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Der Wirtschaftsminister plant Milliardengeschenk für Versicherungen und Banken

 

Die öffentliche Infrastruktur Deutschlands verfällt, das ist mittlerweile auch in der Politik angekommen. Klar ist, dass man viele Milliarden Euro in die Hand nehmen muss, um die marode Infrastruktur wieder auf Vordermann zu bringen. Aber wer soll’s bezahlen? Die Politik hat sich die beiden wichtigsten Finanzierungsquellen verbaut: Erstens hat sie in den letzten fünfzehn Jahren massiv die Steuern für Haushalte und Unternehmen gesenkt (die Mehrwertsteuererhöhung hat davon nur einen Teil ausgeglichen) und schließt Steuererhöhungen aus. Zweitens hat sie sich per Schuldenbremse die Neuverschuldung verboten.

Vermeintliche Lösung: Laut Handelsblatt plant Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, einen Fonds aufzubauen, dem Banken und Versicherungen Geld leihen, um damit per öffentlich-privater Partnerschaft die marode Infrastruktur zu renovieren. Auf den ersten Blick scheint das eine clevere Idee, auf den zweiten Blick ist es ein Milliardengeschäft für Banken und Versicherungen. Warum? Die beklagen sich, dass die sicheren deutschen Staatsanleihen nur magere Renditen abwerfen. Schöner wäre, wenn der Staat höhere Zinsen bieten würde und dazu noch Garantien, dass diese höheren Zinsen der Finanzwirtschaft auch über Jahre hinweg zufließen. So lassen sich heute im Handelsblatt „Regierungskreise“ zitieren, dass Versicherungen für ihre Infrastrukturfinanzierung einen Aufschlag von ein bis zwei Prozent auf die Verzinsung von Staatsanleihen erhalten könnten.

Merken Sie was? Die geringen staatlichen Zinsen mögen schlecht für die Finanzwirtschaft sein, aber sie ersparen dem Staat und damit auch dem Steuerzahler Milliarden. Finanzminister Schäuble kann seinen Haushalt gerade vor allem wegen der geringen Zinszahlungen ausgleichen. Wenn der Staat der Finanzindustrie aber höhere Zinsen verspricht, sind das natürlich höhere Ausgaben für ihn – und dann auch höhere Steuern und Abgaben für die Bürger. Im Handelsblatt liest sich das wörtlich so: „Ohne Renditeanreize geht es nicht, das weiß Gabriel, der neue Wirtschaftsfreund: Die Finanzbranche gibt ihre Milliarden nicht ohne staatliche Gegenleistung.“ Besser kann man es nicht auf den Punkt bringen.

Würden wir in einer normalen Welt leben, würde der Staat bei einer verfallenden Infrastruktur, über die sich zu Recht auch die Wirtschaft beschwert, die rekordniedrigen Zinsen nutzen, um selbst massiv in die Infrastruktur zu investieren. So würde es jedes Unternehmen mit Investitionsstau machen. Im Gegensatz zu privaten Unternehmen braucht der Staat aber keine „Renditeanreize“, wenn er eine Schule baut oder renoviert. Die Bürger würden sich freuen, wenn sie ihre Kinder nicht mehr in seit Jahren unrenovierte Schulen bringen müssten und sich das Herummanövrieren um Schlaglöcher ersparen könnten.

Die Finanzbranche würde zwar über geringe Zinsen murren, aber wenigstens hätte sie sichere Anlagen. Und die braucht sie auch, um ihre maroden Bilanzen nach der Finanzkrise wieder in Ordnung zu bringen. Denn auch wenn sie murren mögen: Banken und Versicherungen können gar nicht genug von deutschen Staatsanleihen bekommen; der Großteil ihrer Anlagen besteht genau daraus. Die niedrigen Zinsen sind ja gerade Folge der Überschussnachfrage nach Staatsschulden!

Das alles geht aber nicht, denn der Staat hat sich per Schuldenbremse selbst verboten, Zinsschnäppchen für gesamtgesellschaftlich zentrale Zukunftsaufgaben wahrzunehmen. Und jetzt wissen wir auch, wer davon profitiert: Wegen der staatlichen Selbstknebelung kann die Finanzwirtschaft Renditeaufschläge auf die Staatsanleihezinsen verlangen. Das kommt die Bürger zwar teuer zu stehen, aber die Finanzwirtschaft reibt sich die Hände. Dass der Staat ernsthaft erwägt, sie wieder so großzügig zu beschenken, nachdem er sie schon 2009 ff. mit staatlichen Milliardenhilfen fast ertränkt hat, hätten wohl die kühnsten Vorstandsvorsitzenden nicht zu träumen gewagt.