Lesezeichen
 

Weshalb Koalitions-Fragen nerven

Der verstorbene frühere FDP-Vorsitzende Otto Graf Lambsdorff nannte einmal ein hübsches Beispiel für eine Journalistenfrage, die Politiker besser nicht beantworten sollten: „Haben Sie aufgehört, Ihre Frau zu schlagen?“ Sagt der Politiker darauf ohne Nachzudenken „Ja“, bestätigt er indirekt, dass er ein gewalttätiger Ehemann ist. Sagt er hingegen „Nein“, weil er die Frage für absurd hält, outet er sich erst recht als Schläger.

Ähnlich verhält es sich mit dem in Wahlkampfzeiten beliebten Fragespiel: „Schließen Sie eine Koalition mit der Partei XY aus?“ Was soll ein Politiker, der halbwegs bei Trost ist, dazu anderes sagen außer einer Standard-Floskel in der Art: „Wir streben eine Koalition mit der Partei Z an. Aber wenn der Wähler anders entscheidet, werden wir uns Gesprächen mit anderen demokratischen Parteien nicht verschließen.“ Nur Politiker, die eigentlich gar nicht regieren wollen, werden die Frage bejahen.

Auf diese Weise kamen dieser Tage mal wieder Schlagzeilen zustande, Kanzlerin Merkel und Politiker der SPD schlössen eine Große Koalition im Fall der Fälle nicht aus, und führende Grünen liebäugelten heimlich mit Schwarz-Grün. Ja, was denn sonst? Sollen sie behaupten, sie gingen auf jeden Fall in die Opposition, wenn es für Schwarz-Gelb bzw. Rot-Grün bei der Bundestagswahl nicht reicht? Besonders der SPD würde man eine solche „Auschließeritits“ angesichts ihrer bescheidenen Umfragewerte als Realitätsverweigerung auslegen.

Also hat sich im Grunde nichts geändert: Die Wähler werden am 22. September nicht über eine Koalition entscheiden, sondern über die Zusammensetzung des Parlaments. Die Parteien werden dann versuchen, aus den entstandenen Mehrheitsverhältnissen eine Regierung zu formen. Das kann kompliziert werden, erst recht, wenn fünf, sechs oder sieben Parteien in den Bundestag einziehen. Deshalb sind alle Parteien gut beraten, sich andere als nur ihre Wunschoptionen offen zu halten, falls sie mitregieren möchten, und sich nicht an eine Partei zu ketten wie die FDP, die vor der Wahl eine Ampelkoalition formell ausschließen will. Und deshalb sollten Politiker bis dahin die unsinnige „Schließen-Sie-aus?“-Frage am besten nicht mehr beantworten. Die Wähler wissen es ohnehin besser.

 

Im Zug

Gestern in der Deutschen Bahn. Ein Fahrgast schräg gegenüber muss nachzahlen und grummelt zum Schaffner: „Andere zahlen nichts und fahren umsonst in Urlaub.“ Darauf der Schaffner, ein gemütlicher Berliner, trocken: „Beschweren Sie sich bei Frau Merkel!“ Der gesamte Waggon lacht.

 

Wulffs Präsidentenfeier mit exklusivem Service

Am 30. Juni 2010 wurde der CDU-Politiker Christian Wulff im dritten Wahlgang zum zehnten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Am Abend richtete der Eventmanagner Manfred Schmidt, ein professioneller Kuppler von Politikern, Wirtschaftsleuten und Prominenten aller Art, für den vormaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten in seiner „exklusiven“ Penthouse-Residenz am Pariser Platz 4a mit „unverstelltem Blick“ auf Brandenburger Tor und Reichstag eine Siegesfeier aus.

Die erste Frage lautet: Wieso organisierte Schmidt für Wulff diese Jubelparty? Eine reine Nettigkeit unter Freunden? Oder womöglich eine Gefälligkeit als Dank für Gefälligkeiten, die Wulff ist seinem bisherigen Amt dem umtriebigen Geschäftsmann und „Partykönig“ erwiesen hatte?

Die zweite Frage lautet: Wieso feiert ein deutsches Staatsoberhaupt seine Wahl ins höchste Amt der Republik in einer „Eventlocation“, für die der Veranstalter Schmidt auf der Website seiner Firma folgendermaßen wirbt: „Nutzen auch Sie das Privileg eines erstklassigen Escortservices Ihrer Geschäftskunden und einer vorbildlichen Security. Drei separate Eingänge ermöglichen eine paparazzisichere Anfahrt und höchste Diskretion. In der Residenz am Pariser Platz können Sie einen hochexklusiven Event ungestört von der Öffentlichkeit genießen.“

 

Hallo Schloss Bellevue: Noch jemand da?

