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Für den Weltfrieden

Es soll ja Leute geben, die haben so viel Geld, dass sie gar nicht mehr wissen wohin damit. Erstmal ein äußerst beneidenswerter Zustand, aber das kann ja auch schnell langweilig werden. Wir wissen nicht, ob es dem Herren Nassiri so ergangen ist, vielleicht ist er auch einfach ein unfassbar guter Mensch. Der amerikanische Multimillionär iranischer Herkunft pilgert nun jedenfalls im fortgeschrittenen Alter (64) mit seiner Friedenshymne „Love sees no colour“ durch die Länder dieser Welt und trifft einflussreiche Menschen wie Nelson Mandela oder den Papst.
Gerade hat er in Ägypten, Palästina und Israel Teile seines Musikvideos gefilmt, morgen dreht er in Berlin, danach geht es weiter nach Russland, China und in weitere 6 Länder. Locations sind symbolträchtige Orte wie das Taj Mahal, die große Mauer oder das Brandenburger Tor. Gemeinsam mit Kindern der verschiedenen Nationen singt er den Refrain seines Liedes in der jeweiligen Landessprache und will so seine Botschaft für den Weltfrieden rund um den Globus schicken.
Ein ehrgeiziges Projekt, aber praktischerweise spielt Geld ja keine Rolle. Wer sich das Spektakel anschauen möchte, der begebe sich morgen (Freitag) gegen 14:30 unauffällig zum Brandenburger Tor.

Hier erklärt Herr Nassiri persönlich seine Vision.

Wünschen wir uns nicht alle ein bisschen den Weltfrieden?

 

Musik aus Neuseeland

Das Land am anderen Ende der Welt, irgendwo da unten zwischen Australien und der Datumsgrenze, ist bei uns nicht unbedingt Synonym für 1a Musik. Sondern für Natur, Wandern und, Peter Jackson sei dank, phantastische Filme. Damit tun wir den Kiwis aber unrecht. Aber ganz schön! Ich gebe zu, ich war gerade längere Zeit down under und habe mich dabei natürlich unweigerlich mit dem äußerst ansteckenden Neuseeland-Virus infiziert. Viel Kiwi-Kultur findet sich in Berlin leider nicht. Aber natürlich hat sich auch bis down under herumgesprochen, dass Berlin rockt und jede Kiwi-Band, die durch Europa tourt, gibt mindestens einen Gig bei uns.

The Datsuns rocken auch, aber hallo!, und am Sonntag tun sie das im Lido. Das Konzert lohnt sich also auch für alle, die keine Neuseeland-Addicts sind und auf lustige Ansagen in Kiwi-Englisch hoffen. Und auf jede Menge echte Kiwis im Publikum. Eeeeeexellent!

The Datsuns, 8.10. ab 21 Uhr im Lido, Cuvrystr. 7. Die Karten kosten ca. 17 Euro.

www.thedatsuns.com/

 

Die Deutsche Oper knickt ein

Aus Angst vor möglichen islamistischen Protesten hat die Deutsche Oper in Berlin die Mozart-Oper „Idomeneo“ aus dem Programm genommen. Die ab 5. November geplante Wiederaufnahme des Werks ist soeben vom Spielplan gestrichen worden. In der Oper geht es um den Aufstand der Menschen gegen die Götter. Im Epilog zieht der Titelheld aus einem blutigen Sack die enthaupteten Köpfe von Poseidon, Jesus, Budda und Mohammed.

Das ist übrigens kein Witz, sondern wird hierorts den heutigen von allen Nachrichtenagenturen verbreitet.

Wenn man jetzt noch wüsste, vor wem die Deutsche Oper am meisten Angst hat: Vor den alten Griechen, wütenden Christen, den bekanntermaßen brandgefährlichen Buddhisten oder dem Islam? Schwierige, sehr sehr schwierige Frage.

Könnte eine Marktlücke für Versicherungen werden: Spezielle Kultur-Außendienstler für Theater und Konzerthäuser, die sämtliche Werke seit der Steinzeit auf potenziell religiöse Gefühle verletzende Stellen durchforsten.

 

Schnauzbärtige Kettenraucher kucken!

Cineastische Bildungslücken können derzeit im Kino Blow Up gestopft werden: Das Off-Kino in der Immanuelkirchstraße holt die alten Filme des finnischen Regisseurs Aki Kaurismäki zurück auf die Leinwand. Noch bis zum 04.10. läuft „Schatten im Paradies“, danach jeweils für zwei Wochen: „Hamlet goes Business“, „Ariel“, „Leningrad Cowboys go America“, „I hired a contract killer“, „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“ und „Das Leben der Bohème“.

