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Friedrich Fett

Das Uebel & Gefährlich macht jetzt Freestyle-Gastro in Ottensen. Am Herd steht Band-Koch Tan Levine. Zeit für einen Besuch

Die Augen von Tan Levine leuchten. Mit knallgelbem T-Shirt und breitem Grinsen steht der Band-Koch des Uebel & Gefährlich im frisch eröffneten Friedrich Fett. Von Beginn an, seit 2006 also, löst der gebürtige Chilene mit seinen Kochkünsten im Backstageraum immer wieder wahre Freudenjauchzer aus. Anlass genug, die Gastroflächen der Werkstatt 3 flottzumachen. Mittags bedient sich die Nachbarschaft – für sagenhafte sieben Euro – am Buffet (eine Tagessuppe, drei Salate) und wählt dazu eines von drei Gerichten. Am Abend gehts quirliger zu. Tan ist viel in der Welt herumgekommen, Brasilien, New York, aber auch der ehemalige Kochsalon auf dem Kiez sind seine Inspirationsquellen. Mit frischen Zutaten, die er in der Früh besorgt, fabriziert er spontan vier bis fünf wechselnde Gerichte. Hauptsache Freestyle. Die Belegschaft ist von den gemeinsamen Barschichten im Uebel & Gefährlich und im Golem bereits eingegroovt und die Getränkekarte kann sich sehen lassen.

Text: Nele Gülck

 

Dance-Kiosk

Im Sprechwerk zeigen Künstler aus Belgien, Portugal, den USA und Hamburg zwölf Tage lang ihre Performances und suchen den Dialog mit dem Publikum.

Das Hamburger Tanzfestival ruft – internationale Gäste aus Belgien, Portugal und den USA folgen. Vom 14. bis 25. Oktober zeigen Künstler auf der Bühne des Sprechwerkes ihre Performances und sprechen nach den Vorstellungen mit dem Publikum über das Gesehene. Auch die Hamburger Tanzszene erhält an sechs Abenden im Rahmen von Dance-Kiosk eine Plattform für die Vorstellung neuer Projekte. Am 21. Oktober zeigen ab 20 Uhr vier Protagonisten ihre Arbeiten. Lotte Müller (Foto) präsentiert ihr humorvolles Projekt Relaxa©Tion (15 Minuten) und Orthia Jöns-Anders ihre Duett-Adaptation Von Gleich und Gleich (15 Minuten). Außerdem führen zwei internationale Gäste ihre künstlerischen Arbeiten auf’s Parkett: Irene Sequeiros zeigt die Zukunftsstudie Crashkurs (7 Minuten) und Jonas Lopes sein Stück über Diven mit dem Titel Matilda Carlota (45 Minuten). Das Festival findet zum achten Mal im Sprechwerk statt – es brachte bisher die Beiträge von 230 Künstler aus 35 Nationen auf die Hamburger Bühne.

Text: Lena Frommeyer

Von Gleich zu Gleich (Orthia Jöns-Anders) from Angela Guerreiro on Vimeo.

 

E-Komponisten

Neue Musik mit und ohne Elektronik spielt dieses Ensemble unter Einsatz von Posaune, MP3-Player, Midi-Keyboard, Klarinette, Gitarre, Klavier und Mischpult. Schon ein ziemlich geiler Name für ein Ensemble, das „neue Musik“ mit elektronischer Verstärkung umsetzt: Komponistenverschwörung. Das klingt nach einem Geheimbund für Klanginnovationen, sperrig, interessant und inkompatibel für die Masse. Fein, fein… Gespielt werden Stücke wie Menschen & Zombies für Ensemble von Stephan Marc Schneider, Schlechter Einfluss für Bassklarinette, E-Gitarre, Posaune und 2 Sampler von Ernst Bechert oder Paradies: Pause für Midi-Keyboard, Klavier und vier mp3-Player von Erich Hermann. Dabei hantieren die Komponisten (Ernst Bechert, Erich S. Hermann, Evgeni Orgien, Stephan Marc Schneider, Stefan Schulzki, Martin Wistinghausen) an Posaune, MP3-Player, Midi-Keyboard, Klarinette, Gitarre, Klavier und den Knöpfchen der Mischpulte herum. In der Tat – das Ergebnis ist faszinierend und anstrengend zugleich. Am besten unten auf das Video klicken und selbst entscheiden, ob man sich auf die Töne einlassen möchte/kann, die am 21. Oktober im Polittbüro erklingen.

 

Benjamin Lebert

Zwischen seinem Debütroman „Crazy“ und dem neusten literarischen Streich „Mitternachtsweg“ liegen fünf weitere Bücher. Der fleißige Schriftsteller liest heute im Nochtspeicher.

