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Gute Bäcker – selten wie ein Lottogewinn

Amuse Gueule, Amuse Bouche, Gruß aus der Küche etc. – es gibt viele Bezeichnungen für den Auftakt eines Esserlebnisses.

Was wir auf diesem Bild sehen, ist unsere Quiche. Zwei Jahre alter Bergkäse und alter Gruyère sind darin vermengt. Was wir hier aber sehen, das ist nicht das Amuse Gueule, sondern die ideale Soforthilfe, wenn man von draußen aus der Kälte kommt. Es gibt meist ein Glas Champagner, und dass man keinen sauren Magen bekommt, dafür ist dies Küchlein zuständig.

Mancher Restauranttester beklagte sich schon, dass wir seit Jahren diese Quiche servieren („Immer das gleiche Amuse Gueule.“). Sei es drum, erst nach diesem Küchlein kommt das Amuse Gueule, frische bretonische Butter und zweierlei getoastete Brotsorten.

Restaurants werden übrigens auch an der Vielfalt der Brotsorten gemessen. Unzählige Male stand ich vor der Qual der Wahl, es gab Unmengen unterschiedlicher Wecklein, und letztlich waren alle irgendwie nicht richtig gut. Das Brot in Deutschland, ganz pauschal gesagt, ist ein Trauerspiel, gute Bäcker so selten wie ein Lottogewinn.

 

Boudin Blanc

Heute war ein echter Kampftag.
Boudin Blanc vom Kalbsbries haben wir fabriziert. Zwei Kilo schieres Fleisch von der Kalbskeule, 30% Rückenspeck fein gewolft. Einen Liter angefrorene Milch dran, Macis, Thymian, Majoran, Pfeffer, Meersalz und etwas Amalfizitronenschale.
Rein in den Kutter, sehr fein hacken und anschließend ein Kilo gewürfeltes, vorgekochtes Kalbsbries drunter. Angerichtet wird alles auf Sahne-Sauerkraut.

 

In Sachen Schwein

Die schreibende Zunft verhöhnt nur allzugerne den erfolgreichen (und sehr fleißigen) Gastronomie-Kritiker Jürgen Dollase. Gewiss ist sein Schreibstil nicht gerade freudig hüpfende Lustprosa. Was aber wirklich zählt und was ich für meinen Beruf als sehr wichtig empfinde, das ist die Präzision seiner Definitionen.

Ich selbst stehe ja für völliges Bauchkochen, für’s Intuitive, und trotzdem ist mir eine theoretische Grundierung natürlich unerlässlich. Als ich in Dollases neuem Buch blätterte, war mir schnell bewusst, dass ich manches nicht weiß und Teile meiner Erfahrung in Sachen Schwein von Jürgen Dollase nun genau analysiert und definiert wurden. Ich kann das Buch sehr empfehlen, man weiß hinterher besser, was man tut.

Schwein

 

Spitzpaprika mit Auberginenfüllung

Der große Alain Chapel verbot seinen Schülern das notieren von Rezepten. Ich selbst halte von genauen Rezepten auch nicht viel, da das Geschriebene zwar immer gleich, aber die Umstände des Kochens stets unterschiedlich sind. Deshalb bevorzuge ich ungefähre Anweisungen. Ganz klar, wenn es ums Backen geht, dann ist für Ungeübte eine Waage auf alle Fälle geboten.

Heute beschäftigen wir uns nicht mit Backen, sondern eine E-Mail mit anderen Wünschen kam ins Haus. Gäste waren von unserer Paprikavorspeise sehr angetan und erbaten sich das Rezept. Eigentlich sollte dieses Gericht ja längst von der Karte sein, da es nicht meinem ökologischen Grundrauschen entspricht, Biopaprika zu verwenden, der im Winter ebenso erhältlich ist wie im Sommer der Bioapfel aus Neuseeland.
Zwei Tage hatten wir das Gericht gestrichen und es hagelte Proteste. Jetzt machen wir halt weiter, und hier kommt nun auch für die Fans des Gerichts die gewünschte Küchenanweisung.