Lange nichts mehr gehört von Christian Wulff. Was macht er wohl so? Staatsbesuch bei den Scheichs, Sternsinger-Empfang, Neujahrsempfang – alles vorbei. Und jetzt?

Berater haben dem Bundespräsidenten offenbar empfohlen, erst mal auf Tauchstation zu gehen. Wulff entzieht sich der Medienmeute und dem Volk. Bis die ganze Sache vergessen ist.

Die Strategie scheint aufzugehen: Medien berichten mangels nennenswerter neuer Aufreger in der Causa Wulff nur noch über läppische Kleinigkeiten: hier ein geschenktes Bobby-Car für den Präsidenten-Nachwuchs, da ein Wiesn-Upgrade im Bayerischen Hof, dort doch Mitwirkung an der Sponsorensuche für eine Veranstaltungsreihe namens Nord-Süd-Dialog (hat nichts mit der Dritten Welt zu tun wie ehedem unter Willy Brandt). Ziemlich kleines Karo also. Und geeignet, bei Lesern das Gefühl zu wecken: Den Medien ist wirklich jedes Mittel recht, um Wulff zur Strecke zu bringen. Und bei manchem Journalisten wie Parteifreund macht sich offensichtlich Resignation breit: Der Mann sitzt das einfach aus!

Der CDU hat die leidige Affäre in den Umfragen bislang nicht geschadet, anders als dem Bundespräsidenten. Und Merkels bekannte Strategie des Abwartens hat sich wieder einmal bewährt. Bis jetzt, jedenfalls.

Dass Wulff vorerst verschwunden ist, fällt dabei nicht weiter auf. Er war ja schon vor seiner Affäre kaum sichtbar. Oder, wie der Satire-Kollege Hans Zippert schon vor Weihnachten in der Welt über den Bundespräsidenten schrieb: „Wulff schafft das Amt ab, indem er es ausübt.“

 

Große Koalition an der Saar, oder was nun?

Die Parteien sind schon dabei, die Weichen für 2013 zu stellen: Im Saarland möchte die Bundes-SPD nach dem Ende des Jamaika-Bündnisses, als neueste Variante, allenfalls eine Koalition mit der CDU auf begrenzte Zeit. Denn die Führungsgenossen im Willy-Brandt-Haus wissen, dass Große Koalitionen in aller Regel bei den nächsten Wahlen dem Juniorpartner mehr schaden. Und das wäre im Moment die SPD.

Deshalb drängt die strategisch vorausdenkende Generalsekretärin Andrea Nahles auf möglichst baldige Neuwahlen im kleinsten Bundesland. Die SPD liegt nämlich in Umfragen dort derzeit (noch) vorne und kann daher hoffen, nach einer Art Übergangsregierung mit der CDU künftig den Ministerpräsidenten zu stellen – egal in welcher Konstellation.

Der Landesvorsitzende Heiko Maas dagegen möchte eine Neuwahl eigentlich meiden: Er ist schon zweimal als Spitzenkandidat gescheitert (2009 an den Grünen, die sich statt für Rot-Rot-Grün für Jamaika entschieden) und fürchtet, eine dritte Niederlage wäre sein politisches Ende. Daher möchte er lieber die Chance ergreifen, jetzt wenigstens Vize und „Superminister“ unter der CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer zu werden. Nach dem Motto: Besser der Spatz in der Hand…

Die Linie gibt aber ganz offensichtlich nicht er vor, sondern die Parteizentrale in Berlin. Und die hat aus den eingangs genannten Gründen – mit Blick auf die Bundestagswahl 2013 – kein Interesse, ein Signal für Schwarz-Rot zu senden. Sondern, wenn schon, für Rot-Schwarz.

An einer Großen Koalition wird die SPD an der Saar allerdings wohl so oder so nicht vorbeikommen, auch nicht nach Neuwahlen. Denn Oskar Lafontaine, der Landesfraktionschef und immer noch un-heimliche Vorsitzende der Linken, hat klargestellt, seine Partei stehe für ein rot-rot-grünes Bündnis nicht mehr zur Verfügung. Auch er will offenkundig für 2013 schon mal ein Zeichen setzen. Seine Rache an der SPD, seiner alten geliebt-gehassten Partei, währt ewig.