Das neue Buch des Hamburger Schriftstellers mit dem Titel Mitternachtsweg ist im Handel erschienen. In poesker Manier beschwört Benjamin Lebert darin eine düstere Leidenschaft herauf. Die verworrene Geschichte spinnt sich zwischen Hamburg und Sylt und scheut auch keine Zeitsprünge. Der Protagonist Johannes Kielland ist eigentlich ein zurückgezogener junger Mann, der lieber skurrile Begebenheiten sammelt als selbst in die Fänge des Lebens zu geraten. Als eine gleichzeitig Kraft spendende wie Tod bringende Liebe sein Leben durcheinanderwirft, gerät er ins Taumeln. Ein rätselhafter schwarzer Handschuh, eine mysteriöse Frau auf dem Friedhof, nächtliche Flucht vor den Nazis, das Wattenmeer vor Sylt: Dem immer noch jungen Lebert gelingt es, eine romantische Liebesgeschichte zu erzählen, die in Teilen unergründlich bleibt. Das liegt nicht zuletzt an der dichten Sprache. Der Autor liest am 21. Oktober im gemütlichen Nochtspeicher auf St. Pauli aus seinem neuen Roman.

Text: Lisa Scheide

Lesen Sie im Buch: Benjamin Lebert – Mitternachtsweg

 

Lasse Matthiessen

Taschentücher und Lollis einpacken. Der dänische Singer/Songwriter lässt seine melancholischen Stücke durch den Kleinen Donner flirren.

Warum Lasse Matthiessen auf den meisten Fotos, die man von ihm im Internet findet, ernst und manchmal geradezu bedröppelt dreinschaut? Weil der Teilzeit-Berliner, der aus der hübschen Stadt Kopenhagen stammt, durch und durch melancholisches Songwriting betreibt. Das hört sich so schön traurig an, dass man bei Konzerten versucht ist, vom Barhocker aufzustehen und ihm einen Lolli zu schenken, ihn in den Arm zu nehmen und zu sagen: „Das Leben ist leicht, Lasse. Ich lass dich erst wieder los, wenn du lächelst.“ Lasse Matthiessen steht entweder allein mit seiner akustischen Gitarre auf der Bühne, tourt aber seit einigen Jahren auch regelmäßig mit voller Bandbesetzung und wird dann von Kontrabass, elektrischer Gitarren, E-Bass und Schlagzeug begleitet. Geplant war, dass er die Stücke seiner ausgezeichneten Tonträger Dead Man Waltz sowie Carry Me Down in der Astra-Stube präsentiert. Das Konzert wurde jedoch um einige Meter zum Schulterblatt verlegt, in den Kleinen Donner.

Text: Lena Frommeyer

 

Hamburger Theaterfestival

Im Stück „Zwischenfälle“ werden Fragen gestellt, die jeden beschäftigen. Zum Beispiel: Ist es eine Zumutung, jeden Morgen pünktlich im Büro sein zu müssen?

„Ein Fest genialer Schauspieler“ urteilte die Süddeutsche Zeitung über Andrea Breths Stück Zwischenfälle am Wiener Burgtheater. Über 50 verschiedene Fragmente aus unterschiedlichen Textvorlagen werden darin kunstvoll zusammengebracht: Kurzszenen und Improvisationen der Autoren Daniil Charms, Georges Courteline und Pierre Henri Cami gehen auf amüsante und sehr spezielle Weise Fragen des Alltags nach. Beispiele gefällig? Voilà: Was hat es zu bedeuten, dass zwei Menschen gleichzeitig von einem Dach fallen? Ist es nicht eigentlich eine Zumutung, dass man jeden Morgen pünktlich im Büro zu erscheinen hat? Lässt sich der persönliche Glaube auf einer Waage messen? Besteht die Gefahr, dass die britischen Inseln in den Ozean hinaustreibt? Um hier ein paar Antworten zu finden, schlüpfen zehn Darsteller in beinahe 90 Rollen. Das furios gefeierte Stück ist heute im Rahmen des Hamburger Theaterfestivals zu sehen.

Text: Katharina Manzke

 

FKA twigs

Die Musikwelt frisst der Newcomerin mit jamaikanisch-spanischen Wurzeln aus der Hand, und sie dankt es ihr mit mysteriös-durchgestylten Auftritten.

