Lesezeichen
 

Hopsin im Bunker

Eine innige Liebe zu schrägen Kontaktlinsen und musikalisches Durchhaltevermögen zeichnen den Rapper aus LA aus.

Würde man einen Diss gegen Marcus Jamal Hopson aka Hopsin formulieren wollen, gäbe es diverse Angriffspunkte, einen Bereich müsste man jedoch weiträumig umschiffen: den Willen, sein Ding durchzuziehen. In Panorama City, einem Stadtteil von Los Angeles, aufgewachsen, hat sich Hopsin nach seinem Schulabbruch zunächst als Schauspieler versucht. Vergeblich. Mit einem acht-Dollar-Mikrofon von Walmart und Fruity Loops tüfftelte er dann in seinem Keller so lange an seinen Rapskills herum, bis er Ruthless Records überzeugen konnte, sein erstes Album Gazing At The Moonlight zu veröffentlichen. Doch fiel das Feedback eher mäßig positiv aus, was Hopsin auf die unzureichenden Promomaßnahmen des Labels zurückführte und einfach mal sein eigenes Label aus dem Boden stampfte: Funk Volume. Er veröffentlichte zwei Alben, erklärte der US-amerikanischen Raplandschaft in Sag my Pants was er von ihr hält („I have no favorite rapper because all of you suck“) und zeigt, dass man manchmal besser sein eigenes Ding durchzieht.

 

Bannerman

Wer schon einmal in Neuseeland war, kriegt beim Gedanken an die Landschaft feuchte Augen. Der perfekte Soundtrack dafür sind Balladen in der Hasenschaukel.

In der neuseeländischen Heimat verlieh man der sechsköpfigen Band Bannermann 2012 den NZ Music Award und nominierte sie für den Silver Scroll – einer der wohl wichtigsten Auszeichnungen für Songwriter. Die Kombo zog nach Berlin und schrumpfte infolge dessen auf vier Mitglieder. In verkleinerter Besetzung widmete man sich nun vor allem dem großen, dramatischen Songwriting, das in seinen düsteren Momenten an Nick Cave erinnert. Gitarre, Drums, Bass, Posaune – dieser atmosphärische Folk-Rock hält einen mit zwei großen Händen fest und lässt einen erst wieder los, wenn man ausgeträumt hat. Als Supportact der Tiny Ruins spielten sich Bannermann bereits im Mai 2014 ins Bewusstsein einer größeren Hörerschaft. Bevor sie zu bekannt werden für kleine Clubs, sollte man dringlich noch einmal solch einen intimen Konzertmoment nutzen, wie er am Sonntag ansteht, in der Hasenschaukel.

 

Sebadoh

Lou Barlow, langjähriger Bassist bei Dinosaur Jr., hat sein legendäres Indie-Rock-Trio reaktiviert und präsentiert neue Songs im Rock Cafe St. Pauli.

Dass Sebadoh nicht bloß als Indie-Nostalgie-Act durch die Lande touren müssen (etwa wenn mal wieder ein klassisches Album 20 Jahre alt geworden ist), stellten sie letztes Jahr klar: Defend Yourself war das erste Studioalbum der Band nach 14 Jahren. Erstaunlicherweise klang es sogar mehr nach ihnen selbst als The Sebadoh von 1999: nämlicher roher und emotionaler. Lou Barlow gründete die Band in den Achtzigern in Massachusetts, einfach als Blitzableiter für die Frustration, die er als Bassist in Dinosaur Jr. unter der Knute seines Bandkollegen J Mascis verspürte. In Jason Loewenstein fand er wenig später einen kreativen Partner, dessen Songs die Band ebenso formten wie seine eigenen. Zusammen schufen sie grandiose Platten wie Bubble & Scrape (1993), Bakesale (1994) oder Harmacy (1996) mit unprätentiösem und dennoch ungemein eigenem Gitarrenrock, der noch immer keine Alterserscheinungen trägt.

Text: Michael Weiland

 

DevilDuck Records

Das Hamburger Indie-Label feiert sein 10-jähriges Bestehen. Live dabei: Talking To Turtles, The Dope, Max Paul Maria und Sea Wolf.

