Die Europäische Investmentbank (EIB), nach eigenen Angaben die weltgrößte staatliche Förderbank, hat am Dienstag eine kleine Revolution beschlossen. In ihren neuen Förderrichtlinien, welche die Bank heute bekannt gab, findet sich de facto das Aus für die Finanzierung von Kohlekraftwerken. Zukünftig will die EIB, die so etwas ist wie die KfW für Europa, nur noch Kraftwerke mitfinanzieren, die maximal 550 Gramm Kohlendioxid je Kilowattstunde emittieren. Damit will die Bank die 28 EU-Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung der europäischen Klimastrategie unterstützen. Die neuen Emissionsstandards würden garantieren, dass die Bank durch ihre Förderpolitik im Energiebereich einen nachhaltigen und positiven Beitrag zu mehr Wachstum leiste, sagt Vizepräsident Mihai Tanasescu.
Was die neuen Richtlinien für die einzelnen Energieträger bedeuet, zeigt diese Grafik:
Die BBC meldet, dass erstmals ein Gastanker eine Abkürzung durchs Nordpolarmeer gewählt hat. Ob River, ein Tanker mit rund 150.000 Kubikmetern Gas an Bord, ist unterwegs vom Flüssiggas-Terminal Hammerfest in Nordnorwegen nach Japan. Statt, wie normal, den Weg durch den Suezkanal und an Indien vorbei zu wählen, fährt das Schiff entlang der russischen Küste nach Japan. Das spart Zeit und Geld, schließlich ist diese Passage rund 8.000 Kilometer kürzer als die Suez-Route.
Es ist das erste Mal, dass ein Gastanker diese Strecke fährt – und damit ein Tabu bricht. Bislang interessieren sich vor allem Containerreedereien und Massengutfrachter für die Strecke. Immer wieder gibt es Berichte darüber, dass Handelsschiffe die Strecke nutzen, weil das Nordpolarmeer wegen des Klimawandels immer öfter eisfrei ist.
Nun geht es um heiklere Fracht an Bord. Der russische Gaskonzern Gazprom schickt Flüssiggas durch die Passage. Umweltschützer warnen vor Schiffsunglücken in der sensiblen Polarregion. Sie befürchten, dass dem Gastanker in Kürze schon der erste Öltanker folgen könnte. „Wir verfolgen diese Entwicklung mit großer Sorge“, sagt Greenpeace-Experte Jörg Feddern. Während sich die Crew, so der BBC-Bericht, vor allem darüber freut, Eisbären in freier Natur zu sichten, verweist Feddern auf mögliche Schiffsunfälle und austretendes Schweröl.
Er legt damit den Finger in die Wunde, denn bislang ist die Region regulatorisch noch Wilder Westen. Die Internationale Maritime Organisation (IMO) hat bislang nur für die Südpolarregion Richtlinien verabschiedet. Hier dürfen Schiffe nicht mit Schweröl als Treibstoff unterwegs sein. Diese zähe Pampe ist ein Abfallprodukt aus den Raffinerien und würde bei einem Unfall die Polarregion aus dem ökologischen Gleichgewicht bringen. Für den Nordpol aber gibt es noch keine entsprechenden Vorgaben. Zwar entwickelt die IMO zurzeit einen Polarcode. Er bezieht sich aber auf technische Bedingungen ans Schiff, die Frage „Schweröl als Treibstoff“ rührt er nicht an. Und seine Verabschiedung wird wohl noch Jahre dauern.
Das Verrückte an der Erstdurchquerung des Gastankers: Sie ist die Folge des Gasbooms in den USA. Das Flüssiggas-Terminal in Hammerfest war ursprünglich geplant, damit Norwegen Unmengen Flüssiggas (LNG) in die USA exportieren kann. Nun erschließen sich die USA selbst ihre Gasreserven – und irgendwo muss das LNG ja hin. Traditionell schon immer ein Abnehmer, kauft Japan jetzt die Mengen. Sicher, unter Klimaschutzaspekten ist Erdgas immer noch besser, als Kohle zu verbrennen. Aber die Fahrt des LNG-Tankers zeigt: Diese Entwicklung hat möglicherweise Kollateralschäden.
