Frauke Petry schimpft gerne auf die Pinocchio-Presse. Journalisten, so der Vorwurf der AfD-Chefin, würden sich Fakten zurechtbiegen, Zitate verdrehen und Lügen verbreiten – und natürlich alles nur, um ihre Partei in ein schlechtes Licht zu rücken. Nun zeigt eine Erhebung von Kölner Journalistenschülern: Petry nimmt es mit der Wahrheit offenbar selbst nicht so genau.
Auf ihrer Website faktenzoom.de haben zwölf Nachwuchsreporter Talkshowaussagen von Politikern überprüft. Ihr Ergebnis: Jede siebte überprüfte Tatsachenbehauptung ist unwahr. Besonders Frauke Petry hat demnach ein ziemlich angespanntes Verhältnis zur Wahrheit. Fast 30 Prozent der von ihr bewerteten Behauptungen waren falsch oder überwiegend falsch. Zwei Beispiele:
- Am 13. März 2016 sagte die AfD-Chefin in der ZDF-Sendung Maybrit Illner: „Aus der Türkei können immer noch Asylanträge in Deutschland gestellt werden.“ Die Kölner Journalistenschüler haben das überprüft: „Laut der Internetseite der deutschen Außenvertretungen in der Türkei kann Asyl nur von Personen beantragt werden, die sich in Deutschland aufhalten. Es sei nicht möglich, einen Asylantrag bei einer deutschen Vertretung im Ausland zu stellen.“
- In der Maischberger-Sendung vom 27. Januar 2016 sagte Petry: „Auch alle anderen Parteien [neben der SPD, Anm. d. Red.] fordern eine Obergrenze für Flüchtlinge.“ Überwiegend falsch – so das Urteil der Faktenzoomer: „Unter den im Bundestag vertretenen Parteien lehnen neben der SPD auch die Grünen eine Obergrenze ab, so eine Erklärung auf der Internetseite der Partei. Die CSU befürwortet die Einführung einer Obergrenze.“ Die AfD-Chefin sagte auf Anfrage der Journalistenschüler, sie habe mit ihrer Behauptung lediglich deutlich machen wollen, dass mittlerweile keine Partei mehr der Meinung sei, Deutschland könne unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen.
Überprüft wurden die Talkshows Anne Will, Maischberger, Hart aber fair und Maybrit Illner. Für jede der sieben derzeit wichtigsten Parteien analysierten die Jungjournalisten die Aussagen des Politikers mit den meisten Auftritten. Neben Frauke Petry für die AfD sind dies Thomas Oppermann (SPD), Christian Lindner (FDP), Katja Kipping (Linke), Katrin Göring-Eckardt (Grüne), Markus Söder (CSU) und Armin Laschet von der CDU, der im Vergleich übrigens am besten abschnitt. Nur 6,5 Prozent von Laschets Aussagen stellten sich als unwahr oder überwiegend unwahr heraus – und die will sich der stellvertretende CDU-Vorsitzende nun noch einmal anschauen.
Nach der Analyse konfrontierten die angehenden Journalisten die Politiker mit ihren Erkenntnissen – und bekamen mitunter recht zweifelhafte Reaktionen. Zum Beispiel vom bayerischen Finanzminister Markus Söder (knapp 22 Prozent unkorrekte Aussagen). Der CSU-Politiker hatte in der Sendung von Maybrit Illner (21. Januar 2016) behauptet, die Mehrheit der Deutschen glaube, Deutschland könnte die Flüchtlingskrise kulturell nicht bewältigen. Sechs Tage zuvor war die Forschungsgruppe Wahlen zu einem anderen Ergebnis gekommen. Söders Reaktion: Seine Aussage entspreche dem Stimmungsbild, das der Minister aus zahlreichen Gesprächen in ganz Bayern gewonnen habe.
Mehr als 670 Behauptungen wurden für das Projekt untersucht (hier das Auswertungsdokument, hier Informationen zur Methodik) – und auch, wenn die Mehrheit der Aussagen bei allen Politikern korrekt ist: Für die Kölner Journalistenschüler ist das Ergebnis „ernüchternd“. Und Frauke Petry sollte vielleicht darüber nachdenken, wer hier wirklich ein Pinocchio ist.
- Auch US-Politiker nehmen es mit der Wahrheit nicht so genau. Wer am häufigsten lügt, können Sie hier nachlesen.
- Mehr Teilchen gibt es hier.
Anmerkung 20. Juni: Mittlerweile gibt es Kritik an der Methodik von Faktenzoom, die wir für nachvollziehbar und berechtigt halten. Wir bitten um Entschuldigung, dass wir nicht vor Veröffentlichung selbst eingehender geprüft haben.