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Beate Zschäpe: Nervös, aber in Redelaune – Das Medienlog vom Dienstag, 8. Dezember 2015

 

Die NSU-Nachrichten des gestrigen Tages, chronologisch: Beate Zschäpe will umfassend aussagen. Beate Zschäpe will erst am Mittwoch aussagen. Beate Zschäpe erlitt einen Nervenzusammenbruch – und ihr neuer Anwalt Hermann Borchert bat das Gericht, die Verhandlung am Donnerstag abzusagen.

Kommt es dazu, bleibt es zunächst bei einer eintägigen Aussage. „Ob sich die Richter darauf einlassen werden, ist eine andere Frage. Das hängt auch von der Einschätzung eines Arztes ab“, merkt Tanjev Schultz von der Süddeutschen Zeitung an. Zschäpes Anwalt Mathias Grasel, der die schriftliche Aussage verlesen soll, teilte Medien mit, es habe „Vorfälle“ in der Untersuchungshaft gegeben. Den Zusammenbruch bestätigte er nicht.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Weitergehende Informationen von Spiegel Online besagen, dass der von Borchert gestellte Antrag Grundlage eines neuen Entlassungsantrags gegen Zschäpes drei Altverteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm sein soll.

Warum aber will Zschäpe überhaupt aussagen? „Kurz vor der Aussage der Hauptangeklagten im Münchner NSU-Prozess wird getrommelt, gestichelt und spekuliert“, bemerkt Per Hinrichs von der Welt. Klar sei mittlerweile: „Die Rolle der ‚reuigen Sünderin‘, die Buße tut und ihre Lebensbeichte der vergangenen 20 Jahre ablegt, wird Zschäpe nicht annehmen.“ Womöglich störe sie sich eher daran, dass nicht jede Tat in der Anklageschrift präzise wiedergegeben wird. Ob Grasels Vortrag die Vorwürfe entkräften kann, sei ungewiss.

Der Anwalt hatte angekündigt, Zschäpe werde zu jedem einzelnen Anklagepunkt Stellung nehmen. „Es wird in der Erklärung genau dargestellt, was sie von den Aktionen gewusst hat und was nicht“, sagte er der SZ. Er habe das Dokument nach ihren Angaben verfasst.

Will Zschäpe umfassend reinen Tisch machen, sogar zur Aufklärung der rechtsextremen Serie aus zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen beitragen, muss sie auch umfangreich über das Netzwerk sprechen, das dem NSU bei seinem Leben im Untergrund half. Auch der Verfassungsschutz könnte ein Thema sein. Fünf Fragen, die Zschäpe unbedingt beantworten sollte, haben wir in einer Übersicht auf ZEIT ONLINE zusammengetragen. Mögliche Inhalte der Erklärung listet auch Karin Truscheit von der FAZ auf. Demnach könnte Zschäpe die Mitangeklagten Ralf Wohlleben und André E. entlasten.

Erwartet wird die Aussage der Hauptangeklagten vor allem von den Nebenklägern, den Angehörigen der NSU-Opfer. Doch hoch sind ihre Erwartungen nicht unbedingt: „Warum macht sie das erst jetzt? Warum hat sie dann solange nichts gesagt und uns alle mit unseren quälenden Fragen ohne Antworten gelassen“, fragt Gamze Kubaşık, Tochter des 2005 in Dortmund erschossenen Mehmet Kubaşık, im Interview mit dem Tagesspiegel. Würde sich die Angeklagte reumütig zeigen, käme dies „reichlich spät“.

Das aktuelle Wissen über Taten und Hintergründe der NSU-Serie stellt dieser Artikel in der Deutschen Welle noch einmal zusammen.

Das nächste Medienlog erscheint am Mittwoch, 9. Dezember 2015.