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Berlinale: Close to Home

Eine Gastrezension von Yvonne Otter

Der Film „Close to Home“ (“Karov la bayit”) zeigt den Alltag von zwei jungen israelischen Soldatinnen bei ihrem Militärdienst in ihrer Heimatstadt Jerusalem. Da gibt es Druck von oben, Auflehnung dagegen, Kuschen aus Bequemlichkeit oder Pflichtbewusstsein und vor allem Durchmogeln, wo es nur geht, wie wohl in jeder Armee. Das Besondere an dem Film sind aber die zwei überzeugenden Schauspielerinnen, die einem sehr unterhaltsam ihrem Alltag vorführen. Eigentlich patroullieren sie durch Jerusalem und kontrollieren Palästinenser, meistens aber beschäftigen sie sich mit dem, was die meisten in ihrem Alter interessiert: Handy, Rauchen, Mode, Jungs. Es kommt auch zu einem Anschlag, dem, wodurch uns hier das Land Israel ständig präsent ist.

Der Film will nichts erklären, er zeigt nur aus der Nähe einen Ausschnitt, wie wir ihn in den Medien nur von fern zu sehen kriegen. Nach dem Film hasst man keine Palästinenser und keine Juden, man kann sich aber das Leben beider viel besser vorstellen.


Karov la bayit
Close to Home

Israel, 2005, 90 min
Regie: Dalia Hager, Vidi Bilu
Darsteller: Smadar Sayar, Naama Schendar, Irit Suki, Katia Zimbris
Sektion: Forum

 

Berlinale: De particulier à particulier

Was für ein im wahrsten Sinne des Wortes phantastischer Film! Das Mittdreißigerpaar Philippe und Marion aus Paris hat seine zwei Kinder zu den Großeltern gegeben und plant eine Reise nach Venedig. Doch auf einem Zubringerbahnhof fällt ihnen die geheimnisvolle Tasche eines Syrers mit einem schwer leserlichen Namensschild („Hotel Harabati?!“) in die Hände, die voller Geld ist. Sie beschließen die Reise nicht zu unternehmen, erzählen aber allen Bekannten und Familienmitgliedern, sie hätten die Reise doch gemacht. So weit, so linear.

Doch dann bricht die Geschichte auseinander. Marion holt Fotos vom Entwickeln ab und stellt fest, dass unter ihre Aufnahmen auch Aufnahmen aus Venedig gemischt sind. Waren sie doch in Venedig? Zur gleichen Zeit glaubt Philippe überall in der Stadt den geheimnisvollen Syrer zu sehen, dem die Tasche gehört.

Es folgt eine schleichende Dekonstruktion der Protagonisten und eine Entfremdung beider voneinander, die dafür sorgt, dass Marion sich mit den gemeinsamen Kindern zu Hause einigelt und Philippe sich mit einem jüdischen Opernsänger anfreundet. Doch plötzlich finden sie wieder zusammen – auf einem mysteriösen Berg. Mehr möchte ich nicht erzählen und mehr muss auch nicht erzählt werden.

Der Film ist ein tragisches und dabei oft berückend komisches Kaleidoskop, das in vielen Farben schimmert. An vielen Stellen bröckeln die Übergänge, wird vorher gezeigtes oder gesagtes revidiert, neu beleuchtet. Handelt es sich bei den Venedig-Fotos um eine schlichte Verwechslung? Schließlich war der Fotoladen ziemlich unordentlich. Ebenso das gefundene Geld in der Tasche, es sieht zunächst beeindruckend aus, entpuppt sich aber später als nahezu wertlos, da es sich um eine inflationäre Währung handelt. Oder die eingebettete Filmszene aus einer TV-Vorabendserie: Marion wird zunächst gezeigt, als sie diese Szene nachvertont (sie ist Synchronsprecherin), was viel Komik hat. Später im Film – als das Paar vorübergehend getrennt lebt – sieht Philippe ebendiese Szene beim abendlichen Herumzappen, hört die Stimme seiner Frau zu dem Gesicht einer amerikanischen C-Movie-Schauspielerin -und fängt an zu weinen.

