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Die Lange Nacht der Museen

Hamburgs Ausstellungshäuser öffnen nach Einbruch der Dunkelheit wieder einmal ihre Türen für kulturhungrige Nachtschwärmer.

Sie sind die stillen Hüter der Kulturschätze der Stadt: Hamburgs Museen. Oft werden sie unterschätzt und sind vor allem bei gutem Wetter nicht unbedingt das Ausflugsziel Nummer eins. Einzige Ausnahme: Die Lange Nacht der Museen Ende April. An diesem Abend strömen regelmäßig zwischen 18 und 2 Uhr große Scharen von Menschen in rund 60 Museen der Stadt. Die Museumslandschaft erscheint plötzlich glamourös und voller Trubel. Populäre Häuser wie die Deichtorhallen oder das Museum für Kunst und Gewerbe erweitern ihre vieldiskutierten Ausstellungen durch besondere Aktionen, und der Bus-Shuttle macht es möglich, auch kleinere, unbekanntere Orte in abgelegeneren Gegenden der Stadt zu erreichen. Entdecker können sich wunderbar treiben lassen mit dem Ticket, das Eintritt in alle Museen gewährt, und zu dieser Gelegenheit zum Beispiel das Wälderhaus, das Polizeimuseum oder das HSV-Museum besuchen. Die vollständige Liste aller Beteiligten Museen und Veranstaltungen steht auf der LNDM-Webseite.

 

Sunday Assembly

Wer den Kirchgang vermisst, aber nicht die Religion, findet vielleicht in der Hamburger Botschaft, wonach er sucht – bei der Andacht der Atheisten.

Die erste Sunday Assembly haben die beiden Comedians Pippa Evans und Sanderson Jones 2013 in Großbritannien gegründet. Augenscheinlich haben sie damit einen Nerv getroffen, denn nach ihrem Vorbild gründeten sich weitere Assemblys in Kanada, den USA und auch in Deutschland. Im September 2014 ist der alternative „Gottesdienst“ in Hamburg angekommen. Seitdem treffen sich Konfessionslose, Atheisten und Neugierige einmal im Monat, um das Leben zu feiern. Sie sind unabhängig von den Briten, doch der Geist ist derselbe: besser leben, neugierig durchs Leben gehen, anderen helfen. Die Andacht dauert rund eine Stunde, statt Predigten über Gott und Glauben gibt es Vorträge und Lesungen, statt Kirchenlieder werden Popsongs gesungen. Der Grundgedanke der Sunday Assembly unterscheidet sich kaum davon, was die Kirchen predigen, nämlich Gutes zu tun, oder wie ein „Prediger“ auf einer der letzten Hamburger Assemblys sagte: „Es ist cooler, neuer, moderner. Kirche minus Langeweile.“ Da stört es auch nicht, wenn die Sunday Assembly mal an einem Samstag stattfindet wie die nächste in der Hamburger Botschaft.

Text: Natalia Sadovnik

 

3 Jahre KorallBar

Hamburgs beste Eckkneipe feiert ihren Geburtstag auf der MS Classic Queen mit DJs und Schnaps. Entern ist zu verschiedenen Uhrzeiten möglich.

Sie ist von außen unscheinbar. Das ist gut so. Dann gehen die Junggesellenabschiede an ihrer Eingangstür vorbei, ohne an den Tresen gestolpert zu kommen. Wer dennoch die Schwelle überschreitet, findet sich in einer urgemütlichen Bar wieder, deren Mittelpunkt ein großer, ovaler Tresen ist, der in den Raum hineinreicht. An ihm sitzen nette Menschen, jung und alt (oder wie sagt man so schön) und wippen mit den Köpfen zu guten Beats. Seit drei Jahren geht das nun so. Einziges Problem: Wenn die KorallBar in den eigenen vier Wänden zu Festivitäten lädt, platzt die Bude aus allen Nähten. Deshalb weicht das Kneipenteam für den eigenen Geburtstag auf die MS Classic Queen aus. Dort sind dann ihre Lieblings-DJs an Bord: The Sorry Entertainer (B), Marco Costanza & Oliversum, Akaak sowie Martin Moritz. An Bord gehen kann man um 19.30, 21, 22 und 24 Uhr. Tickets für die Sause gibt es in der KorallBar oder hier.

Text: Lena Frommeyer

 

„Burger meets Music“

Zum Fastfoodklassiker in der fleischfreien Variante serviert Marten Pulmer im Veganbistro Happenpappen seinen Wohnzimmer-Folk.

