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Zschäpe wird die Justiz nicht besiegen

 

Beate Zschäpe hat ihre eigenen Anwälte nur angezeigt, um den NSU-Prozess zu torpedieren. Doch bisher wirbelt sie lediglich Staub auf, das Gericht lässt sich davon zum Glück nicht aus der Ruhe bringen. 

Man muss sich nur anschauen, wie Beate Zschäpe ihre neueste Finte gegen ihre eigenen Anwälte und damit gegen den NSU-Prozess begründet, um zu erkennen, dass sie kaum gute Argumente auf ihrer Seite hat. Sie hat bei der Staatsanwaltschaft München I Anzeige gegen ihre Pflichtverteidiger Anja Sturm, Wolfgang Stahl und Wolfgang Heer eingereicht wegen der vermeintlichen Verletzung von Privatgeheimnissen, strafbar nach Paragraf 203 im Strafgesetzbuch. Die drei, so Zschäpe, hätten dem Richter Manfred Götzl mitgeteilt, dass sie Zschäpe nicht verboten hätten, sich in der Verhandlung zu äußern. Das war der Hauptangeklagten im NSU-Prozess schon zu viel.

Auch wenn der Staatsanwaltschaft die juristische Beurteilung zusteht, von einem echten Geheimnis lässt sich kaum sprechen. Klar, Zschäpe darf sich wehren, soll sich wehren, wenn ihre Pflichtverteidiger Vertrauliches verraten. Kein Angeklagter darf der Justiz ohnmächtig ausgeliefert sein, Spielball sein in einem Apparat, in dem er nicht einmal seinen Anwälten vertrauen kann.

Doch umgekehrt gilt auch: Ein Prozess darf nicht von einer Angeklagten gesprengt werden, weil diese mit ihren Vertretern im Clinch liegt. Waffengleichheit vor dem Richter bedeutet nicht, dass ein Beschuldigter auf dem Weg ins Gefängnis die Justiz mit einer Flut bürokratischer Kniffe lähmt. Das aber ist es, was Zschäpe versucht.

Das Beruhigende: Sie kann Sturm, Stahl und Heer derzeit attackieren, so viel sie möchte – im Gerichtssaal bewirken ihre Manöver fast nichts. Der Prozess werde auch bei einer laufenden Anzeige normal weitergehen, sagte Gerichtssprecherin Andrea Titz ZEIT ONLINE. Dreimal schon hat Zschäpe in Anträgen an die Richter behauptet, sie vertraue allen oder einzelnen der drei Anwälte nicht mehr, um sie loszuwerden. Zweimal wurden ihre Gesuche bereits abgelehnt, über das dritte dürfte in Kürze genauso entschieden werden.

Nach dem ersten Antrag, den Anwälten das Mandat zu entziehen, wurde der Prozess für genau zwei Tage unterbrochen. Schon der zweite Antrag war dem Gericht gar keine Unterbrechung mehr wert. Der stoische Richter Götzl will das Verfahren ohne Störungen zum Urteil bringen. Auch er hat unveräußerliche Rechte – etwa das, den schon zwei Jahre dauernden Terrorprozess nicht zur Justizshow von Zschäpe verkommen zu lassen, die nichts mehr zu verlieren hat. Götzl ist ein erfahrener Jurist, der schnell merkt, wenn das Verhalten eines Angeklagten nichts mehr mit der Sache zu tun hat, sondern ein Akt der Hilflosigkeit ist.

Übrigens äußerte sich Zschäpe selbst, die ja anders als ihre Anwälte keine berufliche Geheimnisträgerin ist, in der Vergangenheit umfangreich zu Gesprächen mit den Verteidigern. Einem Gerichtspsychiater vertraute sie an, dass sie mit den dreien das Schweigen in der Verhandlung vereinbart hatte. Genau das also, was sie nun den Verteidigern als Geheimnisverrat vorwirft. In einem Brief an Götzl zitierte sie sätzelang aus einem Brief von Sturm, Stahl und Heer und gab Gesprächspassagen wieder. Und nun stört sie sich an einer fast beiläufigen Äußerung ihres Anwalts? Das lässt auf die wahre Natur der Anzeige schließen.

Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass die Anzeige oder ein weiterer Antrag auf Entlassung der Anwälte den Prozess sprengen. Bislang weiß sich die Justiz zu wehren.