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Hans-Werner Sinns Denkfehler

 

Die FAZ bringt einen langen Text über Hans-Werner Sinn, der viele kluge Gedanken enthält, aber auch den zentralen Denkfehler seiner Argumentation offenbart. Es geht natürlich um Target 2 und die deutschen Auslandsforderungen:

Bislang kauften Banken und Versicherungen für unsere Exportüberschüsse und die dahinterstehenden Ersparnisse im Ausland marktfähige Wertpapiere.

Jetzt aber laufe das nicht mehr, weil in Deutschland niemand mehr bereit sei Wertpapiere aus Südeuropa zu kaufen. Die deutschen Banken lagern ihr Geld lieber bei der Bundesbank. Dafür springe die EZB ein und finanziere anstelle der deutschen Sparer die Importe der Peripheriestaaten. Damit ändert sich der Charakter der Auslandsforderungen.

Etwa 640 Milliarden unseres Privatvermögens, das wir in Form von Lebensversicherungspolicen und Spargeldern haben und das im Euro-Ausland angelegt wurde, bestehen heute nur aus Forderungen gegen die Bundesbank. Und die Bundesbank hat Forderungen gegen ein EZB-System, Forderungen, die sie niemals fällig stellen kann.

Der Denkfehler liegt in dem Wörtchen nur. Deutschland hat jahrelang mehr exportiert als importiert und dafür Forderungen angehäuft. Diese Forderungen würden auch ohne Target 2 noch existieren. Mehr noch: Wenn die EZB nicht eingesprungen wäre, hätten sie sich schon längst in Luft aufgelöst. Warum? Weil die Banken in Italien und Spanien kollabiert wären – und das deutsche Geld erst recht weg gewesen wäre.

Die Targetisierung der deutschen Auslandsforderungen – also die Umwandlung von Forderungen an Private in Forderungen an das Notenbanksystem – ist aus Sicht der deutschen Sparer sogar vorteilhaft. Denn wenn tatsächlich ein Land ausfällt, werden die Verluste unter den verbleibenden Notenbanken aufgeteilt. Ohne Target müssten die Deutschen die Verluste alleine tragen.

Es wird sogar noch besser: Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die Bundesbank ihre Verbindlichkeiten gegenüber den deutschen Banken nicht bedient. Sie kann zwar ihrerseits möglicherweise die entsprechenden Forderungen gegenüber dem Eurosystem nicht eintreiben, doch sie wird dann einfach Ausgleichsforderungen in ihrer Bilanz stehen lassen und verwerten, was noch zu verwerten ist.

Das Zahlungsverkehrssystem der EZB hat es den deutschen Banken also ermöglicht, deutsche Spargelder aus dem Ausland zurückzuholen und in sichere Forderungen gegenüber der Bundesbank zu verwandeln. Aus diesen und anderen Gründe haben Sebastian Dullien und ich in einem Aufsatz für Vox argumentiert, dass die deutschen Sparer dankbar sein müssen, dass es Target gibt.

Target 2 entwertet also nicht die deutschen Auslandsforderungen, es sichert sie ab, so lange es eben irgendwie geht. Target 2 ist ein Rettungsschirm für deutsche Sparer. Man kann aus vielen Gründen gegen die Liquiditätsmaßnahmen der EZB sein, die Sicherheit der deutschen Spargelder ist definitiv keiner.

Anders gesagt: Die Ursünde ist der Exportüberschuss, nicht das Target-System.