Die Hauptdarsteller in den meisten Filmen rauchen wie die Schlote, meist geht es darum, wie Leute mit miesen oder gar keinen Jobs, merkwürdigen Frisuren, hässlichen Wohnungen und ungesunden Trinkgewohnheiten erst einmal gar nicht und am Ende doch noch zueinander finden und sich ansonsten irgendwie durch ihr Leben lavieren. Und eines sind die Filme sicherlich nicht: dialoglastig. Im Gegenteil – die drei, vier Sätze lohnen das Synchronisieren nicht, so dass man sich an Finnisch mit Untertiteln erfreuen kann, wenn denn mal gesprochen wird. Meist schauen Kati Outinen (die Hauptdarstellerin in den meisten Filmen) und Matti Pellonpää (der besagte Bart- und Zigarettenträger) nur durch die verschmierten Scheiben von sonderbaren Autos, ausgesucht ungemütlichen Bars oder ausnahmsweise mal das jeweilige Gegenüber an, machen dabei aber nie viele Worte.

Kaurismäkis Finnland (oder im „Killer“: England) ist nicht besonders anheimelnd, meist düster, oft verregnet und morbide. Es geht nicht um das Portrait von Menschen am Rande der Gesellschaft – weil die Gesellschaft eigentlich sowieso nur aus Rand besteht, und die Leute mal weniger, mal stärker über dem Abgrund hängen, sich letztlich aber doch noch immer irgendwie wieder fangen. Und genau das ist auch der Grund, weshalb man zu Beginn der hässlichsten Berliner Jahreszeit unbedingt ins Blow Up gehen sollte und mit vielen, vielen leeren Kinosesseln um sich herum Kaurismäki kucken sollte.

 

Warum wir wählen gehen sollten.

Die zitty titelt in der aktuellen Ausgabe: „Darum gehen wir nicht mehr wählen“. Was auch immer die Antworten sein mögen, das Nichtwählen wäre in diesem Jahr ganz besonders dämlich, denn in diesem Jahr bekommen wir einen vierten Stimmzettel, der die Teilnahme an einer Volksabstimmung erlaubt: Es geht um nicht weniger als eine Verfassungsänderung.

Artikel 62 und 63 der Berliner Landesverfassung könnten geändert werden. Diese beiden Artikel regeln die Bestimmungen zu Volksbegehren bzw. Volksentscheiden. Ein Volksbegehren ist damit bereits angenommen, wenn 20.000 Unterschriften (statt bisher 25.000) zusammengekommen sind. Die genauen Fassungen von Arikel 62 und 63 sind hier nachzulesen.

Wählen lohnt sich diesmal wirklich.

 

Wie sieht Gott aus?

UPDATE: UND SO WAR’S DA.

Warum gibt es in meinem Supermarkt andauernd einen so genannten „Storno“? Wie belpt man einen Rodiot? Gibt es das Perpetuum Mobile doch? Fragen dieser Art werden am kommenden Samstag auf dem Bebelplatz geklärt. 112 hochdekorierte Wissenschaftler aus aller Welt werden simultan 100 dergestalt existenzialistischer Fragen gleichzeitig beantworten, gefilmt von 112 Videokameras. Krank? Klasse! Das Projekt wird unter www.droppingknowledge.org online begleitet und von meiner Kollegin Juliette Guttmann besucht. Am Sonntag also mal unter www.zeit.de reinschauen und den Artikel genießen.

 

Pimientos de Padrón – und das in Berlin!

Hier stelle ich in loser Folge Restaurants vor, die mir gefallen. Ich betone ausdrücklich, dass die genannten Restaurants für diese Rezensionen kein Geld bezahlen und ich auch ansonsten weder privat noch dienstlich mit den Besitzern jener Restaurant verbandelt bin. Ich geh einfach gerne da hin. Punkt.

Mit spanischen Tapas ist das ja so eine Sache: Wer Tapas genießen will kann das nur in einem Restaurant, das gut läuft. Der Durchsatz an Speisen muss hoch sein, ansonsten besteht das Risiko, dass der Koch des Abends die Tapas-Schälchen aus der Vitrine in die Kühlung stellt, am nächsten Tag kurz dran schnuppert, und wenn es nicht allzu seifig oder fischig riecht, kommen die Waren wieder in die Vitrine. So lange, bis sie aufgebraucht oder verdorben sind. Brrr.