Gibt es eine Message? Nein, viele. Es wird gezeigt, dass es immer mehrere Wahrheiten gibt. Dass vieles im Leben mehrdeutig ist. Eindrucksvoll wird die Familie als Keimzelle schönster und grausamster Emotionen gezeigt. Es gibt unfassbar schöne, intime Szenen, als die Familie gegen die Außenwelt zusammenrückt. Es gibt die stetig als Basso Continuo mitlaufende Bedrohung durch den zunehmenden Terrorismus (ein visionäres Drehbuch, es entstand deutlich vor dem 11. September 2001). Es geht um das Geheimnis Beziehung und ihren stets möglichen Wandel von Entfremdung zu tiefer Neubindung. Dieser Film hat mich sehr bewegt.

Der Regisseur war anwesend, obwohl es sich um eine Wiederholung handelte – und obwohl es sein 40. Geburtstag war.

 

Elementare Enttäuschung

Kaum ein Film wurde mit so einer Mischung aus Spannung und Skepsis erwartet wie die Verfilmung des Romans „Elementarteilchen“ von Michel Houellebecq. Das Buch sorgte für reichlich Aufsehen, nicht zuletzt wegen seiner drastischen Sprache, ätzenden Gesellschaftskritik und derben Sexszenen. Regisseur Oskar Roehler, der mit Filmen wie „Suck My Dick“ ebenfalls gerne im Fahrwasser der kalkulierten Skandale unterwegs ist, wagte sich an die Umsetzung des schwierigen Buches. Die deutsche Verfilmung des Romans feiert nun bei der diesjährigen Berlinale ihre Weltpremiere.

Zwei Halbbrüder führen ein Leben, wie es unterschiedlicher nicht sein könnte. Brunos Alltag wird von seiner Sexbesessenheit bestimmt. Michael hingegen führt das Leben eines vergeistigten Wissenschaftlers. Körperliche Nähe meidet er. Seine Obsession ist die Erschaffung eines neuen Menschentyps, der sich geschlechtslos durch Klonen fortpflanzt. Im Buch endet die Geschichte tragisch. Roehler macht dagegen aus der bissigen Gesellschaftskritik von Houellebecq einen relativ zahmen Film über Beziehungsprobleme mit Happy End.

Die Besetzungsliste ist ein Who-is-Who des etablierten deutschen Films: Moritz Bleibtreu, Martina Gedeck, Corinna Harfouch, Nina Hoss, Franka Potente, Uwe Ochsenknecht, Jasmin Tabatabai, Christian Ulmen und Herbert Knaup. Kann das den Film retten? – Nein! Das Buch schreit jedoch nach einer unkonventionelleren Verfilmung: Michael Hanecke hat mit seiner „Klavierspielerin“ ein ebenfalls sehr kontroverses Buch überzeugend umgesetzt und gezeigt, dass ein Film an einer schwierigen Vorlage nicht scheitern muss!

Wer möchte, kann den Film ab dem 23. Februar in den deutschen Kinos sehen. Und anschließend vom Buch positiv überrascht sein!

 

Wenn aus Pech Glück wird

Erster Tag der Berlinale; am Ticket-Counter: Ich erfuhr, dass das Akkreditiertenkontingent für den nächsten Tag „leider-leider“erschöpft sei. Verärgert, aber mit dem festen Vorsatz, am nächsten Tag schon um 8:30 am Schalter zu sein, ging ich hinaus – eine einzige Karte in der Hand. Mir blieb nichts anderes übrig, als die Berlinale 2006 mit einer Dokumentation anzufangen. Sie trug den Titel „Humbert Balsan“.

Im Filmpalast-Berlin hatten sich allerdings erstaunlich viele Kameraleute und Photographen versammelt. Festivaldirektor Dieter Kosslik sagte den Film persönlich an und betonte seine innere Verbindung zu Humbert Balsan, einem der erfolgreichsten Filmproduzenten Frankreichs. Humbert Balsan war vor einem Jahr gestorben. Er arbeitete an über 60 Produktionen mit, unter anderem „Jefferson in Paris“, „Martha, Martha“ oder „Manderlay“. Die Nachricht über den Selbstmord Balsans, den er im Zuge starker Depressionen begangen hatte, erreichte Kosslik während der rauschenden Berlinale 2005. In diesem Jahr widmeten die Filmfestorganisatoren ihrem Kollegen und Freund Humbert Balsan nun eine ganz persönliche Veranstaltung.

Es wurde viel geredet, auch auf Französisch. Man dankte der französischen Prominenz Berlins und den Anwesenden, Schauspielerin Martina Gedeck war auch darunter. Nach dem Dokumentarfilm zu Balsans Leben und Werk folgte seine letzte Arbeit „Un ami parfait“ (Regie: Francis Girod). Anschließend waren die Zuschauer in die Französische Botschaft geladen.

