Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Notizen zur Geldschwemme

 

Henry Kaspar und Patrick Bernau fuehren eine interessante Debatte ueber die Rolle der Geldpolitik der Notenbanken bei der Entstehung von Inflation und Vermoegenspreisblasen. Ein paar Gedanken dazu.

HK hat vollkommen recht, wenn er die Inflationsgefahren unkonventiollener Massnahmen wie Quantitative Easing oder den Liquiditätsoperationen der EZB als gering einschätzt. Denn was passiert bei solchen Maßnahmen? Die Zentralbank überschwemmt den Bankensektor mit Zentralbankgeld.

Entscheidend ist nun, was damit passiert. Inflation im klassischen Sinne entsteht nur, wenn die Nachfrage nach Gütern so stark zunimmt, dass das Angebot nicht mehr mithalten kann. Das erfordert also zwingend, dass das Geld der EZB über die Banken an die privaten Wirtschaftsakteure verliehen wird, die damit dann viele Dinge kaufen. Das passiert derzeit nicht und deshalb gibt es auch keine Inflation.

Aus diesem Grund stagnieren auch die breiten Geldmengenaggregate, im Fall der EZB also M3, obwohl doch so viel Geld gepumpt wird. Die Zentralbank pumpt eben nur einen Teil des Geldes – die so genannte Geldbasis. Viel wichtiger für die Gütermärkte ist, ob die Banken durch Kreditvergabe neues Geld schaffen und das tun sie eben derzeit kaum.

Aber was ist mit den Vermögensmärkten? Ist es nicht so, dass das Geld der EZB schnurstracks in die Rohstoff- und Immobilienmärkte strömt und dort die Preise treibt und eine gefährliche Blase befüllt?

Nicht unbedingt, wie folgende Überlegung zeigen soll. Nehmen wir an, eine Bank leiht sich bei der EZB 10 Milliarden Euro. Dieses Geld dient der Bank der Refinanzierung, es ersetzt also zum Beispiel die Ausgabe einer eigenen Anleihe oder den Geldmarkt.

Wird die Bank damit – sagen wir – den Kauf eines großen Immobilienportfolios refinanzieren? In der aktuellen Phase, in der alle Banken ihre Bilanzen verkürzen und die Aufsichtsbehörden und die Investoren wie wild darauf achten, dass die Banken nicht zu hohe Risiken eingehen eher unwahrscheinlich. Die EZB verleiht ohnehin Geld nur für maximal drei Jahre – das schränkt die Verwendungsmöglichkeit dieses Geldes bei der Refinanzierung ein, wenn man nicht Depfa spielen will.

Aber es gibt noch einen fundamentaleren Punkt: Mir ist keine Megablase bewusst, die alleine durch Zentralbankgeld angetrieben wurde. In der Regel wird die für eine Blase notwendige dauerhafte zusätzliche Nachfrage nach Vermögenswerten dadurch geschaffen, dass diese Werte durch Kredite – also durch von den Banken neu geschaffenes Geld – aufgekauft werden. Die Banken sind bei spekulativen Übertreibungen damit in aller Regel nur der Finanzier. So war es ja auch in den USA, wo die Haushalte sich ihre Eigenheime durch Hypotheken finanzieren liessen.

Jedenfalls kenne ich keine Episode spekulativer Übertreibungen, die sich alleine innerhalb des finanziellen Sektors abgespielt hat. Das gilt übrigens auch für die Anleihemärkte: Solange die Banken irgendwelche Anleihen untereinander hin- und herschieben, passiert nicht viel. Sie müssen schon am Primärmarkt aktiv werden – und damit sind wir wieder bei der Kreditvergabe angelangt.

Es braucht also einen Anstieg Kreditvergabe und die Ausweitung von M3, um eine Blase zu befüllen und damit verlassen wir den Bereich des Zentralbankgeldes und müssen die Reaktion der Wirtschaft insgesamt betrachten. Was mich zu der These bringt, dass Zentralbankgeld an sich vergleichsweise ungefährlich ist.

Nun gibt es noch andere Kanäle: Eine expansive Geldpolitik kann dazu führen, dass Investoren ihr Anlageverhalten ändern und auf der Suche nach Rendite Geld in Vermögenswerte umschichten. Aber dazu sind zwei Dinge zu sagen: Erstens sind wir dann wieder bei einer Preis- und nicht bei einer Mengenbetrachtung. Wir operieren also nicht mehr mit Geldmengen, sondern mit Zinssätzen.

Und zweitens ist diese Umschichtung normalerweise genau das, was die Zentralbanken erreichen wollen (wie die Bank of England hier explizit erklärt) – die Investoren sollen dazu gebracht werden, wieder ins Risiko zu gehen. Der Anstieg der Vermögenspreise waere dann nicht etwa eine nicht beabsichtigte Konsequenz, sondern die erfolgreiche Transmission des geldpolitischen Signals.

Ich glaube mit HK, dass viele, die mit der Geldschwemme argumentieren, nicht erfasst haben, dass Geld endogen im Wirtschaftsprozess entsteht und nicht von außen zugeführt wird. Geld ist nicht wie Wasser. Patrick Bernau zitiert an dieser Stelle Jürgen Stark, der argumentiert, die Liquidität finde immer ihren Weg. Meine Antwort darauf wäre: Es gibt keinen ex ante fest stehenden Top mit Liquidität, sie bildet sich in der Interaktion der Banken mit der Zentralbank und den nichtfinanziellen Sektoren.

Das alles bedeutet nicht, dass Zentralbanken keinen Schaden anrichten können. Aber die Wirkungskanäle erscheinen doch komplexer, als es sich offensichtlich selbst ehemalige Zentralbanker vorstellen – und um eine gegebene Politik in einem gegebenen Umfeld richtig zu bewerten, muss man sich mit diesen Details beschäftigen.