Vor derlei Unbill ist man im „Tapas y más“ mit Sicherheit geschützt, zumindest in der Schöneberger Filiale, denn diese wurde gestern eingehend inspiziert. Man betritt das Lokal und staunt: Es ist Sonntag, 19 Uhr, und der Laden ist bis auf zwei Tische voll. Ein gutes Zeichen. Wir bestellen quer durch die Karte: Brot mit zauberhaft-sämiger Aioli, Canarische Kartoffeln mit einer Mojo, wie ich sie noch nie erlebt habe: Cremig, mild und doch mit zartem Schärfeprickeln auf der Zunge, eine große Portion Pimientos de Padron, das sind kleine Paprikaschoten aus der Region Padrón, geschmacklich zwischen grüner Paprika und milder Pepperoni liegend. Sie werden 2-3 Minuten frittiert (ohne Panade) und danach mit grobem Meersalz bestreut – himmlisch!!

Weiter mit einer Fisch- und Meeresfrüchte-Paella. Und wieder: Begeisterung. Alle Zutaten superfrisch, die Palla kommt stilecht in der schwarzen Pfanne mit Stiel. Ebenfalls ein Klassiker der spanischen Küche: Die Hühnerbrust, gefüllt mit Manchego und Serrano-Schinken. Serviert auf einem riesigen Teller mit handgeschnitzten Kartoffelspalten und einer leicht scharfen Paprika-Honig-Tunke. Wir sind begeistert!

Winziger Wermutstropfen: Der glasweise ausgeschenkte Preferido aus Rioja enttäuscht ein wenig, vielleicht sollte man beim nächsten Mal auf einen Flaschenwein aus der kleinen Weinkarte ausweichen.

Der Service ist flink, sehr freundlich und humorvoll und so empfehlen wir den Besuch ausdrücklich, werden sicherlich noch oft hierhin zurückkehren und uns weiter quer durch die Speisekarte futtern.


TAPAS Y MAS
Rheinstr. 32
12161 Berlin
(030) 8529422
tgl. ab 17 Uhr
EC-Karte, keine Kreditkarten
www.tapasymas-berlin.de

 

Ruhige Klänge aus Schweden

Aus Schweden kommen gerade eine Menge wunderbarer Bands, die einfach göttergleich rocken. Das hat sich mittlerweile ja auch in Deutschland rumgesprochen, Gottseidank, ich hatte die ABBA-Witze echt über, kaum dass ich auf „gute schwedische Musik“ zu sprechen kam. Ich sag nur: Ceasars! The Hives! Mando Diao! The Ark! Weeping Willows! The Sounds! Shout out Louds! Sugar Plum Fairy!
Auch die noch viel göttergleicheren KENT kamen, allerdings lange vor dem großen Schweden-Hype, nach Deutschland, doch nur einige wenige besuchten ihre Konzerte, während sie in Skandinavien bereits vor Tausenden spielten und für ihre Alben jede Menge Grammys absahnten. Also sangen KENT danach wieder auf schwedisch statt englisch, ihre Musik ist aber immernoch einfach wunderbar und wenn man sie live sehen will, muss man eben nach Schweden fahren. Ich also mit meinem Süßen (der KENT bereits hautnah live erlebt hat! Wieviel Neid verkraftet eigentlich eine Beziehung?) für ein langes Wochenende nach Stockholm. Die Stadt an sich ist schon ein Traum, aber das ist eine andere Geschichte. Das Konzert hatte Gänsehautfaktor 10, auch wenn ich kein Wort verstanden habe, und, wie befremdlich, nicht wie alle anderen lauthals mitsingen konnte.
Genauso mitreißend war auch die Vorband, die gar keine Band war, sondern eine Frau mit Klavier, die recht verloren auf der riesigen Bühne mit dem Rücken zum Publikum saß. Oha, dachte ich noch, da wartet eine zehntausendköpfige Meute darauf, ordentlich zu rocken, die wird’s nicht leicht haben. Doch schon beim ersten Stück war die Skepsis vergessen: Rauhe, markante Stimme, melancholische, ruhige Songs, aber weit und breit kein Pathos oder Kitsch. Wow!
Anna Ternheim heißt die 28-jährige Musikerin und weil ihr Album „Somebody Outside“ jetzt auch in Deutschland erschienen ist, muss man keine Reise nach Schweden mehr machen, um sie live erleben zu können. Unbedingt hingehen!
KENT-Alben kann man übrigens auch außerhalb Schwedens käuflich erwerben. „Isola“ (1998) und „Hagnesta Hill“ (2000) heißen jene, die auch auf englisch erschienen sind. Aber auch die schwedischen lohnen sich. Kaufen, kaufen, kaufen! Vielleicht überlegen die Jungs sich ja dann, dass es mal wieder an der Zeit wär für eine Konzerttour nach Deutschland?

Anna Ternheim, 2.8., 21 Uhr, Kalkscheune. Karten 17,50 Euro.