In den USA sorgte sein Text im Rolling Stones für Furore. Der US-Klimaaktivist BillMcKibben rechnet dort sehr verständlich durch, was passiert, wenn wir so weiter machen wie bisher, egal, ob bei der Ölförderung oder der verfehlten Klimapolitik. Hier ein Auszug:
2,795 Gigatons: This number is the scariest of all – one that, for the first time, meshes the political and scientific dimensions of our dilemma. It was highlighted last summer by the Carbon Tracker Initiative, a team of London financial analysts and environmentalists who published a report in an effort to educate investors about the possible risks that climate change poses to their stock portfolios. The number describes the amount of carbon already contained in the proven coal and oil and gas reserves of the fossil-fuel companies, and the countries (think Venezuela or Kuwait) that act like fossil-fuel companies. In short, it’s the fossil fuel we’re currently planning to burn. And the key point is that this new number – 2,795 – is higher than 565. Five times higher.
In seiner aktuellen Ausgabe bringt das Greenpeace Magazin übrigens eine deutsche Version.
In meinem Bio-Laden ums Eck bekomme ich meine Einkäufe regelmäßig in einer Tüte ausgehändigt, auf der prangt „100 Prozent recycelbar“. Bitteschön – Dankeschön. Die Tüte ist aus einem Biokunststoff gefertigt, genauer gesagt aus Maisstärke.
Nun sind Plastiktüten ja erst einmal ein Ärgernis: Unglaubliche 5,3 Milliarden Plastiktüten verwenden wir Deutschen laut Deutscher Umwelthilfe jährlich. Das macht bei rund 80 Millionen Bundesbürgern im Schnitt etwa 66 Plastiktüten im Jahr. In der Regel landen sie einfach in der Müllverbrennungs-
anlage (so wie meine Plastiktüten, die erleben schließlich bei mir zu Hause ihre zweite Existenz als Müllbeutel).
Oder noch schlimmer: Die Tüten werden einfach achtlos weggeworfen, verstopfen Gullis und landen am Ende als schwimmender Müllteppich in den Ozeanen, wo sie Lebewesen und Ökosystemen schaden.
Und meine Bioladen-Plastiktüte? Die Bundesregierung förderte bislang solche Biotüten: Sie sind etwa vom Grüner-Punkt-System und den Lizenzgebühren an das Duale System Deutschland ausgenommen, um die Markteinführung zu fördern. Noch bis zum Jahresende gelten diese Ausnahmen.
Durch den Anbau und die Verarbeitung von Pflanzen für diese Verpackungen versauern Böden und eutrophieren Gewässer stärker als durch die Herstellung herkömmlicher Kunststoffverpackungen. Zudem entstehen höhere Feinstaubemissionen. Auch die vermehrt angebotenen Bioplastiktüten haben damit keinen Umweltvorteil.
Das ifeu kommt zu einem eindeutigen Schluss. Die Ausnahmeregelungen für die Biotüte in der Verpackungsverordnung müssten sofort beendet werden. Eine vernünftige Forderung, wenn man eine Bilanz des gesamten Lebenszyklus der Tüte macht. Der Präsident des Umweltbundesamts, Jochen Flasbarth, sagt:
Verpackungen auf der Basis von so genannten Biokunststoffen haben unter dem Strich keine Umweltvorteile. Die Klimabilanz von Biokunststoffen ist zwar günstiger, dafür gibt es Nachteile bei anderen Umweltbelastungen. Die Ergebnisse sprechen dafür, die Sonderregelung für solche Verpackungen, wie etwa die Befreiung von der Rücknahmepflicht des Handels, nicht zu verlängern.
Übrigens: Mein Bioladen gehört mit seinem Biotüten-Angebot offenbar zu einer seltenen Spezies. In der Masse konnte sich die vermeintlich grüne Tüte nicht durchsetzen. Im Jahr 2009 kamen Biokunststoffverpackungen in Deutschland gerade einmal auf einen Marktanteil von 0,5 Prozent.
Das städtische Gärtnern ist ja schon seit einigen Jahren Thema. Aber in einer so originellen Form wie in Rio de Janeiro dürfte es eher selten zu bewundern sein. Am Stadtrand der brasilianischen Sieben-Millionen-Einwohner-Stadt (das ist nur der Kernbereich von Rio) bewirtschaften 16 Familien Flächen, die der staatliche Ölkonzern Petrobras sonst mühsam von Büschen und Bäumen freihalten müsste. Da, wo im Untergrund Wasserrohre und Ölpipelines verlegt sind, bauen die Familien als Biolandbau-Kooperative Salat und Gemüse an.