Sea Wolf, Talking to Turtles (Foto), The Dope und Max Paul Maria – sie alle stehen auf der Liste der Acts, die in der Jubiläumsshow auftreten werden, um den Geburtstag ihres Labels zu feiern: DevilDuck Records. Das Indie-Label kann seit diesem Jahr auf eine zehnjährige Historie zurückblicken und möchte dies im Nochtspeicher mit einer großen Show gebührend feiern. 2004 von Jörg Tresp in Hamburg gegründet, zeichnet sich das Label – neben vielen Künstlern aus den Staaten und dem UK – vor allem durch seine große Vorliebe für Indie-Klänge aus Skandinavien aus. Doch auch aus Deutschland stammende Bands wie This Void oder Naked As We Came – beide spielten in Hamburg zuletzt auf dem Daughterville vor großem Publikum – finden sich im DevilDuck-Roster. Dass man es als Independent-Label nicht immer leicht hat, ist neben dem Spaß und der Freude in all den Jahren ebenso Teil des Resümees, welches nach zehn Jahren Bestehen gezogen wird. Umso schöner ist die Nachricht, dass der erfolgreichste Künstler des Labels, Sea Wolf, extra aus Kalifornien vorbeikommt, um live zu spielen und mit anzustoßen. Auf die nächsten zehn Jahre.

Text: Jannis Hartman

 

Lost And Found And Stolen

Das Hamburger Künstlerduo „We Are Visual“ präsentiert sich erstmals mit Soloarbeiten im Gängeviertel, Raum linksrechts.

Das Gängeviertel wird als Kunstort immer spannender. In der letzten Ausstellung im Speckhaus waren bis zum 12. Oktober die Werke von sechs Künstlern zu sehen, die sich den Menschen auf ganz unterschiedliche Art einverleibt hatten: Cordula Ditz ließ ihre Protagonistinnen auf Videostills vor geschwärztem Hintergrund durch Raum, Zeit und einen Strudel an Verweisen stürzen, während Jürgen von Dückerhoff mit dem menschlichen Makel spielte und Isabell Kamp (Foto) den Körper in Keramiken in seine Bestandteile zerlegte. In der Ausstellung Lost Found And Stolen von den Installations- und Aktionskünstlern We Are Visual, denen Hamburg die Um-Etikettierung des Apple Stores am Jungfernstieg in einen Microsoft-Laden zu verdanken hat, die temporäre Kapriole-Galerie und brüllende Tyrannosaurus Rex vor den Bonzenhochhäusern in der HafenCity, arbeiten Marc Einsiedel und Felix Jung im Raum linksrechts erstmals getrennt und schauen, was am Eröffnungstag passiert. Die Ausstellung geht bis zum 7. November.

Text: Sabine Danek

 

Flowin Immo

Manchmal hat der HipHop-Veteran „in der Birne den Wurm drin“, viel häufiger jedoch allerlei gekonnt verdrehte Worte.

Gäbe es ein musikalisches Äquivalent zum HH-Kennzeichen? Flowin Immo könnte es in vergoldeter Version um den Hals tragen. Schließlich steht bei Wikipedia, er sei „einer der Veteranen“ des Genres HipHop. Schwer verdrehte Worte, Geräuschfolgen und verwirbelte Themenzusammenhänge sind seine Spezialität. Zudem seit Neustem – wobei er damit exakt die Fusion 2013 meint – die multinationale Backingband The Hoo, die noch einmal einen umfassenden Anbau am Apothekerschrank der Genre-Zugehörigen von Flowin Immo bewirkt hat. Seit Mai 2014 gibt es mit Geschlossene Gesellschaft ein neues Album, das unter die Leute gebracht werden möchte. Übrigens: Ursprünglich kommt Flowin Immo aus Bremen. Hier gründete er mit Ferris MC und DJ Pee Anfang der 1990er Jahre die Gruppe F.A.B., Freaks Association Bremen. Ferris zog später nach Hamburg. Flowin Immo ging nach Berlin und gab Rap-Kurse in Thailand. 

Text: Miriam Mentz

 

Clubkinder ’99

Beim ersten Nachtflohmarkt in der Fabrik verkauft der Clubkinder e.V. fesche Retro-Ware und lässt vor allem die 1990er wieder aufleben.

Eurodance, Plastikschnuller, Knight Rider, Beverly Hills 90210, Gameboy, Walkman, Kassetten und VHS, Stefan Raab und Vivasion, Neon-Farben, Telefone mit Schnur, Slime Monster-Knete, Windows98, Lava-Lampen … Die 1990er waren ein geschmackvolles Jahrzehnt. Der Verein Clubkinder e.V. nutzt den neuen Nachtflohmarkt der Fabrik, um gespendete Habseligkeiten zu verkaufen, die vor dem Jahrhundertwechsel die Menschheit unterhielten. Clubkinder Flohmarkt ’99 – nennen die umtriebigen Kulturlinge diese Aktion. Vor allem Dinge aus den 1990ern sind hier vertreten aber auch die Vorgängerjahrzehnte haben ihre Lobby. Die Einnahmen werden gespendet. Am 18. Oktober startet um 20 Uhr der Verkauf in der Ottensener Location, um 1 Uhr werden die letzten Stände abgebaut. Alle Verkaufsplätze sind bereits ausgebucht – dann muss man sich halt mit der Rolle des Käufers begnügen. Es gibt Schlimmeres …

Text: Lena Frommeyer

 

Station 17

Die Hamburger Formation veröffentlicht ihr neues Album „Alles für Alle“ und lädt zur großen Release-Party in die Ottensener Fabrik.

