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Wie aus einem Nein doch noch ein Ja werden könnte

 

Wenn die vergangenen Tage eines gezeigt haben, dann dass die griechische Regierung zu dialektischen Höchstleistungen fähig ist. Was gestern noch galt, gilt heute nicht mehr oder war anders gemeint, und es ist fast unmöglich, den Überblick zu behalten.

Mithilfe dieser Fähigkeiten könnte es Alexis Tsipras gelingen, ein Nein beim Referendum in ein Ja zur amtierenden Regierung umzudeuten – und damit die deutsche Bundesregierung zu blamieren.

Wie das? In etwa so:

Tsipras lässt beim Referendum bekanntlich über das letzte Angebot der Gläubiger abstimmen. Das ist sehr wichtig. Es geht um einen konkreten Vorschlag, nicht um die Sparpolitik im Allgemeinen. Dieses Angebot ist nicht mehr gültig, weil das Programm, auf das es sich bezieht, nicht verlängert werden kann. Wenn die Griechen dieses Angebot ablehnen, dann lehnen sie also ein ohnehin ungültiges Angebot ab. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr.

Von Bedeutung ist das, weil im Rest Europas ganz anders argumentiert wird. Insbesondere die Bundesregierung sagt nämlich tatsächlich, es gehe um eine Abstimmung über die Sparpolitik im Allgemeinen und damit – weil es ohne Sparen kein frisches Geld mehr gibt – die Mitgliedschaft im Euro.

Das ist aber formal nicht korrekt, denn ein Nein verbietet der griechischen Regierung ja nur, ein ohnehin nicht gültiges Angebot anzunehmen. Es verbietet ihr aber nicht, neue Verhandlungen mit den Europäern über neue Sparvorgaben aufzunehmen – und theoretisch könnte er sogar strengere Auflagen akzeptieren, denn über neue Auflagen wird ja im Referendum überhaupt nicht abgestimmt.

Und tatsächlich hat Tsipras beim ESM bereits einen Hilfsantrag gestellt. Der Ausgang des Referendums ist – streng genommen – irrelevant für den weiteren Verhandlungsgang und wenn überhaupt, stärkt ein Nein die Verhandlungsposition der Griechen. Das ist zugegeben eine sehr legalistische Sicht der Dinge, aber zuzutrauen wäre Tsipras eine solche Vorgehensweise.

Wenn es so kommt, dann sind die Gläubigerstaaten in eine Falle getappt. Denn wenn sie – wie sie es angedeutet haben – die Verhandlungen abbrechen, dann müssten sie sich den Vorwurf gefallen lassen, in die Entscheidung eines Referendums etwas hineininterpretiert zu haben, was überhaupt nicht zur Abstimmung stand. Griechenland ist als Mitglied des ESM berechtigt, einen Antrag zu stellen. Diesen Antrag abzulehnen nur auf Basis einer bestimmten Deutung der innenpolitischen Vorgänge in diesem Land, wäre rechtlich problematisch und politisch grob fahrlässig.

Man stelle sich nur einmal konkret vor, Tsipras will über den Antrag verhandeln und Wolfgang Schäuble lehnt das ab mit Verweis auf ein Referendum, in dem der Antrag überhaupt nicht zur Abstimmung steht. Genauso gut könnte er den Antrag mit Verweis auf das Wetter in Athen ablehnen.

Wenn die Gläubiger die Verhandlungen aber fortsetzen, dann werden ihre Drohungen als leere Gesten erscheinen. Weil sie das Referendum zur Grundsatzentscheidung hochstilisiert haben, droht ihnen eine beispiellose Blamage.

Wie gesagt: Ob das tatsächlich das Kalkül von Tsipras ist, ist unklar. Wenn es sich aber so verhält, dann hätten die Griechen ihre Gläubiger – an der Nase herumgeführt.