Heute morgen gab es in der Süddeutschen Zeitung einen lesenswerten Bericht von Moritz Koch zum Thema Depfa und schwarze Löcher. Der einstmals mausgraue Wiesbadener Hypothekenfinanzierer, seit 2007 eine Tochter der Münchner Hypo Real Estate, hatte sich binnen weniger Jahre vom neuen Firmensitz Dublin aus zu einer der profitabelsten Banken weltweit entwickelt – dank eines gewaltigen Schuldenhebels, einer vermeintlich verlässlich positiv geneigten Zinsstrukturkurve und immerfort liquiden Geldmärkten, auch für die exotischsten und undurchsichtigsten Konstrukte. Der Fokus lag auf Geschäften mit öffentlichen Schuldnern, denen die Depfa entweder direkt Kredite mit variablen, also kurzfristigen Zinsen gab, oder gegen eine Gebühr als Käufer letzter Instanz für die Geldmarktpapiere öffentlicher Emittenten fungierte. Vor allem in den USA wurden offenbar de facto mit kurzfristigem Geld langfristige Infrastrukturprojekte finanziert.
Das Modell ist inzwischen kollabiert, die Geldmärkte funktionieren nicht mehr, und die Depfa ist in größten Schwierigkeiten, ebenso wie ihre Mutter, die Hypo Real Estate. Letztlich ist der Steuerzahler der eigentliche Leidtragende, denn wer wird die Rettungsaktionen finanzieren müssen, wenn nicht er. Das geht zu Lasten der normalen Staatsaufgaben und damit nicht zuletzt des Wohlstands.
Vermutlich ist die Rettungsaktion nicht zu vermeiden. Es kann im hoch-interdependenten Finanzsystem leicht Dominoeffekte, also eine Kette von Insolvenzen, geben, die unsere Volkswirtschaft lahm legen könnten. Was künftig aber unbedingt untersagt werden muss, ist die sogenannte Regulierungsarbitrage innerhalb der Währungsunion. Die Depfa hat die „regulation light“ Irlands zum Vorteil der eigenen Geschäfte, und auch zum Vorteil Irlands ausgenutzt. Dublin mausert sich zum wichtigen Finanzzentrum? – Eigentlich hätten schon lange bei unseren Aufsehern, einschließlich der EZB und der Bundesbank, die Alarmglocken schrillen müssen. Man wunderte sich, tat aber nichts.
Die Währungsunion ist ernsthaft gefährdet, wenn es nicht möglichst bald einheitliche Aufsichtsstandards und Eigenkapitalregeln gibt. Wenn man erwartet, dass im Notfall das Eurosystem zur Hilfe eilt, müssen die Geschäfte nicht nur für die Aufseher transparent sein, sie müssen auch nach denselben Spielregeln erfolgen. Da sind wir noch lange nicht. Das Mandat der EZB ist viel zu eng gefasst.
Es fällt auf, dass der Euro neuerdings in Großbritannien, Dänemark und Schweden, selbst in der Schweiz an Attraktivität gewinnt. Auch die Polen würden gerne mitmachen. Ich würde mich darauf nicht einlassen, bevor nicht erstens alle Maastricht-Kriterien erfüllt sind, zweitens die kompetitiven Steuern zugunsten des Finanzsektors abgeschafft oder vereinheitlicht sind, drittens die Steueroasen dicht gemacht werden (Kanalinseln, Karibik, Gibraltar) und viertens eine zentrale Aufsicht über Banken, Versicherungen und andere Unternehmen des Finanzsektors etabliert ist. Wenn man einmal dabei ist, müssten sich auch Frankreich (Monaco, Andorra), Österreich, Luxemburg und natürlich auch Irland bewegen. Was ist eigentlich mit Griechenland los? Haben wir es hier mit einem neue „Island“ zu tun, diesmal aber innerhalb der Währungsunion? Bei zehnjährigen Staatsanleihen bekommt man heute 170 Basispunkte mehr als für Bundesanleihen, Tendenz stark steigend!
Wer von den Mitgliedstaaten der EWU, die noch über solide Finanzen verfügen, rausgehauen werden möchte, muss neue und härtere Regeln akzeptieren. Der Euro hat auf Dauer keine Chance, wenn die Standards, die an die Geschäftspolitik der Finanzinstitute gelegt werden, so weit divergieren. Gerade wenn der Euroraum immer größer wird, darf er auf diesem Gebiet nicht so heterogen sein. Ich hoffe nur, dass diese Krise das Bewusstsein für diese Zusammenhänge schärft.