Die mir aufgezwungene Dokumentation entpuppte sich also als persönliche, sehr herzliche Veranstaltung. Ich verwarf meinen Entschluss, am nächsten Tag früh aufzustehen und mich auf die glanzvollen Veranstaltungen des Festivals zu stürzen. Die Berlinale hat viel mehr zu bieten.

 

Mein Bärenfavorit

Den besten Film auf der Berlinale habe ich gestern im Urania-Filmpalast gesehen. „Slumming“ von Michael Glawogger – Weltpremiere auf der Berlinale – ist auch Anwärter auf den Goldenen Bären. Um so einen Film zu machen, muss man entweder verrückt oder ein Österreicher sein. Wie kamen nur Barbara Albert („Böse Zellen“) – den meisten durch die Coop 99 bekannt – und Michael Glaggower („Megacities“) in ihrem Drehbuch auf solche Einfälle?!

Sebastian erinnert an den Helden aus „Muxmäuschenstill“. Er ist voller Tatendrang. Obwohl er Geld hat, zieht er mit seinem besten Freund Alex durch die dreckigsten Absteigen Wiens. Sie verbringen ihre Zeit gerne in türkischen Lokalen, Spielotheken, heruntergekommen Kneipen oder manchmal auch nur in den Abgründen des Internets. Das nennt Sebastian ‚Slumming’ – in den Slum gehen. Seine Philosophie: Nur im Slum kann man Mensch sein und zu sich selbst finden. Sein Ich findet Sebastian aber schließlich doch nicht in Kneipen und Chatrooms. Das Ticket für die Reise zu sich selbst bekommt Sebastian – ganz banal – durch die Liebe geschenkt.

„Slumming“ ist eine wunderbar schwarze Komödie. Der Zuschauer weiß allerdings nie so recht, ob er über die arroganten und provokativen Einfälle des Protagonisten lachen – oder sich empören soll. An einigen Stellen droht die Geschichte zu entgleisen, doch Glawogger rettet immer wieder mit unerwarteten Wendungen. Bemerkenswert: die schauspielerische Leistung von August Diehl als Sebastian.

Ich bin auf die Jury-Entscheidung sehr gespannt!

 

Zur Chronik der Berlinale

Zu den besonderen Highlights der Berlinale in der Sektion Retrospektive zählte die Stummfilmvorführung „Zur Chronik von Grieshaus“ (1923-1925). Vor genau 61 Jahren, am 11. Februar 1925, wurde der Film des Regisseurs Arthur von Gerlach in Berlin uraufgeführt. Im Rahmen der Berlinale erlebte nun die restaurierte Fassung ihre deutsche Premiere.

Angekündigt als ein Heimatfilm und trotz des wenig publikumswirksamen Titels nach einer Novelle von Theodor Storm zog die Veranstaltung trotzdem erstaunlich viele Zuschauer an.

Es geht um den Erbstreit zwischen zwei Brüdern und letzten Endes um den Zerfall der adligen Familie Grieshaus. Der eigentliche Hintergrund für die Vorführung aber war, dass man die Filmrestaurierung und Digitalisierung unterstützen und damit bis dahin in Archiven verstaubende Filme wieder zugänglich machen will. So waren unter den Zuschauern viele bekannte Gesichter aus dem Bundesarchiv-Filmarchiv, dem Filmmuseum Berlin, der
Murnau-Stiftung, dem Deutschem Filminstitut (DIF) und Cinegraph versammelt. Man feierte sich selbst und die gemeinsame Arbeit.

Ein Genuss war auf jeden Fall die Musik: Stefan von Bothmer begleitete den Abend mit seinen Interpretationen am Klavier und machte den etwas zu lang geratenen Film zu einem einzigartigen Erlebnis. Mehr zu Stefan von Bothmers Stummfilmkonzerten erfahren Sie unter www.bothmer-music.de

 

Berlinale: HET SCHNITZELPARADIJS

Einer der skurrilsten und liebenswertesten Filme, die mir in der letzten Zeit untergekommen sind. Der Marrokaner Nordip jobbt in einem unfassbar trostlosen Hotelrestaurant als Tellerwäscher, verliebt sich in die Nichte der Besitzerin und fliegt aus dem Job, als die Besitzerin das spitzkriegt, denn auch sie ist schwer in Nordip verknallt.