All das bestätigt meine Prognose: 2013 wird es auch im Bund wahrscheinlich nur um die Frage gehen: Schwarz-Rot oder Rot-Schwarz, Merkel oder Steinbrück/Steinmeier/Gabriel.

 

Ein Senior als neuer Bundespräsident?

Das Thema Wulff lässt uns nicht los. User haben mich auf einen neuen Gedanken gebracht: Vielleicht ist unser Bundespräsident ganz einfach zu jung für das Amt. Ihm fehlt ganz augenscheinlich die notwendige Reife, die Abgeklärtheit und Distanz zu sich selbst, die man oft erst mit dem Alter erwirbt. Er ist – trotz schwieriger Jugend in einfachen Verhältnissen und obwohl er lange brauchte, um in Niedersachsen nach oben zu kommen – offensichtlich vom Leben nicht gehärtet.

Daher der Vorschlag, auch von einigen Usern: Präsident sollte künftig ein gereifter Nicht- oder Nicht-mehr-Politiker sein, so wie einst „Papa“ Heuss oder Richard von Weizsäcker. Einer oder eine, der oder die viel durchlebt hat, der anderes kennt als nur Parteigeschacher. Der das Amt des Staatsoberhaupts, das wie kein anderes von der Person lebt, nicht als Highlight einer Politikerkarriere betrachtet, sondern als Herausforderung, als Pflicht, auch als Last. Der es nachdenklich und klug ausfüllt, mit fröhlicher Gelassenheit, so wie Gustav Heinemann, ein zu unrecht vergessener, für mich großer Bundespräsident.

Sicher: Auch ein höheres Alter wäre keine Garantie, dass ein Nachfolgekandidat ein guter, ein besserer Präsident würde. Aber manches spricht dafür, wie schon ein Blick auf die Reihe unserer Bundespräsidenten. Und auch ein Blick ins Ausland zeigt, dass gealterte, gar greise Männer (oder Frauen) an der Spitze des Staates oft erst über die Würde und Stärke verfügen, die es manchmal braucht: In Italien hat der 86-jährige Ex-Kommunist Giorgio Napolitano kraft seiner persönlichen Integrität sein Land im vergangenen Jahr durch eine schwere Krise geführt, als Silvio Berlusconi es an den Rand des wirtschaftlichen und politischen Ruins gebracht hatte.

Deshalb sollten die Verantwortlichen, wenn es womöglich demnächst, spätestens aber 2015 um einen Nachfolger für Christian Wulff geht, darüber nachdenken, ob man diesmal nicht jemanden auswählt wie den früheren SPD-Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel (85) – oder eben Joachim Gauck (71). Beide haben sich seit langem vom Klein-Klein und den Machtspielen des politischen Alltags verabschiedet oder waren nie richtig darin verwickelt. Sie kennen den Krieg noch (Vogel als Wehrmachts-Unteroffizier) und wirklich harte Zeiten. Beide verfügen über die persönliche Autorität, die in diesem Amt und in diesen Zeiten notwendig wäre. Beide wären mit Sicherheit unbequeme, bisweilen störrische Präsidenten. Aber nach meiner Ansicht gerade deshalb eine Wohltat – für das Land und für unsere Demokratie.

 

Wulff kurz vor dem Ende

In der Daueraffäre Wulff kippt die Stimmung in der CDU und der Unionsfraktion, wie von mir in diesem Blog schon in der vergangenen Woche prognostiziert. Vor allem in seinem CDU-Heimatverband Niedersachsen geht die Angst um, Wulff könne ihnen – wenn er im Amt bleibt – im nächsten Jahr bei der Landtagswahl die Mehrheit kosten. Ähnlich dürfte es in Schleswig-Holstein sein, wo schon in diesem Frühjahr gewählt wird. Deshalb wächst der Druck auch auf Angela Merkel

Man kann und sollte die jüngsten Äußerungen der Kanzlerin und ihres Sprachrohrs Peter Altmaier daher als Ultimatum an den Bundespräsidenten verstehen: Wenn er jetzt nicht ganz schnell sein Versprechen einlöst, alle verbliebenen Ungereimtheiten aufzuklären, dann war es das.

Merkel verliert die Geduld. Für Christian Wulff ist es 2 vor 12.

