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Warum der Euro schwach bleiben könnte

 

Wenn ich mir die fundamentalen Determinanten des Euro-Wechselkurses ansehe, kann ich nur staunen, dass er gegenüber dem Dollar und Yen so schwach ist. Eigentlich hätte der Euro, wenn es nach mir gegangen wäre, bei $1,40 drehen müssen und wäre jetzt wieder bei $1,50.

Die Leistungsbilanz Eurolands ist nur leicht defizitär dieses Jahr (-0,4 Prozent des BIP), verglichen mit den -4,6 Prozent der USA; Japan weist allerdings einen Überschuss von 3,9 Prozent auf. An den Devisenmärkten ist daher das Angebot an Dollar, das aus dem Warenhandel, den Dienstleistungen und den Transfers resultiert, nach wie vor um ein Vielfaches höher als das an Euro, was den Kurs des Dollar mehr schwächen müsste als den des Euro. Das scheint keinen großen Einfluss auf den Wechselkurs zu haben.

Auch die hohen Geldmarktzinsen sprechen für einen härteren Euro: die 3-Monatssätze liegen im Euroraum bei 4,15 Prozent, die amerikanischen nur bei 2,22 Prozent und die japanischen bei 0,87 Prozent. Auf Bloomberg hat heute morgen ein Devisenstrategen (Klawitter von Dresdner Kleinwort) argumentiert, dass der Zinsvorteil Eurolands weiterhin rasch dahinschmelzen wird, und zwar in dem Maße, wie sich der Refinanzierungssatz der EZB in den kommenden Monaten auf 1 Prozent oder weniger zu bewegt. Die amerikanischen und japanischen Zinsen sind ja bereits auf diesem Niveau. Mit anderen Worten, die absolute Höhe der europäischen Zinsen ist für den Wechselkurs weniger relevant als die Veränderung der Zinsdifferenz. Dann wäre auch eine Parität zum Dollar im nächsten Jahr nicht mehr unwahrscheinlich.

Könnte es sein, dass das europäische Bankensystem von den Marktteilnehmern als wackliger angesehen wird als das amerikanische und der Euro deshalb schwächelt? Ein Maß für dieses Risiko ist der Zinsunterschied zwischen 3-Monats-LIBOR und dreimonatigen Staatspapieren. Hierzulande beträgt er 227 Basispunkte (4,15 Prozent minus 1,88 Prozent für Bu-Bills), in den USA 210 Basispunkte (2,22 Prozent minus 0,11 Prozent für Treasury Bills) – das ist nach wie vor eine gewaltige Spanne, aber in beiden Währungsräumen ist sie praktisch identisch. Die kleine Differenz reflektiert im Wesentlichen die Tatsache, dass das europäische Zinsniveau etwa 200 Basispunkte höher ist als das der USA. Je näher wir der Null kommen, desto flacher wird die Zinsstrukturkurve. Euroanlagen sind nicht riskanter als Dollaranlagen. Das Argument zieht also nicht.

Es ist allerdings schon erstaunlich, dass es auch im Euroland bei den Banken so große Probleme gibt. Ein großer Teil der europäischen Kapitalexporte, vor allem wohl der deutschen, bestand, wie wir gelernt haben, aus dem Erwerb von amerikanischen Asset Backed Securities, die so viel an Wert eingebüßt haben, dass es zu existentiellen Krisen bei den Käufern, den Banken und ihren ausgelagerten Vehikeln, gekommen ist. Das hat dann die großen Rettungsaktionen erzwungen.

Ich habe auch meine Zweifel gegenüber einem anderen Argument, dass nämlich der Dollar deshalb so stark ist, weil die amerikanischen Anleger in dieser Krise ihr Auslandsvermögen repatriieren, also Euro und Pfund, aber offenbar nicht Yen, gegen Dollar verkaufen und damit ihre Schulden mindestens teilweise abbezahlen. Ich frage mich, warum das nicht auch die europäischen Anleger tun, die über ein mindestens ebenso großes Auslandsvermögen verfügen. Im Grunde müsste der Dollar bei den jetzigen Zinsunterschieden eine Refinanzierungswährung in den sogenannten Carry Trades sein – es müsste sich doch tendenziell lohnen, sich in Dollar zu verschulden und das Geld besserverzinslich am europäischen Geldmarkt zu investieren. Beim Yen wurde das niedrige Zinsniveau viele Jahre als Begründung für den schwachen Wechselkurs herangezogen. Warum soll das alles auf einmal nicht mehr gelten.

Plausibel für den schwachen Euro, ich wiederhole mich, erscheint mir folgendes Argument: es gibt keinen Finanzminister, der für die Euroregion insgesamt verantwortlich ist, und es gibt auch keine institutionellen Vorkehrungen für den Fall, dass ein großes Finanzinstitut, das in allen Ländern der Währungsunion gleichermaßen aktiv ist, gerettet werden muss. Es fehlt auch an einer schlagkräftigen zentralen Bankenaufsicht. Die Anleger sehen das nicht gern und haben zunehmend Zweifel daran, dass das Europrojekt in der jetzigen Form überleben kann. Einige Länder des Club Med könnten bald so große Schwierigkeiten haben, dass ein Bail Out notwendig werden könnte. Das ist aber im Maastricht-Vertrag ausgeschlossen. Was dann?

Schon heute bekommt man im Zehnjahresbereich auf griechische Staatsanleihen 150 Basispunkte mehr als für Bundesanleihen, bei italienischen sind es 103, bei spanischen 55 Basispunkte. Gäbe es dieses Misstrauen nicht, würden die Renditedifferenzen nicht mehr als höchstens 30 Basispunkte betragen – das würde einfach die unterschiedliche Liquidität der Anleihen widerspiegeln, nicht die Überlebenswahrscheinlichkeit des Euro.

Ich glaube, die Märkte wollen uns mitteilen, dass eine Währungsunion auf Dauer nur Bestand haben kann, wenn das Ziel einer politischen Union nicht aus den Augen gerät. Zur Zeit kämpft jeder (Finanzminister) für sich, man traut dem anderen (vor allem Herrn Sarkozy) nicht über den Weg, und die EZB fühlt sich nicht angesprochen. Sie berichtet zwar regelmäßig darüber, wie sie die Stabilität des Finanzsystems einschätzt, aber außer den Zinsen und der Liquiditätsversorgung hat sie keine Instrumente zur Verfügung, mit denen sie konkret etwas bewegen könnte.

Die Währungsunion braucht dringend neue und schlagkräftige Institutionen. Monsieur Trichet braucht einen finanzpolitischen Ansprechpartner, mit dem er auf Augenhöhe verhandeln kann, ebenso wie einen europäischen Finanzaufseher. Nie war das so klar wie heute.