Eine Nichtregierungsorganisation hatte diese Idee, die beiden Seiten hilft. Petrobras muss die Rohre nicht mehr vor Tiefwurzlern schützen. Und die Bauernfamilien verdienen sich einen bescheidenen Lebensunterhalt. Auf etwa die Höhe eines Mindestlohns, also 640 Real (knapp 250 Euro), kommt die Chefin der Kooperative Univerde, Alzeni da Silva Fausto. Petrobras hat mit der Kooperative einen ordentlichen Vertrag gemacht. Er garantiert den Familien die Nutzungsrechte für das Land, die sie sogar vererben dürfen, wenn sie sich an die Regeln halten. Sie dürfen also nur Pflanzen anbauen, deren Wurzeln nicht mehr als 30 Zentimeter in die Tiefe reichen, und Tiere dürfen auf diesem Land auch nicht gehalten werden. Dafür hat Petrobras den Bauern Brunnen zur Verfügung gestellt; die Bauern selbst bezahlen nur den Strom für die Pumpen.
In der Kooperative haben die Frauen das Sagen. Vier von fünf Führungspositionen bei Univerde sind in der Hand der Frauen. Mit einem klapprigen Kombi, „der mal fährt und mal nicht“, bringen sie im Monat rund eine Tonne Gemüse auf die Märkte der Umgebung, einmal die Woche auch in der Innenstadt von Rio. Dieser Markt ist allerdings den Mitarbeitern von Petrobras vorbehalten. Außerdem beliefern die Stadtgärtner Schulkantinen. Dabei hilft ihnen ein Gesetz, das vorschreibt, dass öffentliche Institutionen wie Schulen, Krankenhäuser oder Kindergärten 30 Prozent ihrer Waren von Kleinbauern beziehen müssen. Für Univerde ist das ein Segen, weil sie anderenfalls wohl kaum den Zuschlag dafür bekommen hätten.
Ob sie keine Angst haben, dass ihre mühsam gezogenen Bio-Salt- oder ihre Kohlköpfe womöglich im Öl versinken könnten? Nein, sagt Alzeni da Silva Fausto, in den Pipelines gebe es eine automatische Überwachung. Und in den genau sieben Jahren, in denen das Pilotprojekt nun existiert, hat es offenbar noch nie Probleme mit den Pipelines gegeben. Seit sie ihr Land bearbeitet, fühlt sich nicht nur Alzeni da Silva viel gesünder. Eine ihrer Mitstreiterinnen berichtet von Depressionen, die sich durch die Arbeit, die Vermarktung des Gemüses und das daraus gewonnene Selbstbewusstsein stark gebessert haben. Doch dass das harte Arbeit ist, daran lässt die Chefin der Kooperative auch keinen Zweifel. Sie arbeite sieben Tage die Woche auf ihrer Parzelle: „Die Landwirtschaft gibt keine Pause.“
Am anderen Ende der Stadt wird derweil auf der Vorkonferenz des dritten Weltgipfels Rio + 20 über das Konzept einer umweltverträglichen Wirtschaftsweise (Green Economy) verhandelt. Was das sein könnte, zeigen die Bio-Bäuerinnen von Univerde und ausgerechnet der staatliche Ölkonzern Petrobras mit ihrer bemerkenswerten Kooperation. Alle mal hersehen!
Mal flott ein Blick über den großen Teich: Vermont hat vergangene Woche als erster US-Bundesstaat ein Fracking-Verbot erlassen. Zu unklar seien die Risiken, ob Fracking (bei dem ein Chemikaliencocktail unter Tage gepresst wird, um Erdgas zu fördern) das Grundwasser verseuche, so Gouveneur Peter Shumlin. Gerade in den USA herrscht ja zurzeit ein wahrer Fracking-Boom und die Fördermengen haben die Erdgaspreise in den USA zurückgehen lassen.
Wie in den USA mehren sich allerdings auch in Deutschland die Kritiker, das zeigte auch der NRW-Wahlkampf. Das Thema Fracking wird auch diese Woche wieder aufkommen, wenn im Wirtschaftsausschuss eine Anhörung dazu läuft. Umstritten ist ja vor allem, dass Behörden sämtliche Genehmigungen noch nach dem Bundesberggesetz erlassen, das teilweise sogar noch aus der Kaiserzeit stammt. Konzerne wie RWE Dea oder ExxonMobil müssen danach erst eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vorlegen, wenn sie mehr als 500.000 Kubikmeter Erdgas fördern werden – eine wohl vollkommen willkürliche Menge.
