Offenbar haben die Ökonomen um Hans-Werner Sinn und Walter Krämer eingesehen, dass sie mit ihrem populistischen Aufruf überzogen haben, jedenfalls erscheint jetzt in der FAZ eine ausführliche Erläuterung ihrer Position. Darin heißt es:
Die Politik sollte ein geordnetes europäisches Verfahren zur Rekapitalisierung der Banken durch ihre Gläubiger entwickeln, denn nur bei den Gläubigern lässt sich das dafür nötige Vermögen finden, und schließlich waren sie es, die das Risiko des Bankkonkurses mit ihren Anlageentscheidungen eingegangen sind.
Genau so ist es, aber was bedeutet das konkret? Die Banken reihenweise ungeschützt pleite gehen lassen? Viel Spaß dabei. Den unterzeichnenden Professoren würde das einer solchen Entscheidung folgende Finanzbeben dank ihrer staatlich geschützten Posten vielleicht nichts ausmachen – dem Rest der Deutschen allerdings schon. Auch die Weltwirtschaftskrise wurde durch Bankenpleiten ausgelöst.
Die Ökonomen gehen darauf nicht ein, und schreiben stattdessen:
Wenn diese Interpretation stimmt, dann darf man freilich keine gemeinschaftlichen Restrukturierungsfonds und keine gemeinsame Einlagensicherung gutheißen, wie es in dem alternativen Aufruf geschieht.
Das ist nun besonders schräg, denn das Gegenteil ist der Fall. Wer Banken schonend sanieren und abwickeln will, der braucht dazu die geeigneten Instrumente – und er braucht einen Fonds, um die marode Bank während der Sanierung oder Abwicklung zu stabilisieren. Genau so hat man es im deutschen Restrukturierungsgesetz gemacht, das inzwischen international als vorbildlich gilt. Was anderes ist eine Bankenunion – unter anderem –, als ein geordnetes Verfahren zur Sanierung maroder Banken?
Warum das alles auf europäischer Ebene? Weil die Banken längst europäisch agieren und weil die enge Verflechtung von Banken und Staaten in einer Währungsunion tödlich ist. Wenn die Bonität Spaniens angezweifelt wird, schlägt das über Kursverluste der Anleihen unmittelbar auf den Bankensektor durch, der damit die Kreditversorgung des Privatsektors nicht mehr gewährleisten kann. Die Staatskrise wird zu einer allgemeinen Wirtschaftskrise. Wenn die Bonität Floridas angezweifelt wird, vergeben die Banken dort munter weiter Kredite.
Aber die Ökonomen sind sich ganz anscheinend bewusst, dass ihr Argument nicht überzeugt. Deshalb ziehen sie ein weiteres heran – es ist nicht ökonomischer, sonder politökonomischer Natur.
Wir sehen nicht, wie man den Missbrauch des Restrukturierungsfonds und der Einlagensicherung für die Vergemeinschaftung der Abschreibungsverluste verhindern könnte, wenn diese Instrumente erst einmal eingerichtet sind (…) Die strukturelle Mehrheit der Schuldenländer in den Eurogremien wird sich sämtlicher Töpfe des ESM bedienen (…)
Dazu sind zwei Dinge zu sagen. Erstens: Deutschland hat im ESM eine Sperrminorität. Niemand wird sich also gegen die Zustimmung der Bundesregierung irgendwelcher Töpfe bedienen können – und wenn die Bundesregierung zustimmt, dann hat sie dafür ihre Gründe. Wer mit diesen Gründen nicht einverstanden ist, der soll eine andere Bundesregierung wählen.
Und zweitens: Wenn man wirklich glaubt, dass es in Europa nur noch darum geht, wie der eine den anderen Abzocken kann und inhaltliche Erwägungen überhaupt keine Rolle mehr spielen, dann muss man das mit dem Euro wohl wirklich bleiben lassen. Das muss man dann aber auch sagen.
Update I: Olaf Storbeck hat eine sehr gute Zusammenfassung des SVR-Gutachtens.
Update II: Zu meinem letzten Punkt: Wenn ich in jedem Politikfeld den anderen Mitgliedsstaaten maximale kriminelle Energie unterstelle – also im Sinne von Kant einen Staat für ein Volk von Teufeln errichten muss – dann glaube ich tatsächlich, dass die Integration nicht funktionieren wird. Ohne einen gewissen Willen zur Zusammenarbeit in der Präferenzordnung kann man Staaten nicht zu einem Bund vereinen, es wird nie gelingen, Regeln zu formulieren, die alle Eventualitäten abdecken.