 

 

Wulff klebt am Amt. Na und?

Viele Bürger, Leser und Debattenteilnehmer zur Causa Wulff auch in diesem Blog stellen – oft empört oder entsetzt – die Frage: Kann dieser Bundespräsident wirklich auf seinem Posten bleiben? Trotz seines vielfältigen, offenkundigen Versagens, das er in dieser Affäre unter Beweis gestellt hat?

Andere meinen: Wäre das so schlimm? Haben wir, hat unser Land nicht viel gravierendere Sorgen und Probleme als die Frage, ob ein medioker Politiker seinem Amt – einem gar nicht so bedeutenden – gewachsen ist?

Noch anders gewendet: Wäre es eine Staatsaffäre, wenn Christian Wulff nicht gehen müsste? Weil die Kanzlerin und ihre Koalition, aber auch die Opposition im Moment offensichtlich kein Interesse an seiner Ablösung haben. Und weil die Aufregung über Wulff und sein Krisengebaren langsam abebbt und sich die Medien wieder anderen Themen zuwenden. Wie das so ist, wenn eine Affäre lange dauert und keine Konsequenzen zeitigt.

Oder würde es vielmehr eine Staatskrise bedeuten, wenn Wulff schließlich doch noch zurückträte, als zweiter Bundespräsident binnen eineinhalb Jahren nach Horst Köhler?

Nein, eine Staatskrise wäre das sicherlich nicht. Im Gegenteil. Unser politisches System würde dann zeigen, dass es in der Lage ist, mit solchen Skandalen umzugehen und einen unfähigen, überforderten Politiker aus seinem Amt zu entfernen. Die Bundesversammlung würde rasch einen Nachfolger wählen, einen hoffentlich überparteilichen und besseren; Angela Merkel wäre leicht beschädigt (ist sie jetzt schon), weil es ihr Präsident ist, ihr zweiter; die Republik würde diese minder bedeutende Affäre alsbald vergessen.

Wenn. Wenn aber Wulff weiter an seinem Sessel klebt (was ihm gar nicht zu verdenken ist: Viele andere Politiker täten das auch und haben es getan – weil sie meist ja nichts anderes haben) und niemand diesen Präsidenten von seinem Amt befreit, dann, so ist zu befürchten, droht der Demokratie tatsächlich eine weitreichende neuerliche Erschütterung. Weil das in den Augen vieler Bürger den Argwohn verstärkte, dass unser politisches System seiner Funktion eben nicht mehr gerecht wird, sich selbst zu reinigen.

Erst die Finanz- und Eurokrise. Dann Guttenberg. Jetzt Wulff: Man stelle sich mal vor, es ginge um die Kanzlerin, also jemand wirklich bedeutenden, mächtigen. Aber Wulff ist ja „nur“ Bundespräsident. Gott sei Dank.

 

Wulff plagd: Die Rolle der „Bild“-Zeitung in der Präsidentenaffäre

Es gibt mittlerweile eine Internetseite, auf der versucht wird, den ominösen Mailbox-Anruf des Bundespräsidenten bei Bild-Chef Kai Diekmann zu rekonstruieren – im WulffPlag entsteht ein Puzzle aus den zahlreichen Bruchstücken, die Bild und der Springer-Verlag gezielt an eine Menge Journalisten bestimmter Medien und durch sie an die Öffentlichkeit haben durchsickern lassen.

Aus der Privataffäre von Christian Wulff und seiner anschließenden Schlammschlacht mit Deutschlands größten Boulevardblatt wird also eine digitale Schnitzeljagd, ähnlich wie im Fall der getürkten Doktorarbeit von Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg.

Ein klares Bild kann sich die Öffentlichkeit damit immer noch nicht machen. Zwar spricht nach Lektüre der auf der Internetseite gesammelten Wulff-Wortfetzen einiges dafür, dass er nicht nur – wie er behauptet – um Verschiebung des kritischen Bild-Berichts über seinen Hauskredit gebeten hat. Quelle sind aber letztlich allein die Bild-Zeitung und Springer, die als einzige über die Orginalabschrift verfügen. Die Drecksarbeit möchte Bild in diesem Fall allerdings ganz offensichtlich andere Medien und Internetjäger für sich erledigen lassen, um sich selber als vermeintlich seriöses Aufklärungsblatt zu profilieren.