Die Opposition fordert, diese Grenze auf einen Kubikmeter zu senken – also eine UVP immer verbindlich zu machen. Mit schlechten Chancen, Union und FDP zeigen bislang kaum Interesse daran.
Es ist doch verrückt: Über Tage muss jeder Windmüller die verbindlichen Umweltchecks bei der Genehmigung eines neuen Windparks durchlaufen.
Unter Tage, wenn es um die Qualität des Grundwassers geht, scheint der Gesetzgeber das bislang nicht für nötig zu halten.
Eigentlich sind die Aussichten in Kenia sonnig. Erst im vergangenen Herbst hat eine niederländische Tochterfirma von Ubbink in Naivasha, dem Zentrum der kenianischen Rosenproduktion, die erste Solarfabrik Ostafrikas eröffnet. 30.000 Solarpanele vor allem für Haushalte auf dem Land sollen dort pro Jahr produziert werden. Mehr als 90 Prozent der ländlichen Haushalte sind nach wie vor nicht ans Stromnetz des Landes angeschlossen.
Bisher deckt Kenia mehr als die Hälfte des Strombedarfs aus der Wasserkraft. Allerdings hat sich diese Energiequelle in den vergangenen Jahren als immer weniger zuverlässig gezeigt. Immer öfter liefern die Wasserkraftwerke in den saisonalen oder außerplanmäßigen Dürren nicht mehr genug oder gar keinen Strom mehr. Das Ergebnis: Stromausfälle und für viele Unternehmen vom Hotel bis zum Gewerbe die Notwendigkeit, einen teuren Dieselgenerator vorzuhalten. Dabei hat Kenia die allerbesten Chancen, seinen jährlich um rund acht Prozent wachsenden Strombedarf komplett aus erneuerbaren Energien zu beziehen. Denn Kenia hat ein riesiges geothermisches Potenzial. Nach Berechnungen der Geothermie-Fachleute in Kenia liegt das Potenzial zwischen 7.000 und 10.000 Megawatt. Am Netz hat Kenia derzeit Geothermie-Kraftwerke mit einer Kapazität von 200 Megawatt. Und erst vor wenigen Wochen ist das nächste Kraftwerk in Olkaria, etwa auf halbem Weg zwischen der Hauptstadt Nairobi und Naivasha gelegen, in Angriff genommen worden. Ein Finanzierungskonsortium unter neuseeländischer Leitung, an dem auch die japanische Entwicklungsagentur und die deutsche KfW-Bank beteiligt sind, baut nun ein Kraftwerk mit einer Kapazität von 280 Megawatt. Von April 2014 an soll es Strom liefern. Der kenianische staatliche Elektrizitätsversorger Ken-Gen hat Pläne für die Erschließung weiterer 1.200 Megawatt Geothermie-Kapazität in den Schubladen liegen.
Im vernachlässigten kenianischen Norden spielt sich derzeit ein ganz neuer Wettlauf um Energie ab: In diesen Tagen ist mit dem Bau der größten Windfarm Ostafrikas nahe dem Lake Turkana begonnen worden. 365 Windmühlen der dänischen Firma Vestas mit einer Leistung von je 850 Kilowatt sollten dort entstehen. Das Prozent kostet rund 620 Millionen Dollar und wird von einer dänischen Firma umgesetzt. Das Lake Turkana Wind Project (LTWP) ist seit gut drei Jahren in Vorbereitung. Das größte Problem war die Finanzierung der 428 Kilometer langen Hochspannungsleitung, mit der der Strom aus dem unerschlossenen Norden Kenias in die Hauptstadt befördert werden soll. Gebaut wird diese nun von Kenya Power, und finanziert über Darlehen der kenianischen und der spanischen Regierung. Kostenpunkt: 188 Millionen Dollar zusätzlich. Die ersten 50 Megawatt Leistung Turkana-Wind sollen schon im kommenden Jahr erzeugt werden – falls die Leitung bis dahin steht.