Es gibt wohl nicht viele Bands, die behaupten können, an nur einem Wochenende auf dem Hurricane Festival in Scheeßel, bei einem Empfang des Bundespräsidenten und auf einem Event der Jesus Freaks live gespielt zu haben. Station 17 können hinter diesem Tripel jedoch einen Haken machen – auch wenn das vermutlich nie ein formuliertes Ziel war. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Formation aus Hamburg – die 1988 von Bewohnern mit und ohne Handicap der Wohngruppe 17 der Evangelischen Stiftung Alsterdorf ins Leben gerufen wurde – solch besonderen Ereignisse reihenweise verbuchen kann. Längst ist das Projekt nicht mehr als soziale Unternehmung zu verstehen, sondern zum Sammelbecken musikalischer Träume und Ideen geworden, die sich irgendwo im Wirkungskreis experimentellen Indierocks zusammenfinden – konkret auf dem neuen Album Alles für alle und der dazugehörigen Releaseparty in der Fabrik!

Text: Miriam Mentz

 

„Schatten in Teheran“

Mitra Gaast schrieb ein Buch über eine alte Frau, die beim Backen darüber nachdenkt, wie die Iranische Revolution ihre Familie berührt und verändert.

In ihrem literarischen Debüt erzählt die Kölner Autorin eine Familiengeschichte zu Zeiten der Iranischen Revolution und verknüpft raffiniert politische Ereignisse mit persönlichen Lebensentwürfen. Tragisch und schön ist das Ritual ihrer Hauptfigur, der achtzigjährigen Banu Halwa, die jedes Mal, wenn es einen Todestag zu betrauern gibt, etwas backt und ihre süßen Kreationen in der Nachbarschaft verteilt. Banu Halwa lebt in Teheran, inmitten der iranischen Revolution, inmitten des Krieges. Beim Backen geht sie in sich, kommt zur Ruhe, reflektiert den politischen Ausnahmezustand ihres Landes, wie er ihre Familie verändert hat, das Leben ihrer Kinder und Enkel prägt und berührt: Der Eine will als Arzt Leben retten, die Anderen möchten einen unbeschwerten Familienalltag leben und gehen weite Wege, um ihr Glück zu finden. Mitra Gaast liest am 17. Oktober aus ihrem Debütroman Schatten in Teheran in der W3, Werkstatt für internationale Kultur und Politik. Man darf gespannt sein, wie die einfühlsame Sprache des Buches klingt, wenn man sie aus dem Munde der Autorin hört.

 

Jan Delay

Der Genre-Tausendsassa hat sich bei seinem Rock-Ausflug leicht im Ton vergriffen. Sei’s drum: Der Beginner-Kopf ist live ’ne Wucht.

Zum Popstartum gehört es auch, Grenzen auszuloten. Etwa für ein Video im weißen Anzug übers Heavy-Metal-Festival zu laufen und „Wacken“ auf „Spacken“ zu reimen. Der PR-Stunt dürfte Jan-Delay-Fans allerdings mehr provoziert haben als die Metalheads, die dort immerhin schon Heino und Roberto Blanco ausgehalten haben. Hammer und Michel, die als Rock-Album angekündigte jüngste Soloplatte des Genre-Tausendsassas, hat sich leider irgendwie im Ton vergriffen: Was als Fingerübungen in Reggae, Soul und Funk ganz gut klappte, ist als Gitarrenbrett musikalisch wohl einfach zu weit weg für Jan Delay. Wie gut er sein kann, wenn er in seinem Element ist, bewies der Hamburger erst neulich mit seiner alten HipHop-Combo Beginner in der Roten Flora, wo er mit den Kollegen DJ Mad und Denyo noch einmal fachgerecht das Schulterblatt zerlegte. Aber verständlich ist auch: Immer nur Komfortzone ist langweilig. Darum Hut ab für die Experimentierfreude, auch wenn mal was danebengeht. In der O2-World hat Jan Delay seine bewährte Begleitband Disko No. 1 dabei, die dem Zeremonienmeister durch alle Sperenzchen treu zur Seite steht. Das mag nicht mehr der Jan sein, dem man 2001 den Satz „Ich möchte nicht, dass ihr meine Lieder singt“ vorbehaltlos abkaufte – als Mehrzweckhallen füllender musikalischer Entertainer macht er seine Sache aber immerhin auch ganz gut.

Text: Michael Weiland