Das klingt nach einer der zahlreichen, mittelkomischen Immigrantenkomödien, die gerade sehr en vogue sind, doch – und so betonte es der Regisseur auch beim abschließenden Q&A – hier geht es weniger um das Thema „Multikulti“, sondern hauptsächlich darum, das unglaublich anstregende Schuften in einer Großküche zu persiflieren. Das Küchenteam, bestehend aus unappetitlichen, zynischen, gleichsam buckelnden wie tretenden – aber trotzdem fast durchgängig liebenswerten Chargen, sollte eigentlich komplett für den goldenen Bären nominiert werden.

Regisseur Martin Koolhoven hat einen enorm abwechslungsreichen Stall junger, unverbrauchter Darsteller aus allen Kulturkreisen zusammengetrommelt, die in aberwitziger Komik und unglaublichem Tempo agieren. Der Film ist vollgepackt mit Dialogwitz, böser Satire und wunderbaren Pointen. Die Hauptdarsteller Mounir Valentyn und die an Erotik schwer zu überbietende Bracha van Doesburgh [seufz] sind schlichtweg grandios.

Mehr Infos zum Film hier. Wenn sich für diesen Film kein deutscher Verleih findet, werde ich richtig sauer.

Läuft noch am 16.02. um 17:00 im Zoo Palast 4 und am 18.02. um 18:00 im Colosseum 1.
Sehr empfehlenswert.

 

„Babylonia“

Nachdem ich Ewigkeiten in den Menschenmassen im Berlinalepalast gestanden habe und fast die Hoffnung auf einen der begehrten Plätze für die Deutschlandpremiere von „Syriana“ verloren habe, nachdem ich zwei Minuten vom Filmbeginn unzählige Treppen steigen musste, bin ich endlich an der obersten Balkonreihe des riesigen Kinosaals angekommen.

„Geschafft!“, so dachte ich auch nach dem Film. Stephen Gaghan („Traffic“) präsentiert mit seinem diesjährigen Wettbewerbsbeitrag wieder eine weltumspannende Handlung, die scheinbar beliebig zwischen Schauplätzen in Saudi Arabien, Beirut, Genf, Texas und Marbella wechselt. Das Puzzle aus Intrigen, Gewalt und Korruption ergibt zunächst für den Zuschauer wenig Sinn und es fällt schwer, den Szenenwechseln und der babylonischen Sprachvielfalt des Films zu folgen. Das Milliardengeschäft mit Öl zieht sich als roter Faden durch alle Episoden: Sowohl auf wirtschaftlicher, politischer als auch auf privater Ebene kennt es keine Skrupel.

Nicht wenige werden sich aber eher für das Staraufgebot des Films begeistern können. Neben Matt Damon präsentiert sich George Clooney in der Rolle eines alternden CIA-Agenten von seiner kuscheligen Seite: Er hat für den Film 15 Kilo zugenommen.

 

Seifenoper der Berlinale

Können Seifenopern etwas bewirken? Der dänische Wettbewerbsfilm „Eine Soap“ setzt sich mit dieser Frage beiläufig auseinander: Eine banale Fernsehserie wird in der Geschichte von der Regisseurin Pernille Fischer Christensen zum Lehrbuch für die Protagonisten.

Der Form einer TV-Serie folgend, besteht der Film aus mehreren Folgen, eine Off-Stimme schildert die vorangegangenen Ereignisse und die Gefühlskonflikte. – Somit wird alles zur Sprache gebracht, was die Hauptfiguren des Films bewegt und aber im richtigen Leben nie artikuliert wird.

Charlotte, 34 verlässt ihren gut situierten Mann. Auf der Suche nach der großen Liebe wechselt sie mehrere Liebhaber, ohne ihre Sehnsucht zu erfüllen. Durch einen Zufall rettet sie eines Tages ihrem Nachbarn das Leben. Er ist ein sentimentaler junger Mann, der sich Veronica nennt, und sich im Wunsch, geliebt zu werden, in die Travestie verirrt hat. Durch die Rettung kommen sie sich näher. Später schauen sie gemeinsam Fernsehen: „Du hast mich mit deiner Liebe gerettet“ – sagt eine Stimme in der Serie, während die Kamera die Gesichter von Veronika und Charlotte studiert. Von da an wird die aufgetragene Sentimentalität der Serie auf starke Gefühle übertragen, die auch den Kinozuschauer mitreißen.