Doch nun ist Turkana auch ins Visier der Ölkonzerne geraten. Tullow Oil, eine britische Prospektionsfirma, hat gerade erst bekannt gegeben, dass in Turkana Erdöl gefunden worden ist. Ob sich die Ausbeutung lohnt, soll nun mit weiteren Probebohrungen ermittelt werden. Aber die Hoffnungen von Tullow und der Regierung sind groß. Präsident Mwai Kibaki sagte: „Das ist ein guter Tag für Kenia.“ Ob es auch ein guter Tag für Turkana im Nordwesten des Landes ist, wird sich zeigen. Bisher hat die Region von den Segnungen der Zivilisation jedenfalls nicht viel abbekommen. Die Region gehört zum semi-ariden Gürtel südlich der Sahara, quasi der Fortsetzung der Sahel-Zone nach Ostafrika. In guten Jahren regnet es zwischen 300 und 400 Milliliter im Jahr. In schlechten gar nicht. Und in Turkana gab es in den vergangenen zehn Jahren mehr schlechte als gute Jahre. Weder die Windfarm noch mögliche Öl-Installationen lassen sich bisher auf Teerstraßen erreichen, in der ganzen Provinz gibt es davon nämlich nur 319,2 Kilometer. Knapp eine Million Menschen leben in Turkana, davon sind 46 Prozent jünger als 14 Jahre. Gerade mal 116.816 Wähler sind in Turkana registriert. Der Anteil der Bevölkerung, die unterhalb der Armutsgrenze leben, liegt bei 95 Prozent. Ein Lehrer unterrichtet im Schnitt 51 Kinder, wenn er sie überhaupt unterrichtet, denn viele Menschen in Turkana sind Nomaden. Ein Arzt kommt auf 52.434 Menschen. Auf 1.000 Geburten kommen 60 Totgeburten und von 1.000 Kindern überleben 12 ihren fünften Geburtstag nicht. Der Grund: Die meisten Kinder sind unterernährt.
Vermutlich werden die Menschen in Turkana weder von der Windfarm noch von der abzusehenden Erdölförderung profitieren. Der Windstrom wird mit einer Hochspannungsleitung abtransportiert. Eine Versorgung der lokalen Bevölkerung durch ein Verteilnetz ist den Investoren zu teuer. Außerdem könnten sie kaum darauf zählen, dass die arme Bevölkerung ihre Stromrechnungen auch bezahlen könnten. Und für das Ölgeschäft ist hier niemand ausgebildet. Wenn es Jobs für die lokale Bevölkerung geben sollte, wären es Dienstleistungen für die Ölarbeiter. Sie könnten Rinder zum Schlachten verkaufen oder Schafe oder Ziegen. Aber angesichts des Wassermangels in der Region müsste vermutlich sogar ein Großteil der Nahrungsmittel von anderswo in die Region geschafft werden. Seit 2008 gibt es erstmals in der Geschichte Kenias ein Ministerium für den Norden Kenias und andere Trockenzonen des Landes. Dem Vernehmen nach fühlt sich der zuständige Minister Mohammed Ibrahim Elmi in Nairobi sehr wohl und hat sich in der Region noch nicht allzu häufig blicken lassen. Das dürfte sich mit dem Fortgang der Ölsuche aber zweifellos ändern.
Ein Prestigeprojekt der russischen Regierung in der Nähe von St. Petersburg zieht die Kritik deutscher Umweltschützer auf sich. Der neue Ölhafen Ust-Luga, der eigentlich Anfang April eröffnen soll, ist offenbar eine marode Baustelle: 17 Meter tiefe Löcher sollen seit vergangenem Sommer in dem Dock klaffen, berichtet das russische Magazin Kommersant Money. Reuters meldete im November gleich drei schwere Landrutsche am Kai. Auch eilig installierte Metallplatten, die das Dock stabilisieren sollen, entpuppen sich als schlechtes Provisorium. Das Terminal soll eine Kapazität von rund 20 Millionen Tonnen Öl haben (das entspricht etwa dem Jahresumschlag an der NWO-Löschbrücke in Wilhelmshaven).
