen Versammlungen ist das nicht notwendig – trotzdem fielen manche darauf herein.
Auf dem Gelände zu sehen gab es angetrunkene Neonazis, die sich im nahen Supermarkt versorgt hatten, solange es dort noch Bier gab. Das meiste hatten allerdings engagierte Bürger aufgekauft, um sich alkoholisierte Rechte vom Hals zu halten. Einer der Besucher trug am Freitag ein T-Shirt mit dem Aufdruck Sturm 18.
Sturm 18 ist der Name einer verbotenen Neonazi-Kameradschaft aus Kassel. In der Kasseler Szene bewegte sich auch der Tatverdächtige im Mordfall Walter Lübcke. Der NSU beging in der Stadt den Mord an Halit Yozgat. Die Neonazis versuchten zu provozieren – einer fragte: „Können wir uns nicht mal über Juden lustig machen?“ Zuvor hetzte er gegen einen körperlich behinderten Kameraden, der einige Meter vor ihm stand.
Peinliche Auftritte
Auf dem Weg zum Gelände mussten die Konzertteilnehmer an einer Kundgebung von Ostritzern und angereisten Gruppen vorbei. Sie hatten eine symbolische Trennwand mit der Aufschrift „Ossis gegen rechts“ aufgebaut. Die passierenden Neonazis pöbelten – aber nur, wenn sie sich in großen Gruppen sicher fühlten. Als ein Demonstrant einem Neonazi ein Flugblatt geben wollte, eskalierte die Situation fast. Polizisten mussten dazwischengehen und rissen den Neonazi weg.
Auf der Bühne spielten währenddessen die Rechtsrockbands. Begeisterungsstürme lösten sie nicht aus, manchen Gästen waren die Auftritte sichtlich peinlich. Bei der polnischen Band Legion Twierdzy Wrocław am Abend forderten die Besucher schon nach dem zweiten Song den Abbruch. Das braune Publikum wollte die bekannteren Gruppen hören.
Der Frontmann der verbotenen Band Landser, Michael Regener, trat dann auch mit der szenebekannten Kombo Lunikoff Verschwörung auf. Auf der Bühne forderte er die Freilassung der verurteilten Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck und ließ das Publikum entsprechende Parolen grölen.
Hitlergrüße beim Konzert
Die Band kündigte an, auch indizierte Lieder zu spielen – aber mit geändertem Text. Der Bassist der Band wurde später von Polizisten abgeführt, er hatte das gesamte Konzert über eine Sturmhaube getragen. Ein Polizeisprecher teilte mit, wegen befürchteter Ausschreitungen habe man ihn nicht vorher von der Bühne holen können. Erst bei dem Hauptact, der Hooligan-Band Kategorie C, kamen mehr Leute vor die Bühne. Mit ihnen kamen auch Hitler- und Kühnengrüße.
Die Band kündigte an, es sei ihr letztes Konzert. Weil Kategorie C regelmäßig gewaltverherrlichende Texte verbreitet und das Publikum als gewaltaffin gilt, war die Polizei sogar mit Wasserwerfern angerückt. Zum Einsatz kamen sie nicht.
Im Vergleich zu vergangenen Veranstaltungen war das Ostritz-Festival in diesem Jahr eine ruhige Nummer. Kam es beim ersten Mal 2018 noch zu einer Auseinandersetzung in der Innenstadt, blieben Besucher und Gegner dank eines strikten Konzepts voneinander getrennt. Im Städtchen an der Neiße blieb es weitgehend friedlich – und Hunderte Neonazis durstig.