 

Und nun: Das Wetter.

Der Winter in meiner Heimatstadt Bonn geht so: Ab November regnet es, im Januar wird der Regen etwas kälter, Mitte März ist alles vorbei. An der Kleidung merkt man den Wechsel der Jahreszeit vor allem daran, dass man einen Pullover über das T-Shirt zieht und an schlimmen Tagen auch mal den Wintermantel aus dem Schrank holt. In Berlin geht Winter ganz anders. Interessant deswegen auch die die Art und Weise, wie sich die Mode mit den Temperaturen ändert.

Zwischen 2 und 5 Grad:
Die meisten Berliner sehen noch nicht ein, dass sie anfangen soll, ihren Kleiderschrank umzuräumen. Sie tragen die Kleidung aus dem Sommer in diversen Schichten übereinander. Berliner Frauen haben deswegen auch den Trend geschaffen, dass sie einen unter einem Rock eine Jeans tragen. Oder umgekehrt. Etwas empfindliche Studentinnen, die gerade aus Freiburg gekommen sind, um hier ihr Theologiestudium zu beenden, tragen schon mal Handschuhe und einen Schal.

Zwischen 1 und -3 Grad:
Langsam ändert sich das Bild. Viele Menschen frieren und haben angefangen, die Kartons mit den Wintersachen aus dem Keller zu räumen. Deswegen riecht es jetzt in U-Bahnen nicht mehr nach abgestandenem Schweiß sondern wie in einer Mottenkiste. Der Berliner, mit den aktuellen Modetrends nicht immer sofort einer Meinung, trägt gerne bewährtes, so dass man auf seiner Fahrt zur Arbeit immer ein buntes Potpourri der Mode aus den letzten 10 Jahren bewundern kann. Von diesen Temperaturen an sieht man bestimmte Mädchen, die meist Sandy, Mandy, Cindy oder Mindy heißen in riesigen Daunenjacken rumlaufen, unter denen sie darunter weiter ihr bauchfreies Top tragen.

Zwischen -3 und -6 Grad:
Fast alle Berliner haben eingesehen, dass der Sommer tatsächlich vorbei ist und die niedrigen Temperaturen bleiben. Fast alle Berliner frieren. Deswegen haben sie auch schon mal die Kiste mit den Klamotten aus dem Keller geholt, die sie eigentlich seit ein paar Jahren schon weggeben wollten. Ja, auch der Berliner findet, dass man ab einem gewissen Zeitpunkt bestimmte Moden nicht mehr tragen kann. Die Berliner, die das nicht so sehen, machen dann irgendwann einen Retro-Modeladen in einem Trendbezirk auf und werden reich.

Zwischen -7 Grad und -10 Grad
Ab dieser lächerlichen Kälte frieren ausnahmslos alle Berliner. Die arme Freiburger Theologiestudentin hat ihre süße Mansarden Wohnung in Berlin Friedrichshain mit dem romantischen Kohleofen verlassen und ist zu ihren Eltern nach Freiburg gefahren, bis das Wetter wieder besser wird. Ab diesem Zeitpunkt ist es dem Berliner völlig egal was er trägt. Er zieht einfach alles an, was er hat, ohne Rücksicht auf Mode oder das Farbempfinden anderer Menschen. Deswegen sehen viele Berliner jetzt aus wie eine seit Jahren mit tausenden von Plakaten immer wieder überklebte Litfasssäule. Ungefähr so bewegen sie sich auch.

Ab -11 Grad plus scharfer Ostwind und Schneeverwehungen
Die ersten Fahrradfahrer tauchen wieder auf, weil sie es nicht einsehen, sich dem Wetter zu beugen. Man kann nicht mehr unterscheiden, ob man mit einem Mann oder einer Frau spricht, weil sich alle bis zur Unkenntlichkeit vermummen. Sexuelle Aktivitäten erfordern mindestens drei Stunden Vorbereitungszeit, weil man so lange braucht, um sich auszuziehen. Die Sommerklamotten werden in den Keller geräumt, weil man davon ausgeht, dass es nie mehr warm wird. Viele Berliner erwägen den Kauf eines handlichen Flammenwerfers für den Weg zur Arbeit. Die letzten Restaurants räumen ihre Außentische rein.

Sobald allerdings die Sonne wieder rauskommt und die Temperaturen wieder die 5 Grad übersteigen, werden FlipFlops getragen. Zur Not mit Socken.