Die Spitzpaprika werden mit Öl eingepinselt dann gepfeffert und gesalzen. Wenn ich von Pfeffer spreche, dann nicht von diesem feingemahlenen, sondern ich liebe ihn immer ein bisschen grob. Gewürzt kommen die Spitzpaprika auf ein Blech und dann in den Ofen bis die Früchte weich sind.

Die Auberginenfüllung schmeckt deshalb so gut, weil wir dafür die hellvioletten, runden Früchte nehmen, und nicht die schwarzvioletten mit ihrem zähen Innenleben. Diese Auberginen kommen aus Süditalien und haben einen höchst angenehmen Geschmack, der an Champignons erinnert. Sie essen sich mit zartem Schmelz und sehen sehr hübsch aus. Nicht mehr lange, denn in einem großen Topf mit viel kochendem Wasser verlieren sie ihre Farbe. Man achte darauf, dass sie vielleicht mit einem kleineren Topfdeckel immer unter Wasser gehalten werden.
Mit einer langen Gabel prüft man, ob die Dinger weich sind und nimmt sie dann heraus.
Wir haben nun hässliche verschrumpelte Gebilde vor uns. Etwas abgekühlt wird ihnen die Haut abgezogen und das hellgraue Fleisch grob zerschnitten. Nun kommen feingeschnittene Schalotten mit Butter und etwas Knoblauch in einen Topf. Mit etwas Mehl bestäuben, Thymianblättchen dran und mit den Auberginen auf großem Feuer solange verrühren, bis alles einigermaßen standfest ist.
Pfeffer und Meersalz ist obligat, und um die Freunde des Glutamats zu erfreuen, kommt noch Parmesan dran, der davon viel in natürlich Form in sich hat.

Die Paprika der Länge nach einschlitzen, die Kerne herauskratzen und die Auberginenmasse einfüllen. Mit Parmesan überstreuen und kurz im Ofen gratinieren. Ob man obenauf noch Pesto gibt, das wäre Geschmacksache und eine Frage der Verfügbarkeit.

Spitzpaprika

 

Wohin mit den Resten?

Wieder mal zuviel eingekauft, zuviel gekocht, der Ranzen spannt und der Gulaschtopf ist immer noch halb voll? Der war sowieso bereits zum zweiten mal aufgekocht. Er soll ja dann immer besser werden. Stimmt manchmal, aber nur, wenn der Kühlschranktrödel wirklich gut erhitzt und durch und durch gekocht wurde. Ich kenne Nachbarn, die nach lauwarmem Recycling dubioser Kühlschrankfunde mit Haarausfall in der Klink landeten. Das muss nicht sein.

Alle Gerichte, die bis ins Innerste auf annähernd 100 Grad erhitzt wurden, also Gulasch, Ragouts, Bratenscheiben in Sauce, alle Arten von Suppe, Gemüse, Knödel undsoweiter können, kochend heiß in ein Einweckglas gefüllt, lange aufbewahrt werden. Was man nicht aufgegessen hat kommt also nicht mehr mitsamt dem Topf in den Kühlschrank zur Endlagerung. Eigentlich sollte im Kühlschrank sowieso alles in dicht verschließbaren Gefäßen geparkt werden.

Einweckgläser gibt es in vielen Größen. Viele Gerichte wie z.B. Sauce Bolognese werde erst richtig gut, wenn man größere Mengen kocht. Kein Problem. Für Großfamilien gibt es große Einweckgläser. Für den kleinen Haushalt portionieren wir in saubere Marmeladegläser.