In der „Wohnküche“ von Roman Witt gibt es nicht nur fleischfreie Kost, sondern auch Kulturhäppchen. Bereits zum vierten Mal findet im Happenpappen die Veranstaltung Burger meets Music statt. Der erste Teil versteht sich von selbst. Den zweiten gestaltet Marten Pulmer mit seinem „Wohnzimmer-Folk“: Gesang, Gitarre, Texte auf Englisch, ohne Kitsch, aber mit Hingabe – so heißt es in der Ankündigung. 13 Jahre lang stand er bei der Band One Fine Day am Mikro und arbeitet nun an seinem Soloalbum. Der Eintritt zu seinem Konzert ist frei. Das Happenpappen bietet übrigens täglich ab 12 Uhr einen guten Mittagstisch. Nur so als Anregung für alle, die in/um Eimsbüttel arbeiten.

Text: Lena Frommeyer

 

Spring Festival 2015

Im Waagenbau bespielen 17 Acts drei Floors. Alternative: Oded Kafri alias DJ of the drum-kit aus Tel Aviv im Freundlich + Kompetent.

Frühling, trallerie trallera … Auch im Club, zumindest was das Motto unter der Sternbrücke angeht. Der Waagenbau lädt zum Spring Festival 2015. Das bedeutet, dass 17 Acts 15 Stunden lang druckvolle Elektrobeats für drei Tanzflächen produzieren. Spezialgast ist der italienische Techno-Produzent Dema (Sci+Tec / Terminal M), der mit eigenen Tracks den Hamburger Club beschallen wird. Gesellschaft leisten ihm unter anderem Clark Davis (Wall Music), Habitat (Get Closer), Oliver Eich (Heimatmelodie), Der Mo (Waagenbau), Kyonka (Heart Beats).

In eine andere musikalische Richtung tendiert derweil das Freundlich + Kompetent. Unter dem Motto Mash up di place legt DJ Jullus ab 22 Uhr eine Mischung aus Hip-Hop, Reggae, Dancehall, Funk & Soul, Ghettofunk, Elektroswing, Mash Up, Moombahton, Dubstep und Drum ’n’ Bass auf. Die Bar in Barmbek-Süd hat auch eine Bühne. dort tritt ab 22 Uhr Street-Artist Oded Kafri aus Tel Aviv, bekannt als „DJ of the drum-kit“ auf. Er liefert eine fette Schlagzeugshow ab. Der Eintritt ist frei.

Text: Lena Frommeyer

 

Elbinsel-Gipsy-Festival

Bereichernde Akzente: Das Bürgerhaus Wilhelmsburg wird zwei Tage lang zur Bühne für Musik, Theater und Kultur der Sinti und Roma.

Seit rund 170 Jahren lebt die Sinti-Familie Weiss, die mittlerweile mehr als 500 Mitglieder hat, in Hamburg-Wilhelmsburg und zählt zu den bekanntesten Sippen der Hansestadt. Das Elbinsel-Gipsy-Festival im Bürgerhaus Wilhelmsburg beleuchtet in diesem Jahr zum siebten Mal, welch bereichernde Akzente die Sinti im kulturellen Leben der Stadt setzen. Auch dieses Jahr liegt der Schwerpunkt auf der Musik, die im sozialen Leben der Familien oft eine große Rolle spielt. Das Festival wird vom Cafe Royal Salonorchester eröffnet. Das europaweit bekannte Ensemble der Familie Weiss vermischt Swing, Czardas, Musette und Kaffeehausmusik mit den alten Weisen der Sinti. Im Anschluss daran betritt das Markus Reinhardt Ensemble die Festivalbühne. Reinhardts Wurzeln liegen in der Musik seines Großonkels Django Reinhardt und der traditionellen osteuropäischen Zigeunermusik. Weitere interessante Programmpunkte sind das interkulturelle Theaterprojekt Im Herzen Hamburgs und das Zeitzeugenprojekt Racke Maprahl 2. Als Freigänger im eigenen Land – Texte, Bilder und Gespräche, das sich um die Ermordung der Sinti und Roma während des Holocaust dreht.

Text: Katharina Manzke

 

„Orlacs Hände“

Gänsehaut in Schwarz-Weiß: Die Honigfabrik zeigt Robert Wienes Leinwandklassiker mit musikalischer Untermalung von Duo Eiston.

Im Jahr 1924 schuf Robert Wiene mit seinem Stummfilm Orlacs Hände den wohl ersten Psychothriller der Filmgeschichte. Für den Konzertpianisten Paul Orlac wird die eigene Wahrnehmungswelt zu einem schrecklichen Alptraum: Nach einem tragischen Zugunglück, bei dem er beide Hände verliert, werden ihm die eines Mörders transplantiert. Plötzlich glaubt er selbst, einen Drang zum Töten zu spüren. Seltsame Zeichen und unheimliche Drohbriefe verstärken seine Ängste. Und als Orlacs Vater getötet wird, gerät der Musiker unter Mordverdacht. In der Honigfabrik in Wilhelmsburg gibt es die Möglichkeit, den außergewöhnlichen Film zu sehen, der die Bewusstseinslage der unsicheren zwanziger Jahre widerspiegelt. Seine beklemmende Atmosphäre wird durch eine Live-Vertonung von Christian Meyer (Klavier) und Hans-Christoph Hartmann (Saxophon) verstärkt und neu akzentuiert. Als das Duo Eiston lassen sie durch ihre Musik bereits seit mehreren Jahren alte Filme in neuen Facetten erstrahlen.

