Am vergangenen Wochenende gab es in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung einen Artikel mit diesem Titel, nur dass hinter dem Gedankenstrich die Wörter „wir schon“ standen. Die Autorin wollte den Lesern den Erwerb von inflationsgeschützten Anleihen schmackhaft machen, weswegen sie zeigen musste, dass es über kurz oder lang wieder zu steigenden Inflationsraten kommen wird, dass man also als Anleger Handlungsbedarf hat. Leider gab es kein einziges Argument, dass ich überzeugend fand (obwohl inflationsindexierte Bundesanleihen zur Risikostreuung sehr nützlich sind).
Die Inflation wird laut FAS zurückkommen, erstens weil die Wirtschaft „irgendwann wieder anziehen“ wird (warum das so sein sollte, bleibt offen), und zweitens „wegen der Konjunkturpakete“, als zusätzlichem Grund. Aha. Schlimm: „Der Staat … pumpt Milliarden in die Industrie.“ Nun kommt es: Er „nimmt … bei seinen Bürgern immer mehr Geld durch die Ausgabe neuer Anleihen auf. Deren Renditen sinken bereits mächtig.“ Sinken? Müssten sie nicht steigen?
Die riesigen Schulden „wird er nur in den Griff bekommen, indem er die Notenpresse anwirft …,“ ist weiter zu lesen. Aber wie war das noch mal mit der EZB? Wird Herr Steinbrück ihr vorschreiben, was sie zu tun hat? Oder Herrn Weber von der Bundesbank? Und wie wir in Japan gesehen haben, lösen ein Anwerfen der Notenpresse und ein mehrjähriges Laufenlassen auf Hochtouren nicht notwendig Inflation aus. Die Konstellation hierzulande ist zur Zeit durchaus mit der japanischen in den neunziger Jahren vergleichbar.
Die Notenbanker haben jedenfalls keine Angst vor Inflation. Das Schreckgespenst heißt Deflation. Die Preisindices in Deutschland und im Euroraum sind nämlich seit sechs Monaten leicht rückläufig, auch wenn die Inflationsraten noch im positiven Bereich liegen. Ohne es zu dramatisieren, aber ein sinkendes Preisniveau wird nach allgemeinem Verständnis als Deflation bezeichnet. Das selbstgesteckte und in der Öffentlichkeit bisher nicht in Frage gestellte Ziel der EZB heißt dagegen, die Inflationsrate bei knapp unter 2 Prozent zu halten. Wenn es so weitergeht, werden wir im Euroraum bereits im Sommer bei Null landen. Das ist der Grund, weshalb die EZB die Zinsen so kräftig gesenkt hat.
Gegen Deflation, also eine steigende Kaufkraft des Geldes, ist nichts zu sagen, wenn es gleichzeitig robustes Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung gäbe. So etwas ist im 19. Jahrhundert gelegentlich vorgekommen. So wie es jetzt aber aussieht, haben wir es mit einer Kombination von sinkenden Preisen für Güter, Dienstleistungen, Aktien und Immobilien sowie einer tiefen globalen Rezession zu tun. Der Internationale Währungsfonds hat gerade seine Wachstumsprognose für Asien auf 2,7 Prozent (2009, ggü. Vj.) zurückgenommen. Im November waren es noch 4,9 Prozent. Es gibt einfach keine Konjunkturlokomotiven mehr, nirgendwo.
Sicher, die EZB pumpt Geld in die Wirtschaft, wenn auch nicht so aggressiv wie die Fed. Die Bilanzsumme des Eurosystems hat innerhalb des vergangenen Jahres um nicht weniger als 62,5 Prozent zugenommen und die Zinsen sind seit dem 8. Oktober von 4¼ Prozent auf 2 Prozent gesunken. Die Pferde werden zur Tränke geführt, nur saufen tun sie nicht. In den Vorjahren ist die Kreditvergabe an den privaten Sektor ziemlich stetig mit Raten von etwa 11 Prozent gestiegen – jetzt sind wir bei 5,8 Prozent angelangt. Die Angelsachsen verwenden dafür eine anderes Bild: „pushing on a string“. Die europäische Geldpolitik ist zunehmend wirkungslos, und es wird ihr nichts anderes übrig bleiben, als die Wirtschaft noch mehr mit Geld zu überschwemmen – und das zu noch günstigeren Konditionen, sprich noch niedrigeren Zinsen.
Inflation? Geht man nach der inflationsindexierten Bundesanleihe, die am 15. April 2016 fällig ist und einen Kupon von 1,5% hat, dann wird aus Anlegersicht für die nächsten sieben Jahre eine durchschnittliche Inflationsrate von 1,36 Prozent erwartet (das ist die Differenz zwischen der Rendite „normaler“ Bundesanleihen von 3,04% und der Rendite der indexierten Anleihe von 1,68%). Die Marktteilnehmer rechnen also noch nicht mit Deflation, allerdings sind ihre Inflationserwartungen in letzter Zeit ständig gesunken.