„The artist formerly known as twigs“… Die drei Buchstaben zu Beginn ihres Künstlernamens sind das Zugeständnis an bereits vergebene Namensrechte, natürlich eine Spur ironisch: Zwar macht Tahliah Barnett mit ihrem elektronischen Minimal-R’n’B seit rund einem Jahr von sich reden, doch erst seit dem Debüt LP1 kann man ihr getrost Bekanntheit unterstellen. Die Musikerin aus dem englischen Gloucestershire nimmt die Ideen, die vom gut abgehangenen Genre Trip-Hop noch frisch erscheinen, und packt sie in soulige Stop’n’Go-Popmusik. Barnett begann ihre Karriere mit 17 als Tänzerin, Körperlichkeit und Bewegungsdrang steckt ebenfalls in ihren Songs, wenn auch in entschleunigten Geräuschballaden statt Tanzflächenkrachern. Man kann ruhigen Gewissens behaupten: LP1 ist eines der wichtigsten Alben des Jahres, auf dessen Live-Umsetzung man mit Sehnsucht warten warten darf.

Text: Thorsten Moor

 

Barmbeker Spieletag

Jeden dritten Sonntag im Monat kann man in der Zinnschmelze das Spielkind in sich rauslassen und sich beispielsweise durch den Nachmittag siedlern.

Wer behauptet, Gesellschaftsspiele sind uncool, ist doof. In vielen Menschen schlummert ein Spielkind. Das zuzugeben, fällt nicht leicht, wenn man sich eigentlich über seinen Style definiert. Also lieber bedeckt halten mit der Leidenschaft für Würfel, Holzfiguren und Karten? Dann ist der 19. Oktober die beste Gelegenheit, um die Reisetasche mit Kartons zu füllen auf denen Qwirkel, Die Siedler von Catan, Ubongo sowie Ligretto steht und Inkognito mit der S-Bahn in Richtung Barmbek zu fahren. Hier, in der Zinnschmelze, trifft man sich ab 14 Uhr zum 223. Barmbeker Spieletag. An jedem dritten Sonntag im Monat findet das Event im Hamburger Nordosten am Museum der Arbeit statt. Hier wartet eine wahnsinnige Auswahl an Spielen. Um den Überblick nicht zu verlieren, steht der Spielesammler und Spielpädagoge Andreas D. Meyer für Fragen und Tipps bereit – insbesondere, wenn man nicht durch kompliziertes Regelwerk steigt.

Text: Lena Frommeyer

 

Laing im Imperial

„Morgens immer müde“ kennt jeder. Das charmante Quartett aus Berlin präsentiert die Songs seines neuen Albums „Wechselt die Beleuchtung“.

Ist es noch zeitgemäß, eine Band, die aus Frauen besteht, als „Frauenband“ zu titulieren? Bedeutet diese Art von Extra-Benennung nicht immer auch ein bisschen Ausschluss aus der Normalität? Ach, ist doch egal, werden die meisten sagen. Denkfaul lebt es sich halt besser. Die Band Laing kommt aus Berlin, hat viele XX-Chromosomen im Blut und mindestens einen veritablen Hit im Gepäck, nämlich Morgens immer müde (2012) mit den charmanten Zeilen: „Ich bin morgens immer müde / aber abends werd ich wach / morgens bin ich so solide / doch am Abend werd ich schwach.“ Die diesjährige Tour führt das Quartett ins Imperial Theater, wo es die Stücke seines neuen Albums Wechselt die Beleuchtung in prunkvoller Kulisse vorstellen wird. Anfang nächsten Jahres ist die Band kurz vor Tourabschluss erneut in Hamburg zu sehen – dann aber im abgerockten Gruenspan.

 

Honig im Knust

Der Düsseldorfer Singer/Songwriter mit dem süßen Namen präsentiert die Lieder seines dritten Albums „It’s Not A Hummingbird, It‘s Your Father‘s Ghost“.

Die Assoziation „süß und klebrig“ ist für seine Musik eher unpassend, aber was soll er machen? So heißt er halt: Stefan Honig. Der Singer-Songwriter aus Düsseldorf hat soeben sein drittes Album veröffentlicht, es trägt den schönen Titel It’s Not A Hummingbird, It‘s Your Father‘s Ghost. Der gelernte Erzieher hat mittlerweile seinen Beruf an den Nagel gehängt und macht nur noch Musik – dass er es jetzt wissen will, kann man auf der Platte hören: Seine Folksongs klingen auf einmal viel größer, von Skizzen ist er zur großen Leinwand gewechselt. Da ist es auch nur folgerichtig (und kaum wahnsinnig), wenn er beim Haldern-Pop-Festival mit 14-köpfiger Band auf der Bühne steht, wie dieses Jahr geschehen. Mal säuselt er, mal kann er bärig grollen – einigen wir uns auf „bittersüß“. Und dran hängen bleibt man doch auch irgendwie.

Text: Michael Weiland