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Auf Mario Draghi ist Verlass

 

In den vergangenen Monaten sah es so aus, als ob die EZB allmählich den Ausstieg aus ihrer Nullzinspolitik vorbereitet: Seit Januar kauft sie pro Monat bis einschließlich September statt für 60 nur noch für 30 Mrd. Euro Anleihen. Danach, so etwa Bundesbank-Chef Weidmann, ein Kritiker der Ankaufprogramme im EZB-Rat, sollten möglichst keine „substanziellen Nettokäufe“ mehr vorgenommen werden. Die Inflation sei schließlich auf dem Weg in Richtung zwei Prozent. Es sei daher angemessen, wenn das Kaufprogramm zum Ende des Jahres ausliefe. Damit wäre eine Normalisierung die Geldpolitik tatsächlich greifbar. Solche Überlegungen dürften jetzt aber wieder vom Tisch sein.

Seitdem sich die europäischen, amerikanischen und fast alle anderen Aktienmärkte seit dem 24. Januar auf eine steile Talfahrt begeben haben, ist das Risiko gestiegen, dass sich daraus etwas Ernstes entwickelt. Das Rückschlagpotenzial ist besonders groß, weil die Bewertungen der Aktien astronomische Höhen erreicht hatten, die implizieren, dass es auf Jahre hinaus Gewinnsteigerungen im zweistelligen Bereich geben würde.

Das ist natürlich nicht realistisch. Wie der neue Tarifvertrag der IG Metall zum Beispiel gezeigt hat, fordern die Arbeitnehmer, wenn die Wirtschaft so gut läuft wie sie läuft, irgendwann einen größeren Teil vom Kuchen – und dann ist es aus mit der immerwährenden Gewinnexplosion. Weil die Anleger sich dessen bewusst sind, stehen sie schon länger Gewehr bei Fuß. Ihnen ist klar, dass sie irgendwann Kasse machen müssen, und keiner möchte der Letzten sein, der sich vom Markt verabschiedet.

Weil sich die Wirtschaft der USA seit fast neun Jahren im Aufschwung befindet und es nicht nur Vollbeschäftigung, sondern zudem unübersehbare Zeichen für eine Beschleunigung der Inflation gibt, ist vorstellbar, dass die US-Notenbank Fed weiterhin vorsichtig die Zinsen anheben wird. Für die EZB dürfte das dagegen bis auf’s Erste nicht mehr infrage kommen: Euroland ist immer noch weit entfernt von Vollbeschäftigung, die Kerninflation liegt seit vier Jahren wie festgemauert bei ein Prozent, und eine weitere Aufwertung des Euros durch höhere Zinsen ist gar nicht zu gebrauchen. Die Finanzkrise 2007-2009 hat gezeigt, wie fatal sich ein Einbruch an den Kapitalmärkten auf die Wirtschaft auswirkt. Es darf keine Rezession geben.

Mario Draghi wird gegenhalten und dafür sorgen, die Zinsen unverändert zu lassen und das Bond-Ankaufsprogramm zu verlängern oder notfalls sogar aufzustocken. Es gibt jetzt noch geringere Inflationsgefahren als zuvor.

Für Anleger könnte das bedeuten, dass die Renditen der Bundesanleihen und Pfandbriefe nicht mehr viel weiter steigen werden. Der Abstand zwischen den kurzfristigen Zinsen und den Renditen am langen Ende ist bereits jetzt sehr groß. Weil es immer mehr lohnt, sich am Geldmarkt zu verschulden und damit Bondkäufe zu finanzieren, ist irgendwann Schluss mit der Schwäche am Rentenmarkt, also den steigenden längerfristigen Zinsen. Was wir gerade erleben, hat tendenziell deflationäre Effekte. Anders ausgedrückt, wenn sich die Trends der vergangenen Tage fortsetzen, werden festverzinsliche Wertpapiere die Anlageklasse sein, in die alle flüchten möchten.

Eine ausführliche Analyse zu den aktuellen Aussichten für Aktien und Bonds finden Sie in meinem neusten Investment Outlook:

Wermuth’s Investment Outlook – „Draghi put“ remains in place, February 2018*) (pdf, 672 KB)

*) Der Investment Outlook von Dieter Wermuth ist in englischer Sprache verfasst und wird im Herdentrieb in loser Folge zum Herunterladen bereitgestellt. (UR)