Was man beachten muss ist Folgendes: Die Produkte, die man ins Glas füllt, müssen wirklich durch und durch erhitzt sein, rosa gebratenes Fleisch geht also nicht. Ein Rehragout oder eingemachtes Kalbfleisch, und das praktiziere ich selbst in meiner Profiküche, ist ohne weiteres zwei Monate haltbar. Den erstickten Einweckgeschmack, der von der langen Einkochzeit verursacht würde, den gibt es nicht. So ist unser Gulasch beispielsweise hurtig erwärmt, wenn man spät abends noch etwas schnelles anbieten will. Drei Esslöffel Wasser in den Topf und den Inhalt des Einweckglases obendrauf, aufkochen und fertig. Das Gericht kommt auf den Tisch, als sei es im Moment gekocht. So habe ich immer für lange Zechabende, für spät in der Nacht, ein Lammragout als Vademecum der Ausnüchterung im Kühlschrank.

Diese eingeweckten Gerichte sind übrigens keine Konserven, sondern Präserven, also Halbkonserven, sie müssen aber grundsätzlich sehr kühl gelagert werden.

 

Elitär und preiswert

Alle reden immer von den Star- oder Sterneköchen, entscheidend ist aber auch, wer hinter diesen Männern steckt. Im Hintergund meines Restaurants ist Frau Elisabeth allgegenwärtig. Es gibt dort mehr zu tun, als man vorne sieht. Der puristische Kurs der Küche, der Ausstattung und Räumlichkeiten wird von ihr überwacht. Ich neige nämlich gerne zum Kompromiss und dagegen hält sie nun schon seit 40 Jahren an.

Man könnte sie auch als Gelegenheits-Fleischesserin bezeichnen. Ganz selten isst sie Fleisch, und wenn, dann nur wirklich erstklassiges. Das ist zweifellos elitär aber auch ziemlich preiswert. Zum Beispiel liebt sie Hummer sehr. Ihren letzten aß sie vor vier Jahren an der Bretonischen Küste und der nächste wird gegessen, wenn man mal wieder dort ist, was noch viele Jahre dauern könnte. Wer sich so verhält, bei dem spielt der Fleischpreis eigentlich keine Rolle mehr. Wenn ich von einem exquisiten Ochsenkotelette rede, das 12 Euro kostet, dann geht ein Aufheulen durch Menge. Ja verdammt nochmal, nie redete ich davon, dass man so etwas täglich essen soll. Obwohl ich sozusagen an der Quelle sitze, verspeise ich ein Rumpsteak oder ein Ochsenkotelette vielleicht zwei mal im Jahr. Wirklich große Genüsse halten sich lang im Kopf.

 

Tischkultur ist keine Frage des Geldes

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Wer Kinder hat, der denke immer daran, sie für die Zukunft günstig zu prägen. Bei meinen Großeltern wurden in mir kulturelle Bedürfnisse geweckt und ein gewisser Stil vermittelt. Betrachtet man die Marmeladen-Menage, könnte man wohlhabendes Bürgertum vermuten. Nein, Oma und Opa mütterlicherseits waren immer ziemlich pleite, aber das Fähnlein der Tischkultur wurde hochgehalten.

Deshalb wäre schön, wenn man in diesem Jahr 2010 nicht davon redet, was man sich nicht leisten kann, sondern das, was möglich ist, so gut wie möglich gestaltet.

 

Schweiztour

Über Weihnachten bin ich ein bisschen herumgegondelt. Zu Essen gab es bei der Schweiztour recht viel. Auch sonst konnte ich mir einiges einverleiben.

Tierschutz Schweiz: Wie die Schweizer mit ihren Tieren, notabene mit gutem Fleisch umgehen, davon sind wir Deutschen mehrheitlich Lichtjahre entfernt. Schon klar, es ist ein kleines Land und manches spricht sich schneller herum. Als einst jemand einen Aufruf gegen Käfighühner startete, brauchte es dafür keine Regierung und kein Gesetz. Innerhalb von Wochen kaufte niemand mehr die Quäleier und das Problem war vom Tisch.