Der Naturschutzbund und die Grünen warnen inzwischen davor, den Ölhafen in Betrieb zu nehmen, und fordern die Bundesregierung zum Handeln auf. „Es droht eine Ölkatastrophe großen Ausmaßes“, sagt die Grünen-Abgeordnete Valerie Wilms. Der neue Ölhafen sei eine Gefahr für die Ostsee und alle Anrainerstaaten. Wilms kritisiert, dass es keine Umweltverträglichkeitsprüfung gegeben habe, obwohl das Umweltsekretariat der Ostsee-Anrainerstaaten (Helcom), dem auch Russland angehört, diese vorsieht. Bei einem Ölunfall an der russischen Ostseeküste seien schnell auch andere Länder betroffen. Deutschland habe eine besondere Verantwortung, schließlich habe man das Terminal mitfinanziert.
Auch wenn die Reparaturarbeiten laut Kommersant mindestens 30 Millionen US-Dollar plus zusätzlich 100 Millionen für Bohrungen kosten könnten: Der staatliche Betreiber und Besitzer, u.a. Rosneftbunker, meint es offenbar ernst. Für Russland ist das neue Terminal geopolitisch wichtig, schließlich ist es der Endpunkt der Baltic-Pipeline-2. Das Terminal ermöglicht es Russland, Öl nach Europa zu liefern, ohne es durch weißrussische Pipelines pumpen zu müssen. Reuters meldet, dass Anfang April die ersten Öltanker anlegen sollen. Das Magazin Kommersant vermutet allerdings auch, dass dies nur Show sein könnte – zu groß seien die Probleme, zu sehr drängten die Reparaturarbeiten.
Man könnte es fast als eine Art „Sterbehilfe“ bezeichnen: Immer öfter wird Solarkraft eingesetzt, um Öl aus der Erde zu gewinnen. Vergangene Woche gab etwa die kalifornische Firma Glasspointbekannt, dass Oman als erstes Land in Mittelost auf die sogenannte solare Ölgewinnung (EOR- Enhanced Oil Recovery) setzt.
Eine Sieben-Megawatt-Solaranlage wird zukünftig heißen Dampf erzeugen, der in alte Ölfelder injiziert wird. So kann auch der letzte Tropfen Rohöl noch aus dem Boden an die Oberfläche gepresst werden. Nach Einschätzung von Forbes könnte der Oman-Deal die Technologie in eine neue Liga katapultieren:
„This week, Glasspoint announced a new deal, one that could blossom into something really big.“
Früher verbrannten die Ölproduzenten Erdgas, um heißen Dampf für die Hochdruck-Injektion zu erzeugen. Nun ist es eine Kostenentscheidung geworden: Die mit Solarenergie angetriebenen Generatoren produzieren den Dampf zu weitaus geringeren Kosten, im besten Fall kommt man nach Angaben von Glasspoint sogar auf 80 Prozent Kostenreduktion. Und das eingesparte Erdgas können die Ölstaaten lukrativ verkaufen.
In einem riesigen Glashaus erhitzt die Sonne heißes Wasser mit Hilfe von Spiegeln. Die Anlage kann stündlich elf Tonnen Wasserdampf erzeugen, der eine Temperatur von 312 Grad Celsius hat.
Es sind wohl Meldungen vom Sterbebett der Ölindustrie, die mit steigenden Erschließungskosten zu kämpfen hat. Schließlich sind die leicht erreichbaren Felder inzwischen allesamt erschlossen. Eine Ironie der Geschichte, dass nun gerade Sonnenenergie dazu genutzt wird, um die Kosten der Ölförderung zu senken.
Patrick Illinger hat mir in seinem Leitartikel in der gestrigen Süddeutschen aus dem Herzen gesprochen. Überschrift: Die Energie-Lüge
„Wer seriös über Energie reden will, muss anerkennen, dass die wahren Kosten des globalen Energiehungers nie auf Stromrechnungen erscheinen, sondern von der Gemeinschaft getragen werden. Das ist nicht nur der Fall, wenn eine Ölplattform wie im Golf von Mexiko abbrennt oder ein Kernkraftwerk wie in Japan explodiert.
Energieverbrauch erzeugt ständig Kosten, die auf unterschiedlichste Weise beglichen werden müssen, oft auch mit Menschenleben. Hunderttausende Chinesen sterben jährlich an der Luftverschmutzung. Vor allem aber, und das ist die abscheulichste Art, die Kollateral-Kosten des heutigen Energiehungers zu verschleiern, werden Erblasten aufgehäuft: verbrauchte Ressourcen, verstrahlte Endlager, eine mehrere Grad wärmere Erdatmosphäre.