Da die ungenutzten Kapazitäten weltweit rapide zunehmen und die Arbeitslosigkeit stark ansteigt, die sogenannte Output-Lücke also immer größer wird, können die Unternehmen nur noch schwer ihre Preise erhöhen. Nicht nur das, es wird zunehmend zu Preiskämpfen kommen, einfach weil die Grenzkosten angesichts der großen Kapazitätsreserven rückläufig sind, wenn der Output erhöht wird. Auf der Makroebene sind Abwertungswettläufe so etwas Ähnliches wie Preiskämpfe – auch sie wären für eine tiefe globale Rezesion typisch (GB, Russland, China).
Wenn der Internationale Währungsfonds mit seiner neuesten Prognose recht haben sollte, dass nämlich das globale reale BIP in diesem Jahr gegenüber 2008 auf Kaufkraftparitätenbasis nur um 0,5 Prozent steigen oder sogar, mit Marktkursen gerechnet, um 0,6 Prozent zurückgehen wird, kann sich so rasch keine neue Inflation entwickeln. Seien wir realistisch, eine Rezession wie die jetzige hat es seit dem Krieg nicht mehr gegeben. Ein Abgleiten in die Deflation ist viel wahrscheinlicher als eine Rückkehr der Inflation.
Auf kurze Sicht, sagen wir mal auf zwölf Monate, sehe ich, anders als die FAS, also keine Inflationsgefahren. Erst einmal geht es in die andere Richtung, so dass inflationsindexierte Anleihen so schnell nicht zum Renner der Saison werden dürften. Man sollte sich mit ihnen jedoch schon mal vertraut machen, denke ich. Vielleicht hilft dabei das Folgende:
Zunächst ist festzustellen, dass Anleger in einem Umfeld rückläufiger Inflationsraten besser fahren, wenn sie normale Anleihen kaufen. Um im Siebenjahresbereich zu bleiben: Bei den Bundesanleihen gibt es, wie gesagt, 3,04%, bei Pfandbriefen 3,37%, bei französischen Staatsanleihen 3,23% und bei italienischen 3,74%. Alle lauten natürlich auf Euro und sind damit keinem Wechselkursrisiko ausgesetzt. Ich spekuliere mal: Wenn die Inflationsrate bis April 2010 auf minus ein Prozent gesunken sein sollte und die EZB bis dahin die Zinsen auf 0,5% gesenkt hat, dürfte die Rendite der 7-jährigen Bundesanleihe auf etwa 2% fallen. Das hat für diejenigen, die zu dem Zeitpunkt Geld brauchen, den Vorteil, dass sie einen Kursgewinn von etwa 5 Prozent einfahren können, zusätzlich zu einer Jahresrendite von etwas mehr als 3%. An den Bund gerichtet würde ich empfehlen, jetzt und bis auf Weiteres eine oder zwei weitere inflationsindexierte Anleihen zu begeben – sie sind augenblicklich vorteilhaft für den Schuldner, nicht dagegen für den Anleger.
Bei der inflationsindexierten Anleihe des Bundes gibt es 1,5% p.a. plus einen Inflationsausgleich bezogen auf den Ausgabezeitpunkt der Anleihe. Nehmen wir also an, die Inflationsrate fällt bis zum Frühjahr nächsten Jahres auf minus ein Prozent (ggü. Vj.). Das führt nun nicht dazu, dass die Anleger eine Kuponzahlung von nur 1,5 Prozent – 1 Prozent = 0,5 Prozent bekommen, wie man vielleicht meinen könnte. Der Zinssatz von 1,5% wird vielmehr mit der sogenannten Index-Verhältniszahl multipliziert, die die bisherige Preisentwicklung wiedergibt, so dass der auszuzahlende Kupon um ein Prozent gegenüber dem Vorjahr gekürzt wird. Läge der so berechnete indexierte Zinssatz in diesem Frühjahr bei etwa 1,60%, würde er im nächsten Jahr auf 1,586% sinken.
Der Rückzahlungsbetrag erhöht sich Jahr für Jahr um die Inflationsrate, und er sinkt, wenn es Deflation geben sollte. Wenn die Gesamtinflation während der Laufzeit von 10 Jahren 20 Prozent beträgt, ergibt sich ein Rückzahlungsbetrag von 120; auf die Differenz zu 100 sind Steuern zu zahlen. Übrigens sinkt der Rückzahlungsbetrag im April 2016 auch bei anhaltender Deflation nicht unter den Gesamtnennbetrag (von 100). Die Anleihe bietet also auch einen Schutz gegen Deflation, wenn auch nicht so einen guten wie normale Anleihen. (Wer Genaueres wissen will, sollte sich die Home Page der Deutschen Finanzagentur ansehen und die Anleihebedingungen herunterladen.)
Die tatsächliche Rendite hängt davon ab, zu welchem Kurs die Anleihe gekauft wurde. Er liegt heute bei 98,80; hinzu kommen die Stückzinsen seit dem letzten Kupontermin im April 2008 sowie der aufgelaufene Inflationsausgleich auf das Kapital (etwa 6%).
Als Beimischung sind indexierte Anleihen durchaus zu empfehlen, aber Eile ist nicht geboten. Ich würde warten, bis es die ersten Anzeichen dafür gibt, dass die Inflation wieder anzieht.