Mich führte diesmal der Weg nach Scuol im Unterengadin. Dort entdeckte ich eine Metzgerei von Weltklasse. Sieht man sich die Homepage an, dann weiß man, was ich meine: www.hatecke.ch

Die Metzgerei nennt sich HATECKE und Ludwig Hatecke ist der sympathische Chef. Ein hochintelligenter, weitergereister Schöngeist, der aussieht, als würde er ständig Hollywoodangebote ablehnen.

hatecke

Mit meinem Handy habe ich die Theke aufgenommen. Vorne lagert Fleisch, unglaublich marmoriert und gepflegt präsentiert, dahinter kommen ungefähr acht Sorten Wurst. Die Quertheke beherbergt die wahren Wunder der Metzgerei, nämlich luftgetrocknete Spezialitäten aus den Bergwäldern des Unterengadins, oder beispielsweise Bündnerfleisch von Rindern aus dem Tal.

Was bei uns Bio ist, könnte man im Engadin bei der Tierzucht als den Normalfall sehen. Einen großen Teil tragen die Verbraucher dazu bei. Eine Rote Wurst kostet selbst in einer Berghütte 12 Franken, damit können alle gut leben, auch der Bauer und letztlich das Tier. Übrigens: acht Sorten Wust finde ich genug. Man denke an die Vielfalt des Brotes und was davon wirklich schmeckt.

 

Für starke Nerven

Es ist wichtig, gegen Genmanipulation von pflanzlichen Lebensmitteln zu kämpfen, wenn es aber um’s Tier geht (jetzt soll ja das Klonen erlaubt werden), dann werde ich richtig ungemütlich. So bin ich gerne Mitglied bei Provieh (www.provieh.de).

Von einem engagierten Tierschützer wurde mir die unten angegebene Internetadresse vermittelt. Wer nervenstark ist, kann sich das mal angucken:
http://albert-schweitzer-stiftung.de/tierschutzinfos/tiervideos/earthlings

 

Artgerechte Gänselebererzeugung

Die Italiener werden gerne unterschätzt, und wir Deutschen sind uns unserer Tatkraft und des Fleißes oft allzu sicher. Es gibt aber auch Vieles, was uns verbindet. Gänse dürfen nicht gestopft werden, und glaube ja niemand, die Carabinieri in Norditalien wären weniger scharf als deutsche Polizisten – im Gegenteil.

Jetzt kommt’s: Vor vielen Jahren bereiste ich immer wieder die Lomellina, das Reisanbaugebiet südwestlich von Mailand. So kam ich auch nach Mortara und dort hat man mit Reis gar nichts am Hut. Der ganze Ort kümmert sich um Gänse.

Salami, Schinken, Pasteten, Terrinen u.s.w., alles wird aus gemästeten Gänsen gefertigt. Frische Gänseleber wird dort auch hergestellt. Und was nirgends möglich ist, die Italiener kriegen’s hin: Artgerechte Gänselebererzeugung.
Die letzten sechs Wochen werden die Gänse mit Feigen gefüttert, sie bekommen, soviel sie wollen. Die Gans ist sehr verfressen und die Tiere hauen rein, dass die Leber etwas anschwillt und so viel köstlicher wird als die Quäl-Stopfleberprodukte aus Frankreich und Italien. Warum die Italiener das hinkriegen? Sie sind genauso verfressen wie die Gänse und sind bereit, je nach Geldbeutel, auf manchen Konsum zu verzichten und das gute Essen vornan zu stellen.

Klar, Gänseleber isst man nicht alle Tage und in Italien schon gar nicht. Da aber dort nicht jeden Tag ein Tierteil auf den Teller kommt, ist man, wenn es gilt, großzügig, achtet auf Qualität und zahlt dann auch dementsprechend. Sobald es wärmer wird, werde ich mich auf meine „Macchina“ schwingen und nach Mortara brausen, denn bevor ich etwas koche, will ich wissen, wie es beim Produzenten zugeht.

Übrigens, den Tipp habe ich von Heinrich Götzenberger, Executiv-Chef beim Feinkost Böhm in Stuttgart. Wer mal dort war, oder auch in der Markthalle, der bekommt tiefe Einblicke in die schwäbische Seele: „Mir möget alles, blos koin Gruscht!“