 

Kolumbien im Gängeviertel

Erst zeigt Menschenrechtsaktivist Chico Bauti seine lyrische Performance, dann serviert DJ Bombombum kolumbianische Klänge mit Dub & Bass.

Das Gängeviertel ist doch immer wieder für ein interessantes Veranstaltungsformat gut: Der Abend beginnt mit einem ernsten Thema, der Geschichte eines gefangenen Volkes. Er endet mit Dub & Bass, um sich den Weltschmerz aus den Gliedern zu tanzen. Den ersten Part gestalten der Dichter Chico Bauti und der Musiker Rodrigo Saavedra. Chico Bauti heißt eigentlich Erik Arellana Bautista, ist kolumbianischer Menschenrechtsaktivist, Dokumentarfilmer, Journalist sowie Autor und erzählt während seiner lyrischen Performance mit Gedichten und Kurzfilmen die Geschichte seines Volkes. „Ein Volk ohne Namen, gedrängt an den dunklen Abgrund des Vergessens und gefangen in der Verzweiflung des Krieges“, heißt es in der Ankündigung. Anschließend werden die schweren Gedanken zur Seite geräumt und die Musik aufgedreht. DJ Bombombum serviert eine temporeiche Mischung aus Cumbia, Salsa, Champeta, Porro, Vallenato, Caribe und Afrocolombiano. Traditionell und mit Dub & Bass.

 

Paul Weller

Mit seinem ofenfrischen neuen Album „Saturn’s Pattern“ kommt die Britpop-Ikone nach Hamburg: Paul Weller rockt das Docks.

Muss man wirklich noch etwas zu Paul Weller sagen? Der Mutter aller Britpopper, dem unfehlbaren Styler und unumstrittenen Modfather? Längst sind die Zeiten vorbei, in denen er in ständiger Konkurrenz zu sich selbst stand, im langen Schatten von The Jam und The Style Council. Die aktuelle Single-Auskopplung Long Time mag da vielleicht etwas überraschend klingen. „For such a long time, I couldn’t find myself„, singt er da. „For such a long time, thought I was somebody else.“ Hören tut man das auf jeden Fall nicht, denn auf dem neuen Album Saturn’s Pattern, das er mit ins Docks bringt, ist er ganz der Alte. Einfache Riffs, dreckiger Power Pop, ein bisschen R ’n’ B, ohne viel Schnickschnack und ehrlich runtergerockt. Manche haben den 56-Jährigen ja schon als Dad Rocker belächelt – nicht wirklich was für Leute, die The Jam, wenn überhaupt, dann nur aus Geschichten ihrer Eltern kennen. Nun, man kann sich denken, was Weller dazu sagen würde: I don’t give a fuck about it!

Text: Nik Antoniadis

 

Wolfgang Müller

Der Liedermacher feiert in der Hasenschaukel das Release seiner neuen Scheibe mit einem Auftaktkonzert und anschließender Party.

Mit inzwischen sechs Alben und mehreren Fernsehauftritten auf dem Buckel geht Wolfgang Müller nicht mehr als Geheimtipp durch. Er ist ein bisschen weg vom Chansonesken, war zwischendurch kurz beim Folk und ist nun schon lange beim Liedermachen – diesem deutschen Genre, das man nicht mehr mit Singer-Songwriter umschreiben muss, seit es von einer neuen Generation entstaubt und verjüngt wurde. Schon sein letztes Album Über die Unruhe hat Müller äußerst sparsam instrumentiert: nur Bass, Schlagzeug, Klavier und E-Gitarre. Für sein neues Werk Auf die Welt ist er jetzt noch einen Schritt weitergegangen, hat auf Bass und Schlagzeug ganz verzichtet und fast nur noch mit Chören, Gitarre und Klavier gearbeitet. „Ich hatte erst Befürchtungen, dass das nicht trägt“, sagt er über dieses Konzept ohne klassische Band. „Aber jetzt, wo es fertig ist, habe ich das Gefühl, das erste Mal ein Album genau so gemacht zu haben, wie ich wollte.“ Davon kann sich jeder in der Hasenschaukel selbst überzeugen. Und wer überzeugt ist, kann danach auf der Release-Party gleich zugreifen.

Text: Nik Antoniadis