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Russen und Araber finanzieren uns ein Konjunkturprogramm

 

Bevor es mit dem Einbruch der Ölpreise losging, importierte Deutschland jährlich Energie für etwa 130 Milliarden Euro. Wenn es von nun an nur noch 90 Milliarden sein sollten – im laufenden Quartal liegt der Ölpreis um rund 30 Prozent niedriger als in den drei vorangegangenen Quartalen –, verringern sich die Ausgaben für Einfuhren überschlägig gerechnet um 40 Milliarden Euro oder um 1,4 Prozent des nominalen BIP, bei gleichem Einfuhrvolumen wie vorher. Das ist wie ein Geschenk, das von der Größenordnung her bei Weitem alle Konjunktur- und Wachstumsprogramme übertrifft, die derzeit diskutiert werden. Anders gewendet, es verbleiben dem Inland zusätzlich 40 Milliarden Euro, die sonst an Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland entstanden wären. Auf einmal wäre die Kaufkraft da, und zwar nicht in Form von geliehenem Geld, das eines Tages zurückzuzahlen ist. Es entsteht zusätzliches Einkommen. Das nennt sich terms-of-trade-Effekt: Für eine bestimmte Menge an Einfuhren muss weniger exportiert, also an inländischen Ressourcen eingesetzt werden.

Grafik: Deutsche Energieimporte

Als Volkswirt muss ich natürlich reflexartig darauf hinweisen, dass die Rechnung auch die Nebeneffekte berücksichtigen muss, insbesondere den Rückgang der deutschen Exporte in Ölförderländer wie Russland oder die Golfstaaten. Was hier an zusätzlichem Einkommen ankommt, geht dort verloren. Diese Prozesse laufen schon. Andererseits profitieren aber die Nachbarländer in der Währungsunion sowie alle Nettoimporteure von Öl – und Energie im Allgemeinen – in ähnlichem Maße wie Deutschland von den niedrigeren Überweisungen an das Ausland und erleben dadurch ebenfalls einen Nachfrageschub. Sie werden damit mehr aus Deutschland importieren und die rückläufigen deutschen Exporte in die Ölförderländer mehr als ausgleichen. Außerdem: Wenn eine so wichtige Komponente im Warenkorb wie der Energieverbrauch deutlich billiger wird, verstärkt sich dadurch zumindest anfangs der Druck auf das Preisniveau; eine Deflation ist wahrscheinlicher geworden.

Ein anderer absehbarer Nebeneffekt: Wenn Energie auf einmal viel billiger wird, wird der Energieverbrauch steigen, weil es dann nämlich weniger dringend ist, sein Haus zu isolieren oder auf verbrauchsarme Autos umzusteigen. Für die Energiewende und damit für die Umwelt sind sinkende Preise für fossile Brennstoffe eine schlechte Nachricht.

Insgesamt müssen jedoch die Wachstumsprognosen für Deutschland nach oben angepasst werden, nachdem sie seit dem Sommer ständig zurückgenommen worden waren. Trotz der expansiven Geldpolitik, der hohen Unternehmensgewinne und der unvermindert zügig steigenden Beschäftigung war die Konjunktur im zweiten und dritten Quartal ins Stocken gekommen. Offenbar wirkt die Finanzpolitik per Saldo immer noch restriktiver als gedacht, die Banken sind weiterhin mit der Reparatur ihrer Bilanzen befasst und tun sich schwer bei der Vergabe neuer Kredite. Zudem läuft es bei den Investitionen und im Außenhandel nicht so gut wie erwartet. Der Sachverständigenrat hatte in seinem Jahresgutachten vom November die Zuwachsraten des realen BIP für 2014 und 2015 auf 1,2 und 1,0 Prozent zurückgenommen. Vor einem Jahr war für 2014 noch eine Zuwachsrate von 1,6 Prozent vorhergesagt worden. Ähnliches gilt der Tendenz nach für die übrigen Länder des Euro-Raums.

Unter der Annahme, dass es keine neuen bösen Überraschungen gibt, dürfte der Ölpreiseffekt die Zuwachsrate des realen BIP Deutschlands in diesem Jahr vielleicht um 0,2 Prozentpunkte erhöhen und im nächsten um mehr als 0,5 Punkte, also auf dann 1,5 Prozent oder mehr. Vermutlich wird die Inlandsnachfrage weiterhin die dynamischste Komponente sein.