Als weiteren Schritt dieses so perfiden wie durchsichtigen Spiels hat Bild dem Bundespräsident scheinheilig den Wortlaut seines Anrufs zukommen lassen, nebst begleitendem öffentlichem Tamtam, damit der seine angeblich verräterischen Worte möglicherweise selber veröffentlicht. Das ist also der neue Stil des Blattes: Die Opfer seiner Kampagnen sollen sich jetzt selber ans Messer liefern.

Wulffs Anwalt hat daraufhin – nicht ungeschickt – Wulffs früherem Haus- und Hofblatt gestern faktisch freigestellt, den Text abzudrucken. Worauf Springer/Bild natürlich nicht eingehen. Es wäre ja nicht in ihrem Sinne.

Nun springen die Wulffplag-Jäger ein und übernehmen den Job. Klüger wäre es, Wulff beendete das böse Spiel von Bild, um endlich das Heft des Handelns wieder in die Hand zu bekommen, und ließe den Text auf die Seite des Präsidialamtes stellen. So aber bleibt das Schicksal des deutschen Staatsoberhaupts in dieser (auch Medien-)Affäre womöglich in der Hand von Bild.

Selbst das hat sich Wulff selber zuzuschreiben. Er hat sich Jahre lang mit Bild eingelassen, weil es (auch) ihm nutzte, und war so naiv zu glauben, diese Liason hielte ewig. Auch so sind wohl seine zornigen Worte auf der Diekmann-Mailbox zu verstehen: als Ausdruck enttäuschter Liebe. Oder, wie es Ex-Bildblogger Stefan Niggemeier in seinem Blog kenntnisreich kommentiert: „Tödlich ist es, zu glauben, einen Pakt mit der „Bild”-Zeitung schließen zu können und davon am Ende profitieren zu können.“

PS: Wulff hat in seinem Fernsehinterview vergangene Woche volle Transparenz versprochen und dies gar als vorbildlich gepriesen. Anders als angekündigt, will er die 400 Fragen von Bild und seine Antworten sowie die zugrunde liegenden Dokumente indes nicht ins Internet stellen, wie wir heute erfahren. Jeder mache sich darauf seinen eigenen Reim.

 

Ein Bundespräsident auf Kriegspfad

Christian Wulff mag es martialisch. Der Bild-Zeitung drohte er mit „Krieg“. Vor Mitarbeitern des Präsidialamtes soll er jetzt von einem „Stahlgewitter“ gesprochen haben, durch das er zur Zeit gehe, das aber bald vorbei sein werde.

Mal abgesehen von der Frage, ob ein führender deutscher Politiker im Jahr 2012 einen solchen Begriff ausgerechnet eines Ernst Jünger aus dessen eher verherlichenden Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg verwenden sollte, zeigt seine Wortwahl, wie Wulff die Affäre um seine Privatgeschäfte offensichtlich weiterhin sieht: als feindseligen, bewaffneten Angriff auf seine Person. Nicht als legitime öffentliche Auseinandersetzung um das Verhalten eines Spitzenpolitikers und von ihm inzwischen ja auch eingeräumte Verfehlungen und Ungereimtheiten.

Deutlich wird damit auch: Die Entschuldigung bei Bild-Chef Kai Diekmann für seine unsägliche Nachricht auf dessen Mailbox war gar nicht so gemeint. Und sein hinterlassener Wutausbruch offenbar auch nicht ein einmaliger, unkontrollierter Ausrutscher eines ansonsten besonnenen Politikers in einer emotionalen Ausnahmesituation, wie Wulff es darstellt. Sonst hätte er bei einem anschließenden Anruf bei Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner nicht die gleichen drohenden Vokabeln verwendet. Und sonst würde er nicht auch jetzt noch, nach seinem vermeintlichen Reuebekenntnis im Fernsehen, im gleichen kriegerischen Jargon bleiben.

„Offensichtlich fühlt sich das Staatsoberhaupt wie im Kugel- und Granatenhagel und setzt darauf, gehärtet und unbeschadet daraus hervorzugehen“, schreibt die Berliner Morgenpost aus dem Hause Springer. Andere Medien kommentieren die angebliche neueste Wulff’sche Entgleisung ebenso fassungslos.

„In einem Jahr ist das alles vergessen“, soll Wulff auf der internen Neujahrsfeier des Präsidialamtes gesagt haben. Die Frage ist eher, ob er dann nicht längst vergessen ist.